Mag. Silvia Stefan-Gromen
Ausgabe 03/2021
Die Erzeugung lebender Embryos mithilfe künstlicher Reproduktionstechnologien ist ein wichtiger Baustein zum Erhalt von vom Aussterben bedrohten Säugetierarten.
Um außerhalb eines lebenden Organismus (in vitro) eine ausreichende Anzahl befruchtungsfähiger weiblicher Keimzellen wachsen zu lassen, müssen WissenschaftlerInnen die natürliche Entwicklung der Ovarialfollikel nachbilden, vom frühesten – primordialen – Stadium angefangen. Nun liegt die erste umfassende Genexpressionsanalyse (Transkriptom) von frühen Ovarialfollikeln von einer anderen Tierart als Mäusen vor – die der Hauskatze. Die Analyse gibt einen Einblick in grundlegende Mechanismen, welche Follikelaktivierung und -wachstum auslösen könnten. Die Forschungsarbeit, die von WissenschaftlerInnen des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) und dem Berliner Zentrum für Genomik in der Biodiversitätsforschung (Begendiv) durchgeführt wurde, ist ein wesentlicher Schritt auf dem Weg, das Eizellenwachstum in vitro zu unterstützen.
Das Wissenschaftsteam der Abteilung für Reproduktionsbiologie des Leibniz-IZW hat zusammen mit den BioinformatikerInnen vom Begendiv den kompletten Satz der RNA-Transkripte in den Ovarialfollikeln von Hauskatzen (Felis catus) in drei frühen Entwicklungsstadien – Primordial-, Primär- und Sekundärfollikel – analysiert. „Wir haben anhand unserer RNA-Sequenzierungsdaten herausgefunden, dass nicht nur verschiedene Signalwege eine Rolle spielen, sondern auch die unmittelbare Umgebung die Aktivierung der primordialen Follikel stark regulieren kann“, erklärt Shauna Kehoe, Erstautorin des kürzlich in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“ veröffentlichten Artikels. „Primordiale Follikel sind in einem beengten und begrenzten Bereich im Eierstock lokalisiert, aber sobald sie den Platz bekommen, sich zu bewegen und die richtigen Signale aus ihrer Umgebung erhalten, können sie in einen aktivierten Zustand und somit in die primäre Phase übergehen.“
Das Wissenschaftsteam isolierte Eierstockfollikel aus Proben von Katzenovarien, die laufend nach Routinekastrationen gesammelt werden, und extrahierte dann die RNA aus Follikeln jedes Typs. Mithilfe der RNA-Sequenzierungstechnik erstellte das Team eine Momentaufnahme der Gene, die in den Follikeln zu diesem Zeitpunkt exprimiert wurde. Das Team verglich, wie das Vorkommen der RNA-Transkripte in primordialen, primären und sekundären Follikeln variiert. Das Team konnte hoch exprimierte und zwischen den Follikelstadien unterschiedlich stark exprimierte Gene identifizieren und ihren Genprodukten spezifische biologische Funktionen und Prozesse, die in den Follikeln ablaufen, durch funktionelles Annotations-Clustering zuordnen. Die entdeckten Zusammenhänge auf molekularer Ebene zwischen dem Ruhezustand der Primordialfollikel und ihrer Aktivierung und dem nachfolgenden Wachstum bieten neue Ansätze, um mögliche Schlüsselsignale während des Follikelwachstums zu untersuchen. „Wenn wir verstehen, welche chemischen Signale und welche Umgebung der Follikel für die Aktivierung benötigt und welche Zusätze in das Medium gegeben werden müssen, um sein Wachstum in vitro zu fördern, können wir eine Massenaktivierung von ruhenden Follikeln induzieren und auf diese Weise die Anzahl der reifen Eizellen erhöhen, die für die Embryonenproduktion zur Verfügung stehen“, erklärt Beate Braun, Wissenschaftlerin am Leibniz-IZW und Seniorautorin dieser Forschungsarbeit.
Publikation:
Kehoe S, Jewgenow K, Johnston PR, Mbedi S, Braun BC (2021): Signalling pathways and mechanistic cues highlighted by transcriptomic analysis of primordial, primary, and secondary ovarian follicles in domestic cat. SCI REP 11, 2683 – doi:10.1038/s41598-021-82051-4.
www.nature.com/articles/s41598-021-82051-4