West-Nil-Virus (WNV)

Die Situation in Österreich

Auf Basis des Berichts der AGES:
www.ages.at

NORBERT NOWOTNY
Institut für Virologie, Veterinärmedizinische Universität Wien

Infektionen mit dem West-Nil-Virus kommen seit 2008 auch im Osten Österreichs vor. Menschen, Pferde und verschiedene Vogelarten sind für die Infektion empfänglich. Wir geben hier einen Überblick.

Das West-Nil-Virus (WNV) wurde erstmals 1937 aus dem Blut einer fieberhaft erkrankten Frau im West-Nile-District von Uganda (daher der Name) isoliert. Es kam vor 1999 nur in Afrika und Teilen Asiens und Südeuropas vor. Im Jahr 1999 kam es in den USA zum Auftreten von Fällen von Enzephalitis bei Menschen, Vögeln und Pferden durch ein WNV der Genotypenlinie 1. Das Virus breitete sich seitdem auf dem ganzen nordamerikanischen Kontinent aus – es wurde mittlerweile in den Vereinigten Staaten, Kanada, Mexiko, in der Karibik sowie in Mittel- und Südamerika nachgewiesen.

WNV spielte in Europa vor 2004 (mit Ausnahme eines großen Ausbruchs bei Menschen in Bukarest 1996/97 und kleineren Ausbrüchen bei Pferden im Mittelmeerraum) eine untergeordnete Rolle. 2004 (oder knapp davor) wurde jedoch eine neue genetische Linie (Linie 2) in Europa (Ungarn) eingeschleppt, vermutlich über Zugvögel aus Afrika (Bakyoni et al., Emerg Infect Dis. 2006 Apr;12(4): 618-23)1. Nach einer Adaptationsphase begann sich dieses Virus seit 2008 explosionsartig in Europa auszubreiten (Bakonyi et al., Vet Microbiol. 2013 Jul 26;165(1-2): 61-70)2. Seit diesem Zeitpunkt kommen WNV-Infektionen auch im Osten Österreichs (Wien, Niederösterreich, Burgenland und Steiermark) vor (Wodak et al., Vet Microbiol. 2011 May 5;149(3-4): 358-66)3. West-Nil-Virus-Infektionen sind heute in Europa weitverbreitet. Laut dem Europäischen Seuchenkontrollzentrum ECDC (West Nile fever maps) wurden 2017 204 WNV-Humanfälle in der EU und 84 in EU-nahen Ländern wie Serbien, Türkei und Israel gemeldet. Im Jahr 2018 wurden EU-weit 2.083 Fälle mit WNV gemeldet, mehr als in den sieben vorangegangenen Jahren zusammen (1.832 Fälle). Mögliche Gründe dafür wurden von Camp und Nowotny untersucht (Camp und Nowotny, Expert Rev Anti Infect Ther. 2020 Feb;18(2): 145-154)4. Das Risiko, sich in Österreich anzustecken und an West-Nil-Fieber zu erkranken, ist derzeit noch gering. Da die Übertragung durch Stechmücken erfolgt, treten WNV-Infektionen im Sommer und Herbst (Juni bis Oktober) auf. In Österreich wurden zwischen 2009 und 2018 insgesamt 44 im Inland erworbene WNV-Fälle bestätigt. Die wahrscheinlichen Ansteckungsorte sind in Wien, Niederösterreich und im Burgenland zu finden. In Österreich gab es bislang keinen Todesfall beim Menschen.

75 bis 80 Prozent aller WNV-Infektionen beim Menschen verlaufen subklinisch, der Rest äußerst sich als eine fieberhafte, grippeähnliche Erkrankung (West-Nil-Fieber). Nur etwa eine von 140 Infektionen führt beim Menschen zu ­einem schweren Verlauf in Form einer Entzündung des Gehirns oder Rückenmarks, der sogenannten West Nile neuroinvasive disease; aber auch subklinische Verlaufs­formen sind bedeutend, denn das Virus kann über Blutspenden übertragen werden. Im Jahr 2014 wurde WNV erstmalig bei einer Blutspenderin diagnostiziert, 2015 fanden sich acht Fälle, darunter fünf Blutspender (Gossner et al., Euro Surveill. 2017 May 4;22(18): 30526)5. In den Gebieten, in denen WNV in Österreich verbreitet ist, wird daher während der WNV-Übertragungssaison jede Blutspende auch auf das Virus untersucht. Dabei wurden auch Infektionen mit dem nahe verwandten Usutu-­Virus identifiziert (Bakonyi et al., Euro Surveill. 2017 Oct;22(41): 17-006446, sowie: Aberle et al., Euro Surveill. 2018 Oct;23(43): 18005457).

 

West-Nil-Situation in Österreich beim Tier

Im Jahr 2008 wurden in Österreich erstmals klinische WNV-Infektionen der Linie 2 bei Greifvögeln nachgewiesen, und seit diesem Zeitpunkt wird im Auftrag des BMSGPK am IVET Mödling ein WNV-Überwachungsprogramm bei Wildvögeln und seit 2011 auch bei Pferden durchgeführt. Die „Indikatorvogelart“ für die genetische Linie 2 von WNV ist der Habicht. Auch in Österreich sind vor allem Habichte, aber auch andere Greifvogelarten an der Infektion verendet.

Der Schwerpunkt des WNV-Überwachungsprogramms liegt bei Greifvögeln (Falconiformes), Sperlingsvögeln (Passeriformes) und Rabenvögeln (Corvidae, Raben und Krähen), denen eine zentrale Rolle bei der Verbreitung des Erregers zugeschrieben wird. Zusätzlich wurden auch andere Vogelspezies – etwa Weidegänse und Enten aus Risikoregionen aus dem passiven Aviären Influenza-Überwachungsprogramm – über Schlachtblut auf WNV untersucht.

In den Jahren 2013 und 2014 konnte im Rahmen der durchgeführten PCR-Untersuchungen von Wild- und Greifvögeln jeweils bei einem Habicht das WNV Linie 2 detektiert werden. 2015 konnte das WNV Linie 2 bei zwei Habichten nachgewiesen werden. Im Jahr 2017 wurden 129 Vögel mittels WNV- bzw. Flaviviren-PCR ­untersucht – bei insgesamt zwölf Vögeln (sechs Falken, zwei Habichten, zwei Bartgeiern, einem Bartkauz und einem Kanarienvogel) konnte erneut WNV Linie 2 nachgewiesen werden (Datenquelle: AGES und Vetmeduni Vienna).

Alle klinischen Formen der Encephalomyelitiden bei Pferden sind in Österreich anzeigepflichtig und die verdächtigen Tiere werden routinemäßig auch auf das Vorkommen von WNV und anderen Flaviviren untersucht. Klinische Fälle bei Pferden waren bis 2015 in Österreich nicht aufgetreten – im August 2016 wurde erstmals bei einem Pferd im Osten von Österreich WNV bestätigt. Das betroffene Tier zeigte klinische Symptome, sprach aber gut auf die Behandlung an der Veterinärmedizinischen Universität Wien an und konnte geheilt werden.

Im Oktober 2016 musste ein Pferd aus Niederösterreich wegen progressiven neurologischen Symptomen an der Veterinärmedizinischen Universität Wien euthanasiert werden. Das Tier zeigte bei der pathomorphologischen Untersuchung am NRL in Mödling das Bild einer viralen Meningoenzephalitis, die ätiologische Diagnose WNV-Infektion konnte jedoch erst im Jänner 2017 bestätigt werden. Hierbei handelt es sich um den ersten dokumentierten Fall einer WNV-bedingten Enzephalitis bei einem österreichischen Pferd. Im Spätsommer/Frühherbst 2017 konnten drei weitere klinisch relevante Fälle von equinen WNV-Infektionen in Niederösterreich nachgewiesen werden. Ein Pferd musste aufgrund der klinischen Symptomatik euthanasiert werden – bei diesem Tier lag eindeutig eine WNV-assoziierte Meningoenzephalitis vor. Die zwei anderen Pferde haben die Krankheit überstanden, eine stattgefundene WNV-Infektion konnte serologisch jedoch bestätigt werden. Es handelte sich bei den equinen WNV-Fällen in Österreich bislang ausschließlich um WNV Linie 2. Eine Zusammenfassung der bisherigen österreichischen equinen West-Nil-Fälle findet sich in der Publikation de Heus et al., Transbound Emerg Dis. 2020 May; 67(3): 1189-11978.

In den vergangenen 15 Jahren wurden klinische WNV-­Fälle bei Pferden auch in Italien, Ungarn, Frankreich, Griechenland, Portugal und Spanien gemeldet – zumeist gingen diese gleichzeitig auch mit Humanerkrankungen einher. Im Jahr 2018 wurde WNV bei zwei Vögeln (ein Habicht,
eine Krähe) in Niederösterreich nachgewiesen.

 

Vorbeugende Maßnahmen für Pferdehalter

• Stechmücken sind in der Morgen- und Abenddämmerung besonders aktiv. Daher ist es wichtig, Pferde vor der Dämmerung in den Stall zu führen.

• Fenster mit Mückennetzen abdichten, Stalltüren in der Nacht und in der Dämmerung geschlossen halten.

• Gelsenmenge reduzieren: Stechmücken legen ihre Eier in jede Wasseransammlung ab. Um die Vermehrung von Gelsen zu vermeiden, sollten Regentonnen abgedeckt und Tränken täglich gereinigt werden.

• Waschplätze trocken halten: An den Waschplätzen der Tiere ist darauf zu achten, dass das Wasser in die Kanalisation abfließt.

• Impfstoffe für Pferde: Es gibt mehrere zugelassene Impfstoffe. Pferde sollten zweimal im Abstand von drei bis fünf bzw. vier bis sechs Monaten und danach jährlich geimpft werden. Ein Impfstoff ist derzeit nur für Pferde erhältlich; einen in der Prävention einsetzbaren Impfstoff für den Menschen gibt es nicht. Das Vermeiden von Moskito­stichen ist das einzige Mittel zur Prophylaxe von WNV-Infektionen.

 

Gelsen als Überträger

Das WNV zirkuliert natürlicherweise zwischen bestimmten Vogel- und Stechmückenarten. Auf Mensch, Pferd und viele verschiedene Vogelarten wird es über Stechmücken übertragen. Als mögliche Vektoren kommen eine Vielzahl verschiedener Mückenarten infrage, vor allem die Gattungen Culex, Aedes und Ochlerotatus. In der Gattung Culex sind dies vor allem Culex pipiens, C. quinquefasciatus, C. molestus, C. restuans, C. salinarius und C. tarsalis. Heimische Gelsen haben bereits wiederholt bewiesen, dass sie das West-Nil-Fieber in Österreich übertragen können (Kolodziejek et al., PLoS One. 2015 May 11;10(5):e01263819).

Culex pipiens als Parasit von Vögeln und Mensch, ist in Österreich der wichtigste Vektor in der Übertragungskette zu Mensch und Pferd. Das Virus kann in dieser „Hausgelse“ den Winter überdauern (Rudolf et al., Parasit Vectors. 2017 Oct 2;10(1):45210) und im Folgejahr im Frühling einen Vermehrungszyklus in der Mücke durchmachen. Stechmücken der Gattung Culex verbringen den Winter in geschützten Räumen wie Kellern, Scheunen, Tunneln und Höhlen. Nach zehn bis fünfzehn Tagen Inkubation in der weib­lichen Mücke wird das WNV durch Stechen weitergegeben. Entsprechend hohe Temperaturen gelten als eine Voraussetzung für eine Verbreitung in Europa:  Während der Virustiter im Insekt bei 18 °C nur langsam steigt, vermehrt sich das Virus bei 30 °C rasch und die Übertragungswahrscheinlichkeit ist hoch. Daher fördert die Erderwärmung auch die Ausbreitung von WNV-Infektionen.