Vorhofruptur (atrial tear)

beim Hund

Tierärztin Dr. Ursula Heindl

Mark D. Kittleson, DVM, PhD
Diplomate ACVIM (Cardiology), Veterinary Information Network, Professor Emeritus, School of Veterinary Medicine, UC Davis

Eine Vorhofruptur ist eine seltene, aber potenziell tödliche Folgeerkrankung einer hochgradigen Mitralisregurgitation beim Hund. Die Prognose ist unterschiedlich – der vorliegende Fallbericht bietet einen Einblick.

 
Introduction (ENGLISCH)

Left atrial rupture (a full-thickness tear in the wall of the left atrium) has been described as a consequence of severe mitral regurgitation due to myxomatous mitral valve disease in dogs (1-3). Pathologically the tear consists of a long split in the endocardial surface of the left atrium, most commonly along the caudolateral wall. This may or may not result in a smaller full-thickness tear that results in a small hole in the epicardial surface of the left atrium and so bleeding into the pericardial space that can cause acute cardiac tamponade, collapse, and death. The pathophysiology of the tear is poorly understood. It occurs almost exclusively with severe left atrial enlargement. It is generally not associated with the jet lesion that is commonly seen in dogs with severe MR. 

Presumably the high left atrial pressure seen in dogs with severe MR coupled with the left atrial dilation and the secondary left atrial myocardial disease predisposes the left atrial wall to tear. Prognosis depends on the size of the full-thickness tear. The prognosis for dogs with a large hole and severe tamponade is grave and is one mechanism of sudden death in dogs with severe MR. The prognosis for dogs with a small tear is good. The prognosis for a dog that lives long enough to reach a referral center for an echocardiogram is guarded but can be quite good (5).

Einleitung (Deutsch)

Die Vorhofruptur (Durchtrennung aller Wandschichten des linken Vorhofes) wurde als Konsequenz hochgradiger Mitralisregurgitation (MR) infolge chronischer myxomatöser Mitralklappendegeneration bei Hunden beschrieben. (1-3) Pathologisch stellt sich der Einriss als lange Zusammenhangstrennung der endokardialen Oberfläche des linken Vorhofes dar, zumeist entlang der caudolateralen Wand. Dies führt manchmal zu einem kleineren Riss durch alle Schichten der Vorhofwand und damit zu einem kleinen Loch in der epikardialen Oberfläche und so zur Blutung in den perikardialen Raum. Das kann zu einer akuten Herztamponade, Kollaps und Tod führen.

Die Pathophysiologie der Vorhofruptur wird noch wenig verstanden. Sie entsteht fast ausschließlich bei hochgradiger Vorhofvergrößerung und steht im Allgemeinen nicht in Zusammenhang mit den Jet-Läsionen, die häufig bei Hunden mit hochgradiger MR zu sehen sind. Vermutlich entsteht die Prädisposition zur Ruptur der Wand des linken Vorhofes durch den hohen linksatrialen Druck, wie er bei Hunden mit hochgradiger MR vorkommt, in Verbindung mit der linksatrialen Dilatation und der sekundären linksatrialen Myokarderkrankung. Die Prognose hängt davon ab, wie groß der Einriss ist, der die gesamte Wanddicke durchtrennt. Die Prognose für Hunde mit einem großen Einriss und hochgradiger Tamponade ist schlecht. 

Dies ist eine Ursache für den plötzlichen Herztod von Hunden mit hochgradiger MR. Die Prognose für Hunde mit einem kleinen Einriss ist gut; jene für Hunde, die lange genug leben, um ein Überweisungszentrum für Echokardiographie zu erreichen, ist vorsichtig optimistisch, kann aber durchaus gut sein (5).

 
Fallbesprechung 

Eine neunjährige kastrierte Chihuahua-Mischlingshündin (5,2 kg) wurde wegen akutem Kollaps in die Klinik überwiesen. Eine Anamnese ergab Husten seit drei Monaten; IKT war 35,5 °C, Puls schwach bis unfühlbar und die Herztöne waren abgedämpft; Mundschleimhaut zyanotisch und anämisch; KFZ > 2 Sekunden; ein kurzer Ultraschall ließ einen Perikarderguss erkennen; Peri­kardiozentese in Sedierung ergab 20 ml rötliche Flüssigkeit.

Daran unmittelbar anschließend wurde ein vollständiger Herzultraschall durchgeführt. Es zeigte sich eine hochgradige Linksherzvergrößerung infolge einer chronischen MR aufgrund einer myxomatösen Mitralklappendegeneration. Eine echogene und homogene Struktur füllte den Raum zwischen rechtem Herz und Herzbeutel aus, mutmaßlich ein großer, linearer Thrombus; auf der linken Seite war auch freie Flüssigkeit (Perikarderguss) zu sehen. Innerhalb des hgr. vergrößerten linken Vorhofes konnte man, nahe der atrialen Wand, echogenes Material flattern sehen. Dies stand wohl im Zusammenhang mit dem Riss in der atrialen Wand, durch den das Blut in den Herzbeutel geflossen ist.

In der Aufwachphase wurde die Hündin stationär überwacht; sie lag auf einer Wärmematte und bekam eine Dauertropfinfusion mit isotonischer Kochsalzlösung (5 ml/h). Pimobendan (1,25 mg BID) und Benazepril (1,25 mg SID) wurden oral verabreicht. Sie erholte sich und blieb für vier Tage stationär; am dritten Tag waren die Herztöne nicht mehr abgedämpft und ein lautes, apikales, systolisches Herzgeräusch (Grad 4/6) war zu hören. Am vierten Tag – die Hündin zeigte gutes Allgemeinbefinden – wurde der Herzultraschall wiederholt. Dies ergab, dass der Thrombus kleiner geworden und die Menge der freien Flüssigkeit in etwa gleich geblieben war. Der Herz­ultraschall wurde am 43. Tag nach dem initialen Ereignis wiederholt. Es war nur mehr eine ggr. Menge an freier Flüssigkeit im Herzbeutel und der Thrombus war nicht mehr zu sehen. Weitere Untersuchungen mittels Herzultraschall erfolgten an den Tagen 190 und 393 nach dem initialen Ereignis. Es lag kein Perikarderguss mehr vor. Die linke Herzhälfte verblieb hochgradig vergrößert.

Die Hündin überlebte 407 Tage. Die Besitzer berichteten, dass sie unerwartet in der Nacht verstorben ist. Es wurde keine Nekropsie durchgeführt.

Diskussion

Vorhofruptur infolge chronischer MR ist oft ein lebens­bedrohlicher Notfall. Sehr wahrscheinlich führt er meistens zu akutem Tod. Bei Hunden, die überleben, sind die häufigsten klinischen Symptome akute Schwäche und Kollaps. Des Weiteren können Dyspnoe, Tachykardie und Husten auftreten. Bei der klinischen Untersuchung ist üblicherweise das linksapikale, systolische Herzgeräusch noch zu hören, es kann aber, wie in diesem Fall, auch abgedämpft sein (4,5).

Eine Vorhofruptur führt üblicherweise zu einer akuten Blutung in den Herzbeutel (weniger üblich ist ein Riss im interatrialen Septum, der zu einem interatrialen Shunt führt (6)). Im Gegensatz zu einem chronischen Perikarderguss, wie er bei Perikarditis und Tumor vorkommt und wo sich der Herzbeutel dehnen und anpassen kann, ist bei diesem akuten Geschehen eine Anpassung nicht möglich. Somit kann eine relativ geringe Ansammlung von Flüssigkeit zu einer hgr. Kompression des Herzens (Herzbeuteltamponade) führen und damit zu einer deutlichen Verminderung der Herzleistung, Schwäche, Kollaps und möglicherweise Tod (1,2). Das Ausmaß der Blutung hängt von der Größe des Lochs ab und von der Möglichkeit und der Geschwindigkeit der Thrombenbildung, um das Loch zu verschließen.

In einer retrospektiven Studie (4) überlebten nur zwei von 14 Hunden, die in einer Notfallklinik einer Vete­ri­närmedizinischen Universität vorgestellt wurden, länger als 30 Tage, wobei drei Hunde beim Eintreffen bereits tot waren und einer kurz nach der Vorstellung verstarb. Eine andere retrospektive Studie jüngeren Datums (5) zeigte eine bessere Prognose für Hunde, die in einer kardiologischen Überweisungspraxis vorgestellt wurden. Von elf Hunden überlebten zehn länger als 35 Tage, die mediane Überlebenszeit war 203 Tage. Hunde, die vor der Vorhofruptur noch keine kongestive Herzinsuffizienz hatten, lebten länger. Die Behandlung erfolgt konservativ oder chirurgisch (3). Konservative Behandlung kann Perikardiozentese, intravenöse Infusionen und entsprechende Pflege beinhalten; chirurgische Versorgung ist oft erfolglos, da das Gewebe des linken Vorhofes brüchig ist und es daher schwierig ist, den Defekt zu verschließen.

Abschließend kann gesagt werden, dass eine Vorhofruptur eine seltene, aber potenziell tödliche Folgeerkrankung einer hochgradigen Mitralisregurgitation beim Hund ist. Die Prognose ist unterschiedlich; es ist anzunehmen, dass viele Hunde sterben, bevor sie zum Tierarzt gebracht werden können. Von jenen Patienten, die lange genug leben, um eine Notfallklinik zu erreichen, versterben einige bei der Ankunft, andere überleben. Jene Hunde schließlich, die lange genug leben, um zu einer kardiologischen Überweisungspraxis zu gelangen, haben eine bessere Prognose.

Link zum Video: https://youtu.be/R95YTO42APE

Literaturnachweise

(1) Kittleson M. D., Kienle R. D.: Pericardial disease and cardiac neoplasia.

In: Small Animal Cardiovascular Medicine. Hrsg. M. D. Kittleson und R. D. Kienle, Mosby Publishing, St. Louis, 1998 b, 413–432.

(2) Buchanan JW. Spontaneous left atrial rupture in dogs. Adv Exp Med

Biol 1972; 22: 315–34.

(3) Sadanaga KK, MacDonald MJ, Buchanan JW. Echocardiography
and surgery in a dog with left atrial rupture and hemopericardium.
J Vet Intern Med 1990; 4 (4): 216–21.

(4) Reineke EL, Burkett DE, Drobatz KJ. Left atrial rupture in dogs:
14 cases (1990–2005). J Vet Emerg Crit Care 2008; 18: 158–64.

(5) Nakamura RK, Tompkins E, Russell NJ, Zimmerman SA, Yuhas DL, Morrison TJ, Lesser MB. J Am Anim Hosp Assoc. 2014 Nov–Dec; 50 (6): 405–8. Left atrial rupture secondary to myxomatous mitral valve disease in 11 dogs.

(6) Geri A. Lake-Bakaar, DVM, Mai Yee Mok, DVM, Mark D. Kittleson,

DVM, PhD. Fossa ovalis tear causing right to left shunting in a Cavalier King Charles Spaniel. Journal of Veterinary Cardiology (2012) 14, 541–545