Von der Schwierigkeit,

loszulassen

Mag. Angelika Kramer
Redakteurin Wirtschaftsmagazin „trend“

Was bei der Übergabe einer Tierarztpraxis zu bedenken ist – das Vetjournal hat darüber mit Hon. Prof. (FH) Mag. Albert Huber, einem Experten für Betriebsübergaben, gesprochen. 

Christian Frieber ist hoffnungsfroh. Letzte Woche hat er seine Kleintierpraxis in Guntramsdorf auf der Warenbörse der Tierärztekammer zum Verkauf angeboten, und eine erste Interessentin hat sich bereits gemeldet. „Ich bin ­zuversichtlich, dass ich bis Oktober einen Übernehmer finde“, sagt Frieber, der dann nach 28 Jahren seinen wohlverdienten Ruhestand antreten will. Eine Wiener Kollegin habe es ähnlich gemacht und auch sie habe ihre Praxis nach drei Monaten erfolgreich an den Mann gebracht, erzählt er.
So wie Frieber werden in den nächsten fünf bis zehn Jahren rund 1.000 Tierärzte aus Altersgründen ihre Praxis aufgeben. Viele davon werden sich auf die Suche nach einem Nachfolger begeben. 

Was bei der Betriebsübergabe zu beachten ist und wo die größten Stolpersteine dabei sind, hat das Vetjournal im Gespräch mit einem Experten erfragt. Albert Huber ist seit mehr als 20 Jahren als Berater für Betriebsübergaben, -übernahmen, Unternehmenskauf und -verkäufe sowie Mergers and Acquisitions (M&A) tätig und als solcher Gründer und Geschäftsführer von Camelot Consulting in Wien. „Egal, ob Tierarztpraxis oder Autowerkstatt, Übergaben scheitern oft an denselben Problemen“, weiß Huber.

Vorrangig für den Unternehmensberater ist jedenfalls die ausreichend lange und gute Vorbereitung auf die Betriebsübergabe. Je nach Größe des Betriebs können sogar fünf Jahre Vorlaufzeit erforderlich sein. „Viele schieben das Projekt viel zu lange hinaus“, berichtet Huber. Auch, weil gerade Freiberufler, die einen Betrieb alleine aufgebaut haben und darin jahrelang tätig waren, ihr Lebenswerk aus emotionalen Gründen nur schwer abgeben können. Dabei sollte der Übergeber speziell darauf achten, dass nur er selbst, nicht aber der Betrieb in Pension gehen soll. 

TIpps für die Betriebsübergabe

Wer einen guten Preis für seine Praxis erzielen will, sollte also vor der Übergabe darauf achten, dass die Geräte auf dem letzten Stand der Technik und die Praxisräumlichkeiten in einem guten Zustand sind. Huber: „Es sollten nicht überall die Spinnweben hängen“ – und vor allem: „Das wichtigste Asset sind die Kunden. Der Übergeber ­sollte also darauf achten, dass die Kunden erhalten bleiben.“ Denn, so Huber, die Werthaltigkeit der Praxis bemesse sich an den Kunden. Je mehr Kunden vorhanden seien, desto höher der Preis. Also: Nicht nur die Praxis, auch die Kunden sollten rechtzeitig auf eine kommende Übergabe vorbereitet werden. 

Unternehmensberater unterscheiden bei der Betriebs­übergabe grundsätzlich zwischen „Hard Facts“ und „Soft Facts“, die bei einer solchen Transaktion ­übereinstimmen müssen. Zu den Soft Facts zählt Huber auch die ­Chemie, die zwischen Übergeber und Übernehmer ­stimmen muss. In dem Zusammenhang rät er dazu, sich auch im Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis nach etwaigen Interessenten umzusehen. Übernehmer, die die Praxis, die Gegend und die Kunden zum Teil schon kennen, tun sich meist leichter als völlig Fremde.
„Tierarztpraxen sind stark personenbezogene Unter­nehmen. Die Auswahl des Nachfolgers muss deshalb besonders einfühlsam erfolgen“, sagt Huber. Sprich: War der „alte“ Tierarzt ein Workaholic, der für seine Kunden immer rund um die Uhr erreichbar war, sollte der neue zumindest in eine ähnliche Richtung zu gehen bereit sein. Denn bei zu großen Veränderungen fühlen sich Kunden vor den Kopf gestoßen. 

Im Idealfall erfolgt der Betriebsübergang fließend. Das ­bedeutet, dass Übernehmer und Übergeber eine Zeit lang gemeinsam in der Praxis arbeiten. „Wenn der langjährige Arzt von heute auf morgen weg ist und auf einmal ein neuer dasteht, sind die Kunden oft verschreckt“, berichtet Huber. Also müsse man Praxis und Kunden von einer in die andere Hand übergeben. 

Zu den Hard Facts einer Übergabe gehört die Bewertung der Praxis. Unterschiedliche Preisvorstellungen ­können einen Deal leicht scheitern lassen. Auch hier ­prallen meist zwei verschiedene Welten aufeinander: auf der einen Seite die des Übergebers, der in der ­Praxis sein Lebenswerk sieht und der dieses am liebsten in Gold aufgewogen haben möchte, auf der anderen Seite die des Übernehmers, der oftmals am Beginn einer Karriere steht, kaum Rücklagen und Ersparnisse hat und so ­günstig wie möglich in den Beruf starten möchte. „Wenn die ­Preisvorstellungen des Übergebers zu abwegig sind, wird der Interessent mit Recht sagen: Da kann ich ja gleich meine eigene Praxis aufmachen.“ 

Ausschlaggebend bei der Bewertung sind im Allgemeinen der Umsatz, die Lage der Praxis, deren Ausstattung, ihr sonstiges Vermögen, Schuldenstand sowie der Kundenstock. Dies zu bewerten ist allerdings meist eine ­knifflige Angelegenheit. „Natürlich gibt es auch Faustformeln, die sich am Umsatz bemessen, aber diese sind nicht sehr zuverlässig“, sagt Huber und rät, vor allem für diesen ­Bereich einen Experten hinzuzuziehen. Ein Bewertungsgutachten sei je nach Größe des Betriebs für zwischen 1.000 und 2.500 Euro zu bekommen. 

Darüber hinaus sei es ratsam, so der Unternehmens­berater, den Übernehmer wie beim Kauf eines Gebrauchtautos „Probe fahren“ zu lassen, ihn also in die Praxis hineinschnuppern zu lassen. Auch Flexibilität bei den Zahlungsmodalitäten kann einen Deal oft retten. So könne man eventuell Ratenzahlungen vereinbaren oder auch ein Modell vorsehen, in dem der Übergeber eine Zeit lang noch im Unternehmen mitarbeitet. Auch das kann die Kosten für den Übernehmer zu Beginn reduzieren. Bei etwaigen offenen Haftungsfragen könnte sich auch eine Variante anbieten, bei der beim Kauf die Hälfte des vereinbarten Kaufpreises gezahlt wird und die zweite erst, wenn der befürchtete Schadensfall nicht eingetreten ist. Besonderes Augenmerk solle auch dem richtigen Loslassen gewidmet werden, rät Huber: „Manche Übergeber haben ohne ihren Beruf nichts mehr zu tun und fallen dann in ein tiefes Loch.“ Auch hier sollte rechtzeitig gegengesteuert werden, denn was gar nicht geht, ist, „dass der ehemalige Inhaber jeden Tag ungebeten in der Praxis steht und Ratschläge erteilt“, warnt der Unternehmensberater. Also sollte sich der Übergeber rechtzeitig nach einer neuen Beschäftigung umsehen. Wichtig für dieses Loslassen sei auch ein Abschlussfest, auf dem der ­Schlüssel an den ­Neuen übergeben wird und zu dem Mitarbeiter sowie Kunden eingeladen werden. Huber: „Verabschieden ist emotional für alle sehr wichtig. Und es ist auch eine gute Werbe­aktion für den Übernehmer.“ 

Christian Frieber, der Tierarzt in Guntramsdorf, hat jedenfalls keine Schwierigkeiten mit dem Abschied: „Als ich begonnen habe, war ich im Umkreis der einzige Tierarzt. Da lief das Geschäft sehr gut. Aber in den letzten Jahren haben sich in der Gegend gleich sechs andere Tierärzte niedergelassen. Das erleichtert mir das Aufhören auch ein wenig.“ Auch ein etwaiges Scheitern der geplanten Übernahme sieht er pragmatisch: „Wenn es nicht klappt, ­werde ich gewisse Teile veräußern und die Praxis verkaufen.“ Aber das sehen wohl nicht alle Tierärzte, die in Pension gehen, so unemotional.