Viren

und ihre Bedeutung im Bienenvolk

Dr. med. vet. Kerstin Seitz
Univ.-Prof. Dr. med. vet. Till Rümenapf

Institut für Virologie, Veterinärmedizinische Universität Wien

Zahlreiche Virusinfektionen können die Westliche Honigbiene befallen, der Befall mit der ektoparasitischen Milbe Varroa destructor steht in engem Zusammenhang mit Virusinfektionen. Besonders hervorzuheben ist hierbei das Flügeldeformationsvirus. Nur durch die Bestimmung der vorhandenen Virusmenge, nicht den alleinigen Nachweis eines Virusbefalls kann eine Aussage über den Gesundheitszustand des Bienenvolks getroffen werden.

Die Westliche Honigbiene (Apis mellifera) liefert nicht nur wertvolle Bienenprodukte, sondern sichert als ­Generalist durch ihre Bestäubungsleistung die Produktion zahl­reicher Lebensmittel. In der nördlichen Hemisphäre wurde während der letzten Jahrzehnte von unüblich ­hohen Kolonieverlusten berichtet, die ein Risiko für die Sicherung der Lebensmittelproduktion darstellen können1. Diese Völkerverluste treten typischerweise im Herbst und Winter auf, auch starke Völker sind davon betroffen.

Eine zentrale Rolle in der Biologie der Virusinfektionen der Westlichen Honigbiene spielt die ektoparasitische Milbe Varroa destructor (siehe Abb. 1). Diese gilt in Zusammenhang mit Viren als einer der Hauptfaktoren für die erhöhten Verluste von Bienenvölkern2. Sie hat sich erfolgreich von ihrem ursprünglichen Wirt, der Östlichen Honig­biene (Apis cerana) an die Westliche Honig­biene (Apis mellifera) adaptiert und ist bis auf wenige ­Ausnahmen weltweit verbreitet. Diese Milbe hat durch ihren Saugakt ­einen neuen Übertragungsweg für Viren geschaffen. Dabei wird das Immunsystem der Biene umgangen und Viren werden fast ungehindert in ihr vermehrt.

Insgesamt gibt es über 20 Virenspezies, die Honigbienen infizieren können. Fast alle davon sind unbehüllte RNA-Viren, deren Partikel in der Umwelt sehr stabil sind. Durch die ubiquitäre Verbreitung der Varroamilbe ­findet man auch Bienenviren in nahezu jedem Volk. Der alleinige Nachweis des Vorhandenseins eines ­Bienenvirus sagt allerdings nichts über den Gesundheitszustand des Bienenvolks aus – viel wichtiger ist es, die Menge an Virus in einem Volk zu bestimmen. Nur so kann das Erkrankungsrisiko für ein Volk abgeschätzt werden. Die klinischen Symptome der Viren unterscheiden sich, ­jedoch kann bei Vorhandensein eines lückenhaften Brutnests mit rissigen Zelldeckeln und dem Befall von adulten Bienen mit Varroamilben immer auch von einem Virenproblem ausgegangen werden (siehe Abb. 2).

Als der wichtigste Vertreter der mit Varroa ­assoziierten Viren gilt das Flügeldeformationsvirus (Deformed Wing Virus, DWV). Es steht in engem Zusammenhang mit Winterverlusten von Bienenvölkern und ist weltweit verbreitet. Das DWV kann Arbeiterinnen, Drohnen und die Königin in jedem Entwicklungsstadium (Ei, Larve, Puppe, Adulte) infizieren. Durch sein weites Wirtsspek­trum befällt es unter anderem auch Hummeln. Der Übertragungsweg von Biene zu Biene ist ineffizient, da viele Viruspartikel für eine Infektion benötigt werden; kommt jedoch die Varroamilbe ins Spiel, reichen bereits wenige Viruspartikel aus, um eine Biene zu infizieren. Es gibt verschiedene Genotypen des Virus (DWV-A bis ­DWV-D), die ein unterschiedliches Wirtsspektrum (Bienen und Milben) aufweisen. Der Genotyp DWV-B zeigt offensichtlich eine besonders gute Anpassung an den Vektor: Laut neuesten Studien dient die Milbe nicht nur als mechanischer Vektor, sondern bildet auch ein Reservoir für die Vermehrung des DWV-B3. Eine Infektion mit DWV und der massive Befall mit Varroamilben (Varroose) ergibt ein typisches klinisches Bild: lückenhafte Brutnester, abgestorbene Puppen und zahlreiche Varroamilben auf den adulten Bienen (siehe Abb. 2). Auch einzelne Bienen mit dem namensgebenden Symptom, den verkrüppelten Flügeln, sind im Volk zu finden. Die klinischen Anzeichen sind vor allem im Spätsommer und Herbst gut zu sehen. In dieser Jahreszeit findet aufgrund der hohen Varroamilbenlast die effizienteste Übertragung des DWV statt. Dies geht mit entsprechend hohen Virusmengen einher.

Zwei weitere durch Varroa übertragene Viren sind das Sackbrutvirus (SBV) und das akute Bienenparalysevirus (ABPV). Auch diese kommen gehäuft vor und können Völkerverluste verursachen. Bei SBV treten die typischen Symptome nur in der Bienenbrut auf, aber hohe Viruskonzentrationen können auch in erwachsenen Bienen gefunden werden. In der Brut sind abgestorbene Bienenlarven mit flüssigkeitsgefüllter Haut, die zu einem lockeren, schiffchenförmigen Schorf eintrocknen, typisch. Bei ABPV fehlen typische Symptome; manchmal kann man jedoch einen erhöhten Totenfall oder Lähmungserscheinungen bei adulten Bienen beobachten.

Ein Virus, welches nicht in direktem Zusammenhang mit der Varroamilbe steht, ist das chronische Bienenparalysevirus (CBPV). Dieses Virus ist hinsichtlich der Genomorganisation einzigartig unter den Bienenviren: Im Gegensatz zu den anderen Bienenviren wird es nicht zur Ordnung Picornavirales (+RNA, unbehüllt) gezählt, sondern ist ­näher mit bestimmten Pflanzen- und Fischviren verwandt: daher steht eine taxonomische Einordnung noch aus. Die Symptome dieser Viruserkrankung treten nur bei adulten Bienen primär im Frühjahr und im Sommer auf. Vor dem Stock findet man massiven Totenfall und am Flugloch kann man einige schwarze, haarlose und zitternde Individuen erkennen (siehe Abb. 3). Diese ­Bienen werden von den Wächterbienen aggressiv vom Stock vertrieben, dadurch kann das klinische Bild mit ­Honigraub verwechselt werden. Da betroffene Bienen innerhalb weniger Tage sterben, kommt es zu massivem Verlust von Arbeiterinnen und Nektareintrag. Imker sollten daher unbedingt kontrollieren, ob die Völker zugefüttert werden müssen. In den letzten Jahren ist es in zahlreichen Ländern zu einem bislang unerklärten vermehrten Auftreten von CBPV gekommen4.

Was kann man gegen Virusbefall in Honigbienenvölkern tun? Da viele Viren im Zusammenhang mit der Varroamilbe stehen, ist deren zeitgerechte Bekämpfung essenziell. Kann man die typischen Anzeichen einer Virose erkennen, ist es oft allerdings bereits zu spät, um das Volk zu retten5. Gerade wenn Viren in hoher Konzentration im Volk vorhanden sind (Spätsommer/Herbst), werden auch die langlebigen Winterbienen produziert. Aufgrund der Schädigung durch Viren und Varroamilben haben diese eine verkürzte Lebensdauer und die kritische Volksstärke wird unterschritten. So schafft es das Volk nicht ins Frühjahr.

 

Literaturverzeichnis

1 Breeze T. D., Vaissière B. E., Bommarco R., et al. (2014): Agricultural policies exacerbate honeybee pollination service supply-demand mismatches across Europe. PLoS One 9:e82996. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0082996

2 De Miranda J. R., Genersch E. (2010): Deformed wing virus. J Invertebr Pathol 103: S 48 – S 61. https://doi.org/10.1016/j.jip.2009.06.012

3 Gisder S., Genersch E. (2020): Direct Evidence for Infection of Varroa destructor Mites with the Bee-Pathogenic Deformed Wing Virus Variant B – but Not Variant A – via Fluorescence-in situ-Hybridization Analysis. J Virol. https://doi.org/10.1128/JVI.01786-20

Budge G. E., Simcock N. K., Holder P. J., et al. (2020): Chronic bee paralysis as a serious emerging threat to honey bees. Nat Commun 11: 1–9. https://doi.org/10.1038/s41467-020-15919-0

Dainat B., Neumann P. (2013): Clinical signs of deformed wing virus infection are predictive markers for honey bee colony losses. J Invertebr Pathol 112: 278–280. https://doi.org/10.1016/j.jip.2012.12.009