Mag. Silvia Stefan-Gromen
Ausgabe 11/2024
Tiere werden nicht selten mehrere Stunden transportiert; aus Kostengründen oder weil es logistisch durch die Zentralisierung der Schlachthöfe nicht anders möglich ist. In dieser Zeit empfinden sie Stress – eine Tatsache, die viele Landwirte für ihre Tiere nicht mehr hinnehmen möchten. Ein Trend, der sich gerade herausbildet, ist daher das mobile, hofnahe Schlachten. Es trägt nicht nur zu mehr Tierwohl bei, sondern auch zu größerer Regionalität, denn immer mehr Verbraucher*innen möchten wissen, woher das von ihnen konsumierte Fleisch stammt.
Prof. Dr. Ahmad Hamedy und Dr. Philipp Rolzhäuser vom Institut für Lebensmittelhygiene, Professur Fleischhygiene, der Universität Leipzig leiten die Studie „Hofnahe Schlachtung im Dialog“, in der sie Tierschutz, Hygiene und Vorgehensweisen bei der mobilen Schlachtung untersuchen.
Die Forschenden der Veterinärmedizinischen Fakultät untersuchen in ihrem im Juli 2022 gestarteten Projekt unter anderem die Cortisolkonzentration in Blut, Speichel und Kot der toten Tiere, um deren Stresslevel vor der Schlachtung festzustelle. „Unser Ziel ist ein Wissenstransfer in die Praxis. Wir planen beispielsweise einen E-Learning-Kurs für Tierärzt*innen, Fleischer*innen und Landwirt*innen, in dem wir ihnen die rechtlichen Grundlagen und den Ablauf der mobilen Schlachtung erklären“, berichtet Rolzhäuser. Bei dieser Art der Schlachtung wird das Tier auf dem Hof betäubt, entblutet und anschließend zum Schlachthof gebracht. Diesen Prozess muss immer ein/e amtliche/r Tierarzt/-ärztin überwachen, was angesichts des zunehmenden Personalnotstands in den Veterinärämtern und der vergleichsweise geringen Vergütung für diese Tätigkeit immer stärker zum Problem wird. Auch die Kosten für eine mobile Schlachtung ihrer Tiere können für Landwirte höher als bei längeren Transporten zum Schlachthof sein. Hinzu kommt der bürokratische Aufwand für die Genehmigung einer mobilen Schlachtung.
Dennoch, sagen Hamedy und Rolzhäuser, sei die mobile Schlachtung vor allem bei Rindern auf dem Vormarsch – in erster Linie aus Gründen des Tierschutzes. Ein Großteil der Schweine und Rinder werde aber immer noch zum Schlachthof transportiert und dort geschlachtet.
In Schweden beispielsweise ist eine vollmobile Schlachtung, bei der alle Schlachtschritte bei den toten Tieren noch auf dem Hof durchgeführt werden, viel stärker verbreitet als in Deutschland oder anderen Ländern. Rolzhäuser und Hamedy arbeiten daran, dass diese Art der Schlachtung auch in Deutschland vorankommt.
Prof. Hamedy macht sich für eine Kennzeichnung des Fleischs im Handel auch nach der Art der Schlachtung stark: „Viele Verbraucher denken, dass Tiere aus Bio-Höfen tierschutzgerechter geschlachtet werden als andere, aber das stimmt nicht“, erklärt er. Auch die Art der Betäubung sei mit Blick auf das Tierwohl von Belang.
Rolzhäuser und Hamedy entwickeln auch im Rahmen eines Forschungsprojekts - und Innovationsprojekt eine App, die die mobile Schlachtung erleichtern soll, etwa durch vereinfachte Absprachen zwischen Tierärzt*innen, Landwirt*innen und Fleischer*innen. „Dann muss künftig die Tierärztin oder der Tierarzt bei der Schlachttieruntersuchung gegebenenfalls nicht mehr unbedingt vor Ort sein“, berichtet Dr. Rolzhäuser. Beide Forscher setzen sich auch in einem weiteren Forschungs- und Innovationsprojekt für eine tierschutzgerechte Betäubung der Schlachttiere ein, etwa durch Optimierungen am Fangstand oder der Betäubungsbox.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Ahmad Hamedy und Dr. Philipp Rolzhäuser, Institut für Lebensmittelhygiene der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig.
E-Mail-Adressen: hamedy@vetmed.uni-leipzig.de, philipp.rolzhaeuser@vetmed.uni-leipzig.de
Website: www.vetmed.uni-leipzig.de