Was wurde aus…

„Einen Plan B gab es nicht!“

Mag. Eva Kaiserseder

Wie sieht Ihr Alltag denn seit Ihrem Abschied von der Universität Ende 2014 aus? Ein Projekt läuft ja noch, soweit ich weiß. 
Am Tagesrhythmus hat sich nichts geändert, wohl aber an der Verfügbarkeit und den neuen Aufgaben, die ich erledigen muss. Ich habe jetzt wesentlich mehr Zeit für meine Familie und die vier Enkelkinder, zwei Monate bis 12 Jahre alt. Die Begehrlichkeiten der Familienmitglieder, den in Pension befindlichen „Opa“ für die verschiedensten Aufgaben heranzuziehen, sind äußerst kreativ, bereiten mir aber auch große Freude. Darüber hinaus kann ich mich auch vermehrt um meine Landwirtschaft im Mürztal kümmern und finde mehr Zeit für meine Hobbys. Termindruck lasse ich erst gar nicht aufkommen. In das von der FFG geförderte „ADDA-Projekt“ („advanced dairy development austria“) bin ich lediglich als zweiter Betreuer einer Dissertation involviert.

Und wie hat Ihr beruflicher Alltag ausgesehen?
Die über sieben Jahre im halben Beschäftigungsausmaß gleichzeitig ausgeübte Tätigkeit als Bereichsleiter für Veterinärmedizin in der AGES und als Vorstand des neu gegründeten Instituts für Öffentliches Veterinärwesen an der Vetmeduni Vienna war für mich auch physisch eine große Herausforderung. Vertraglich war eine Teilzeitbeschäftigung im Ausmaß von 50 % je Arbeitgeber vorgesehen, die aber stets überschritten wurde. Viele Termine, sowohl im In- als auch im Ausland, führten jenseits der 50-Stunden-Woche zu einem gehörigen Zeitdruck, der oftmals sehr belastend war.  

Ihr Name ist untrennbar mit dem Institut für Öffentliches Veterinärwesen verbunden – auch ein Herzensprojekt von Ihnen, oder? Wie kam es dazu?
Die Errichtung des Instituts für Öffentliches Veterinärwesen an der Vetmeduni Vienna war in der Tat eine Herzensangelegenheit von mir. Die Vernetzung der Veterinärdienste der Bundesländer und des BMG mit der AGES und der Vetmeduni Vienna, um anstehende fachliche Probleme einer wissenschaftlichen Bearbeitung zuzuführen, war Hintergedanke der Bemühungen. Fast zeitgleich erhielt ich 2004 Angebote vom damaligen Rektor der Vetmeduni Vienna, Herrn Freiherr von Fircks, und den AGES-Geschäftsführern Dr. Frühauf und Dr. Url, meine Vorstellungen über „Veterinary Public Health“ in Wien umzusetzen. Daraus entstand zunächst eine Gastprofessur an der Vetmeduni Vienna mit halber Dienstverpflichtung und die Leitung des Fachbereichs Veterinärmedizin an der AGES im selben Ausmaß. Diese Konstellation ermöglichte es mir, die angestrebten Synergien zu nutzen und den Worten auch Taten folgen zu lassen. 2007 erfolgten die Gründung des Instituts für Öffentliches Veterinärwesen an der Vetmeduni Vienna und meine Berufung als Vorstand für diese ehrenvolle Aufgabe.

Was waren Highlights dieser Station in Ihrem Berufsleben?
Die wissenschaftliche Bearbeitung von Fragestellungen zur Tierseuchen- und Zoonosenüberwachung sowie epidemiologische Fragen zum Antibiotikaeinsatz und zur Resistenzentwicklung in der Nutztierhaltung waren zweifellos von zentraler Bedeutung. Die Optimierung von Rückmeldesystemen in QS-Systemen, die ökonometrische Bewertung von Tierseuchen und die Mitarbeit an EMIDA-(ERA-NET)-Projekten sowie DACH-Kooperationen ergänzen das Spektrum. Das im Rahmen von COMET geförderte K-Projekt „Preventive Veterinary Medicine – Improving pig health for safe pork production“ war aufgrund der interdisziplinären Zusammenarbeit ein großer Erfolg für unser Institut. Im ebenfalls von denselben Förderern initiierten ADDA-Projekt konnte ich am Zustandekommen noch marginal mitarbeiten. Die von mir stets betriebene Strategie der interdisziplinären Zusammenarbeit von Personen guten Willens fand in der Errichtung der Forschungskooperation VET-Austria im Jahre 2012 ihren Höhepunkt. Zentrale Einrichtung dieser Kooperation ist ein Thinktank, der von den Partnern Bundesministerium für Gesundheit, Vetmeduni Vienna und AGES gebildet wird. Somit war der Grundstein für eine erfolgreiche Weiterentwicklung des Instituts aus meiner Sicht für die nächste Planungsperiode gewährleistet.

Welche Aufgaben werden Ihrer Meinung nach künftig noch auf das Institut zukommen?
Die Ausrichtung der Forschungsschwerpunkte für das VPH-Institut wird ganz wesentlich von den handelnden Personen geprägt. Ich bin guter Hoffnung, dass meine Nachfolgerin, Frau Univ.-Prof. Dr. Annemarie Käsbohrer, die erfolgreiche Strategie des Instituts fortsetzt und es mit neuen Ideen befruchtet. Das mögliche Arbeitsgebiet ist großartig, umfasst es doch die Forschungsgebiete von „population medicine“ und „food safety“. 

Auch der TGD hat eine wichtige Rolle in Ihrer Laufbahn gespielt. Wie sehen Sie dessen Entwicklung?
Der Aufbau von Tiergesundheitsdiensten hat in meiner Sturm-und-Drang-Zeit als junger Tierarzt eine ganz wesentliche Rolle gespielt. Die kooperative Zusammenarbeit zwischen Landwirt und Betreuungstierarzt, nach präzisen Spielregeln, war und ist der Grundstein einer erfolgreichen Herdenbetreuung. Nach wie vor gilt der Grundsatz: „Risikominimierung beginnt im Stall“! Die flächendeckende Einführung der Tiergesundheitsdienste im gesamten Bundesgebiet auf der Rechtsgrundlage des Tierarzneimittelkontrollgesetzes im Jahre 2002 war ein Meilenstein, um den uns viele KollegInnen in anderen Ländern beneiden. Der TGD ist in der Selbstverwaltung äußerst sparsam, gewährleistet föderalistischen Spielraum in der Schwerpunktsetzung und ist durch den Einbau privatwirtschaftlich organisierter Tierärzte auch äußerst kosten­effizient. 15 Jahre nach Etablierung der Tiergesundheitsdienste soll man durchaus eine Bewertung des Erreichten vornehmen und die fachlichen und organisatorischen Grundlagen hinterfragen, etwa: Ist die österreichweit agierende Organisationsform der QGV auch auf andere Tiersparten übertragbar? Was spricht gegen eine Bündelung labordiagnostischer Aufgaben in der AGES? Welche gesundheitsrelevanten Leistungen müssen trotz knapper werdender Ressourcen österreichweit angeboten werden? Wo drückt der Schuh und welche Fragen gilt es im Rahmen anwendungsorientierter Forschung, z. B. mit dem VPH-Institut der Vetmed­uni, zu bearbeiten? Ganz aktuell zeigt sich wiederum die Bedeutung der Herdenbetreuung in der Strategie des verantwortungsvollen Arzneimitteleinsatzes auf Nutztierebene. Der Aufbau von Bottom-up-Analysen des Arzneimitteleinsatzes bei zur Lebensmittelgewinnung bestimmten Nutztieren ist neben der Gewährleistung der Tierwohl-Standards Grundlage einer nachhaltigen tierischen Veredelungswirtschaft, zu der sich in Österreich verbal alle Stakeholder bekennen.

Warum sind Sie persönlich eigentlich Tierarzt geworden? Hat es einen Plan B gegeben?
Ursprünglich wollte ich Nutztierpraktiker werden. Während meiner Zeit als Assistent an der II. Med. Klinik erhielt ich von Herrn Univ.-Prof. Dr. Glawischnig, meinem klinischen Lehrmeister, die Chance, ein dreijähriges Forschungsprogramm über Schweinegesundheit und Bestandsbetreuung in der Steiermark zu betreuen. Das war der Grundstein meines beruflichen Werdegangs, der mich über die Veterinärverwaltung an die AGES und die Vetmeduni Vienna führte. Einen Plan B gab es nicht. 

Was hat sich beruflich erfüllt und was haben Sie sich vorher ganz anders vorgestellt?
Ich durfte die beruflichen Tätigkeiten in einer äußerst spannenden Zeitperiode ausüben, die durch den Beitritt Österreichs zur EG gekennzeichnet war. Die Neuordnung der Tierseuchen- und Lebensmittelüberwachung, die Mitarbeit am Aufbau der Tiergesundheitsdienste, verbunden mit gut organisierten Fortbildungsveranstaltungen, und die Einführung von Überwachungs- und Rückmeldeprogrammen (Salmonellen, Tierseuchen, Resistenz-Monitoring; Schlachttier- und Fleischuntersuchung) haben mich fachlich gefordert und Freude bereitet. Die schleppende und zögerliche Umsetzung der meisten Projekte – in der Regel mehr als fünf Jahre von der Planung bis zur erfolgreichen Durchführung – durch retardierende Persönlichkeiten aus allen Berufsgruppen hat mich allerdings oft genervt, aber niemals zur Aufgabe des Vorhabens veranlasst. 

Gibt es Dinge, für die Sie jetzt endlich Zeit finden und die vorher zu kurz kamen? 
Ich habe jetzt mehr Zeit fürs Skilaufen, Wandern, Lesen und Reisen. Darüber hinaus habe ich die kulturellen Freuden des Lebens, die ich in Wien genießen durfte, wie Konzert-, Opern- und Schauspielbesuche, zur großen Freude weiter intensiviert. 

Aus dem Nähkästchen geplaudert: Waren Sie ein guter Chef? Was war Ihnen bei Ihrem Personal wichtig?
Nachdem ich noch über ausreichende Selbstkritik verfüge, möchte ich diese Frage an meine ehemaligen MitarbeiterInnen weiterreichen. Jedenfalls habe ich mich bemüht, durch klare Vorgaben ein kollegiales Arbeitsklima zu schaffen, der innerbetrieblichen Kommunikation große Aufmerksamkeit zu widmen und den KollegInnen ein hohes Maß an Unterstützung in ihrem beruflichen Werdegang angedeihen zu lassen. Als Gegenleistung habe ich Engagement und Loyalität eingefordert. Die Förderung der individuellen Talente und die Vermittlung einer freudigen Einstellung zur Arbeit waren meine wichtigsten Prinzipien in der Führung der MitarbeiterInnen über all die Jahre, in denen ich die Verantwortung als Chef innehatte.