Tumorstaging –

wer seinen Gegner kennt, kann ihn erfolgreicher bekämpfen

Dr. med. vet. Thomas Wiebogen
ÖTK Diplom für Kleintieronkologie, Leiter der onkologischen Ambulanz, TK Tierklinik Korneuburg GmbH & Co KG

Da Tumorerkrankungen auch bei Hund und Katze zu den am häufigsten vorkommenden Erkrankungen zählen, ist der Bereich der Kleintieronkologie ein stetig wachsendes Gebiet, dem in der Kleintiermedizin ein immer wichtigerer Stellenwert zuteilwird.

Die Erwartungshaltung des aufgeklärten Tierbesitzers und somit auch der Erfolgsdruck auf den Praktiker steigen, da die Methoden zur Krebsbehandlung immer effizienter werden.

Der Zeitpunkt jedoch, an dem die Behandlungseffizienz einer bösartigen Tumorerkrankung gemindert oder sogar nachteilig beeinflusst wird, ist meist, noch bevor die erste Tablette verabreicht, die erste Injektion gesetzt oder der erste Hautschnitt erfolgt ist.

Am Anfang steht die Diagnostik

Allgemein bekannt ist, dass vor der Therapie grundsätzlich immer erst die Diagnose stehen sollte. Im Fall der Onkologie setzt dies ein Wissen rund um die Biologie des Tumors voraus, sowie die diagnostischen Möglichkeiten und Fertigkeiten, die Ausbreitung der Erkrankung festzustellen. 

Nur dadurch kann die Frage beantwortet werden, welcher Tumor wo überall im Körper nachzuweisen ist, welches die besten Therapieoptionen sind und mit welcher Prognose gerechnet werden kann. Mitunter führt eine umfangreiche Voruntersuchung auch zu der Entscheidung, dass nur noch palliative Maßnahmen gesetzt werden sollten oder es werden zusätzliche Erkrankungen gefunden, die eine Behandlung der ursprünglichen Diagnose verkomplizieren oder sogar unethisch bzw. unmöglich werden lassen.

Jedenfalls fordert der Umgang mit potenziellen Tumorpatienten und ihren Besitzern neben einem fundierten klinischen Wissen in besonderem Maße die soziale Kompetenz des Tierarztes und des beteiligten Personals (Moritz, 2013).

Es ist entscheidend, durch eine vollständige fachliche Aufklärung über die Erkrankung des Patienten dem Tierbesitzer eine Entscheidungsgrundlage zu liefern, anhand derer er die im Sinne des Tieres beste, aber mitunter weitreichende Entscheidung treffen kann. Erfolgt diese Aufklärung nicht bereits vor dem Beginn der Behandlung, ist man oftmals mit frustrierten Tierbesitzern konfrontiert, die ihre Erwartungshaltung nicht erfüllt sehen.

Was ist vom praktizierenden Onkologen vor Therapiestart alles zu beachten?

Anamnese und allgemeine Untersuchungen:

Bereits die Anamnese und das Signalement können entscheidende Hinweise auf eine bestimmte Tumorerkrankung liefern, beispielsweise aufgrund von Rasseprädispositionen, Alter, Geschlecht und Lebensumständen.

Eine umfangreiche klinische Gesamtbeurteilung des Patienten sollte stets einer speziellen onkologischen Abklärung vorausgehen, da die Körperkondition einen signifikanten Einfluss auf die Erfolgsaussichten der Tumortherapie und somit auf die Prognose hat. Ist die Allgemeinuntersuchung abgeschlossen, sollte aus onkologischer Sicht das erste Ziel sein, festzustellen, um welche Art Tumor es sich handelt. 

Blutlaborwertuntersuchungen können mitunter einen zusätzlichen Hinweis in der Aufarbeitung neoplastischer Erkrankungen liefern, meistens sind die Abweichungen allerdings eher unspezifisch und führen nicht direkt zu einer Diagnose. Tumormarker haben sich nach wie vor nicht flächendeckend durchgesetzt und haben bei Hund und Katze derzeit wenig Bedeutung (Selvarajah et al., 2010).

Biopsie als Schlüssel zum Erfolg

Da viele Tumorlokalisationen der klinischen Untersuchung zugänglich sind, eignen sich diese bestens zur direkten Beprobung des Tumors.

In vielen Fällen reicht die wenig invasive Methode der Feinnadelaspirationsbiopsie (FNAB) aus. Bei dieser Methode werden mittels dünner Einmalkanülen – weitestgehend schmerzfrei – Zellen aus dem veränderten Gewebe entnommen. Durchmesser der Kanüle und Ausmaß der Aspiration kann je nach Tumorlokalisation und zu erwartender Entität variieren. Nach Erfahrung des Autors ist in den meisten Fällen eine unarmierte Punktion mit einer 22G- oder 23G-Kanüle ausreichend, um genügend Zellen für eine Diagnosestellung zu gewinnen. Ob die gewonnenen Zellen im hauseigenen Labor mikroskopisch untersucht werden oder an ein Fremdlabor gesendet werden müssen, hängt von der Erfahrung des behandelnden Tierarztes ab. Lässt sich zytologisch keine klare Diagnose stellen, ist eine Biopsie des Tumors der nächste logische Schritt. Diese kann in der Regel in Sedierung und Lokal­anästhesie durchgeführt werden, wobei unterschiedliche Techniken zur Anwendung kommen (Abb. 3+4). 

Intrathorakale sowie intraabdominale Neoplasien können in der Regel gut unter Ultraschallkontrolle punktiert bzw. bioptiert werden, jedoch muss der Patientenbesitzer im Vorfeld über die Risiken aufgeklärt werden. Eine direkte chirurgische Entfernung eines Tumors ohne vorherige Diagnose darf nur dann erfolgen, wenn das biologische Verhalten (Dignität) keinen Einfluss auf das Ausmaß der Operation hat, was allerdings selten der Fall ist. 

Bildgebende Verfahren im Tumorstaging

Nachdem die Tumorart festgestellt wurde, geht es nun darum, das lokale Ausmaß bzw. die Ausbreitung der Erkrankung festzustellen. Hierfür werden alle gängigen, verfügbaren diagnostischen Geräte wie Ultraschall, Röntgen, Computertomographie etc. herangezogen. Es gibt jedoch kein Routineprotokoll, nach dem vorgegangen werden kann. Abhängig von der Tumorbiologie macht es schließlich nur Sinn, Organe zu untersuchen, in die der Tumor in der Lage ist, abzuwandern. Ein profundes Fachwissen auf dem Gebiet der Kleintieronkologie hilft hier, dem Patienten „unnötige“ Untersuchungen zu ersparen, aber auch zeitgleich keine Tumorausbreitung zu übersehen, welche die Therapieentscheidung beeinflussen könnte.

Schnittbildverfahren (CT, MRI) sind in puncto Sensitivität meist Röntgenaufnahmen überlegen, vor allem im Bereich der Lungendiagnostik (Nemanic et al., 2006), allerdings auch mit höheren Kosten verbunden und nicht immer flächendeckend verfügbar. Wird eine Röntgenuntersuchung der Lunge zum Screening auf Metastasen durchgeführt, sollte diese in mindestens zwei Ebenen erfolgen, wobei eine beidseits latero-laterale (rechts und links anliegend) zu bevorzugen ist. Eine dritte Ebene kann zusätzliche Erkenntnisse bringen (Ober et al., 2006), der konkrete Nutzen der zusätzlichen Ebene wird jedoch kontrovers diskutiert. Zu beachten sind die unterschiedlichen röntgenologischen Erscheinungsformen von Lungen­metastasen, die vor allem bei der Katze oftmals zu Fehl­interpretationen führen können.

Bei der Ultraschalluntersuchung des Bauchraumes werden neben allen relevanten Organen auch die Lymphknoten in der Bauchhöhle evaluiert und bei entsprechender Veränderung ultraschallgestützt punktiert. Weiters kann die Sonographie auch zur Darstellung und assistierten Punktion von intrathorakalen oder subkutanen Neoplasien herangezogen werden. Der Einsatz von Ultraschallkontrastmitteln kann vor allem bei Veränderungen der Leber helfen, deren Dignität zu beurteilen (Kanemoto et al., 2009). 

Nuklearmedizinische Verfahren (Szintigraphie, PET-CT), die in der Humanmedizin längst als Standard etabliert sind, konnten sich bis dato in der Veterinärmedizin nicht als routinemäßig eingesetztes Stagingtool durchsetzen und bleiben eher Einzelfällen vorbehalten.

Klassifizierung von Neoplasien

Nach zytologischer bzw. histologischer Diagnose und abgeschlossener bildgebender Untersuchung kann die Tumorerkrankung aufgrund der Größe und der Eigenschaften des Primärtumors (T) sowie eventuell vorhandener Beteiligung der regionären Lymphknoten (N) und des Vorhandenseins von Fernmetasen (M) in Stadien eingeteilt werden.

Dieses sogenannte „TNM-System“ wurde Mitte des 20. Jahrhunderts für die Humanmedizin entwickelt und 1980 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auch für Tumoren domestizierter Tiere veröffentlicht (Owen, 1980). Die Tumorarten werden nach Organsystem oder topographischer Region eingeteilt, wobei nicht für alle Tumorarten ein gültiges Klassifizierungssystem existiert.

Je nach Tumorart werden dann den Kategorien T, N und M entsprechend der erhobenen Befunde Ziffern zugeteilt, deren Summierung die Einteilung in Stadien zulässt. Zum besseren Verständnis zeigt Tabelle 1 dies am Beispiel von Mammatumoren des Hundes. Für einzelne Tumorarten von Hund und Katze wurden auch modifizierte TNM--Systeme publiziert, eine Aktualisierung des gesamten TNM-Systems – wie in der Humanmedizin mehrfach erfolgt – ist bis dato ausständig. Neben dem TNM-System existieren auch andere Klassifizierungssysteme, die routinemäßig Anwendung finden.

Durch die Klassifizierung nach dem TNM-System kann jedenfalls eine Standardisierung der erhobenen Befunde erreicht werden, wodurch eine bessere Vergleichbarkeit von Resultaten erzielt werden kann. Ein höheres Tumorstadium weist auf eine weiter fortgeschrittene Erkrankung hin, da es die anatomische Ausbreitung widerspiegelt. Zu beachten ist allerdings, dass das Stadium nicht zwingend mit dem Tumorgrad korreliert, der anhand histologischer und gegebenenfalls immunhistologischer Methoden bestimmt wird und für den Malignitätsgrad des Tumors steht.

Conclusio

Die nach abgeschlossener onkologischer Untersuchung dem Patientenbesitzer empfohlene Therapie – die mitunter auch eine Kombination aus den zur Verfügung stehenden Therapieoptionen (multimodaler Therapie-ansatz) darstellen kann – ist also stark vom Tumor selbst und seiner Ausbreitung (dem Tumorstadium) abhängig. Eine „State of the art“-Therapieempfehlung kann nur nach Stadieneinteilung (=Tumorstaging) erfolgen.

Die Prognose – neben der Lebensqualität der relevanteste Aspekt für den Tierbesitzer – kann ebenfalls nur nach umfangreicher Voruntersuchung abgeschätzt werden und stellt für den Onkologen meist den schwierigsten Teil der Beurteilung dar. Ist das Tumorstaging abgeschlossen und der Therapieplan in allen finanziellen und organisatorischen Punkten mit dem Tierbesitzer besprochen, steht einer erfolgreichen Tumorbehandlung nichts mehr im Wege – außer gegebenenfalls der Tumor selbst.

Literaturübersicht

Moritz A: Problemorientierte Diagnostik. In: Kessler M. (Hrsg.) Kleintieronkologie, 3. Aufl., Enke, 34, 2013.
Selvarajah GT, Kirpensteijn J: Prognostic and predictive biomarkers of canine osteosarcoma. Vet J. 185: 28–35, 2010.
Owen LN: World Health Organisation TNM Classification of tumors in domestic animals. Genf, 1980.
Ober CP, Barber D: Comparison of two- vs. three thoracic radiographic studies on conspicuity of structured interstitial patterns in dogs. Vet Radiol Ultrasound. 47: 542–545, 2006.
Kanemoto H, Ohno K, Nakashima K et al.: Characterization of canine focal liver lesions with contrast-enhanced ultrasound using a novel contrast agent – Sonazoid. Vet Radiol Ultrasound. 50:188–194, 2009.
Nemanic S, London CA, Wiesner ER: Comparison of thoracic radiographs and single breath-hold helical CT for detection of pulmonary nodules in dogs with metastatic neoplasia. J Vet Intern Med. 20: 508–515, 2006.
Rutteman GR, Withrow SJ, MacEwen EG: Tumors of the mammary gland. In: Withrow SJ, MacEwen EG (Hrsg.): Small Animal Clinical Oncology. 3. Auflg. WB Saunders, 455–477, 2001.