Passt eh alles! Oder?

Die Vorsorge­untersuchung bei Hund und Katze

Dr. med. vet. Astrid Nagl
Tierärztin und Buchautorin

Wenn wir uns bei der Gesundenuntersuchung Zeit nehmen, fördern wir die Compliance der BesitzerInnen und sorgen für Kundenbindung.

Die jährliche Untersuchung im Zuge eines Impf- oder Kontrolltermins ist bei gesunden Tieren ein Selbst­läufer. Das Besitzergespräch kann kurz gehalten werden, die klinische Untersuchung ist in Ordnung – das war’s! Wenn die BesitzerInnen versichern, dass auch für die Zecken- und Wurmprophylaxe gesorgt ist, können wir uns dem nächsten Tier im Wartezimmer widmen. Das ist eigentlich ­schade – denn auch, wenn kein akutes medizinisches Problem vorliegt, können wir zur Gesundheit unserer Patienten beitragen.

Fragen stellen

Eine schnelle Anamnese sollte bei einem gesunden Tier ein Gewichtsmonitoring und Fragen zu Appetit und Verdauung sowie zum Verhalten beinhalten. Die Beratung zu Gewichts- und Ernährungsfragen wird von vielen KundInnen dankbar angenommen. Ist die Katze fröhlich oder manchmal schlecht gelaunt? Zahnprobleme, Arthroseschmerzen oder Umfangsvermehrungen der Haut werden oft bei Routinekontrollen entdeckt, weil die BesitzerInnen noch gar nicht gemerkt haben, dass etwas nicht in Ordnung ist. Daher ist es wichtig, eine jährliche Kontrolluntersuchung zu empfehlen, auch wenn die BesitzerInnen nicht jedes Jahr impfen möchten. Gerade bei älteren Tieren kann man überlegen, eine „Gesundenuntersuchung“ mit Blutlabor und Blutdruckmessung anzubieten.

Die leidigen Mitbewohner

Bei wie vielen Hunden, die ursprünglich aus einem Nachbarland eingereist sind, haben Sie einen Herzwurmtest durchgeführt? Weiß die Besitzerin des Freigängerkaters, dass es sinnvoll wäre, seinen FIV-, FeLV- und FeCoV-Status zu kennen? Einen Befall mit Flöhen, Zecken und Würmern können wir erkennen und behandeln – vorbildliche BesitzerInnen holen sich die betreffenden Medikamente bei Ihnen ab und beugen vor. Doch dann gibt es auch die Kunden, die Ihnen erzählen: „Ja, ich habe sie entwurmt – bei Ihnen, vor einem Jahr bei der letzten Kontrolle.“ Oder: „Er hat das Wurmmittel nicht vertragen und Durchfall bekommen, das gebe ich ihm nicht mehr.“

Miteinbeziehen und informieren – gerade wenn es schwierig ist

Wie vermitteln wir den KundInnen, dass Maßnahmen wie Impfungen und die Parasitenkontrolle sinnvoll sind und nicht nur darauf abzielen, dass wir TierärztInnen Geld verdienen? Diese Frage wird immer aktueller in einer Zeit, in der viele Menschen glauben, die Wurmmittel seien für ihr Tier schädlicher als die Würmer selbst, die Tollwutimpfung sei gefährlicher als die Tollwut. Wie können wir auch diese TierbesitzerInnen ins Boot holen – und müssen wir uns diese Gespräche wirklich antun?

Da zu unseren Aufgaben die Erhaltung der Gesundheit der uns anvertrauten Tiere und im Sinne der Zoonose­gefahr auch die der dazugehörigen Menschen zählt, lautet die Antwort: Ja, wir müssen. Im Alltag kann es helfen, direkt auf externe Quellen zu verweisen, die von uns nicht beeinflusst werden können. Nennen Sie vertrauenswürdige Links oder geben Sie Informationsmaterial mit. Das kann für BesitzerInnen, die selbst recherchieren wollen, eine Bestätigung sein, dass wir ihre Ängste ernst nehmen. Bei manch anderen hilft nur das aufklärende Gespräch, wieder und wieder. Und der Verweis: Sie wollen ja das Beste für Ihr Tier, und ich auch!

Wenn wir uns bei der Gesundenuntersuchung Zeit nehmen, fördern wir die Compliance der BesitzerInnen und sorgen für Kundenbindung. Ein paar Minuten mehr ­Beratungszeit tragen so hoffentlich dazu bei, dass unsere Patienten gesund bleiben oder wir zumindest schnell erkennen, wie wir ihnen helfen können.

Empfehlungen basierend auf den AAHA-AVMA Feline and Canine Preventive Guidelines.