Tiertransporte in Drittstaaten

Erwiderung auf den Artikel von Maisack/Rabitsch, Vetjournal 04/2019

Mag. Nicole Klinger
Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz
IX – Öffentliche Gesundheit, Lebensmittel-, Medizin- und Veterinärrecht, B/16B – Veterinärrecht

Im Vetjournal 04/2019 erschien ein Artikel von Dr. med. vet. Alexander Rabitsch und Dr. iur. Christoph Maisack mit dem Titel „Tiertransporte in außereuropäische Drittstaaten – Plausibilitätsprüfung und Genehmigung nach Tiertransportverordnung“. Darin legten die Autoren eine Rechtsauffassung dar, die zu großer Verunsicherung unter den österreichischen Amtstierärzten führte. Aus diesem Grund hat das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz den Universitätsprofessor Dr. Alois Birklbauer, Leiter des Instituts für Strafrechtswissenschaften der Universität Linz, mit der Erstellung eines strafrechtlichen Gutachtens beauftragt, das im September 2019 fertiggestellt und übermittelt wurde.

Zur Ausgangslage:

Die Autoren Maisack/Rabitsch stellten in ihrem im Vetjournal 04/2019 veröffentlichten Artikel, der seinerseits zwei bereits davor in der deutschen Zeitschrift „Amtstierärztlicher Dienst“ erschienene Artikel des Autorenduos zusammenfasst, zunächst Folgendes fest: Liegen der Behörde am Versandort z. B. Berichte einer NGO vor, dass auf einem bestimmten Transportabschnitt in einem Drittland regelmäßig mit Vorkommnissen gerechnet werden müsse, die gegen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 verstoßen würden, müsse sie diese zur Kenntnis nehmen und – soweit sie im Falle ihrer Richtigkeit die ernsthafte, nahe liegende Möglichkeit eines Verstoßes oder mehrerer Verstöße gegen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 ergeben würden – auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen. Führe diese Prüfung zu dem Ergebnis, dass mit großer Wahrscheinlichkeit von der Richtigkeit der Berichte auszugehen sei, so wären diese der Entscheidung über die Genehmigung zugrunde zu legen und würden dazu verpflichten, die Transportgenehmigung nicht ohne eine vorher erfolgte Änderung der Beförderungsplanung, die eine Vermeidung der in Rede stehenden Verstöße gewährleiste, zu erteilen. Die Autoren nehmen weiters an, dass die Transportgenehmigung i. S. d. Verordnung (EG) Nr. 1/2005 eine nicht hinwegdenkbare Bedingung für das weitere Schicksal der exportierten Tiere jenseits der EU-Außengrenze darstelle. Es wird seitens der Autoren die Auffassung vertreten, dass es für die Einstufung der Genehmigung als Beihilfehandlung bereits ausreichen würde, dass mit ihr das spätere Tätigwerden des Haupttäters – in dem geschilderten Fall die unter tierquälerischen Bedingungen stattfindende Schlachtung  – gefördert werde. Das Erteilen der Genehmigung eines Tiertransports in einen solchen Drittstaat erfülle damit objektiv den Tatbestand der Beihilfe bzw. Beitragstäterschaft zur Tierquälerei (in Österreich §§ 12, 222 StGB und § 38 Abs. 1 Z 1 iVm § 5 Abs. 1 TSchG). Die Autoren gehen in ihrem Artikel noch weiter und stellen die Behauptung auf, der stets getätigte Einwand, es handle sich bei den transportierten Tieren nicht um Schlacht-, sondern um Zuchttiere, würde am Gehilfenvorsatz nichts ändern, da es sich bei dieser „Behauptung“ um Etikettenschwindel handle und andererseits auch Zuchttiere von Nutztier­rassen früher oder später geschlachtet werden würden.

Da die geschilderte Rechtsauffassung der Autoren Rabitsch/Maisack zu Verunsicherungen aufseiten der öster­reichischen (wie auch deutschen) Amtstierärzte führte, beauftragte das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Herrn Univ.-Prof. Dr. Alois Birkl­bauer, Leiter des Instituts für Strafrechtswissenschaften der Universität Linz, mit der Erstellung eines Gutachtens zur Frage, ob bzw. inwieweit Angehörige von Veterinärbehörden bzw. Amtstierärzte durch die Genehmigung von Tiertransporten in Länder, in denen die transportierten Tiere insbesondere im Rahmen der Schlachtung gequält werden, eine nach österreichischem Recht strafbare Tierquälerei verwirklichen können.

Der Gutachter stellte zunächst fest, dass jene Delikte, für die tatortunabhängig österreichisches Strafrecht gelte, in § 64 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) aufgezählt seien. Tierquälerei nach § 222 StGB finde sich in der Aufzählung des § 64 StGB trotz der Vielzahl der dort genannten Delikte nicht. Insofern sei für im Ausland verübte Tierquälerei, sofern es keinen Bezugspunkt einer Beteiligung in Österreich gebe, österreichisches Strafrecht unanwendbar. Weiters hält der Gutachter fest, dass es bei (objektiv) fehlender Voraussehbarkeit einer konkret quälenden Schlachtung an einer (objektiven) Beitragshandlung fehle. Dies gelte insbesondere bei erheblicher zeitlicher Distanz zwischen Transport und Schlachtung. Der Umstand, dass ein Zuchttier „früher oder später geschlachtet“ werde, führe zu keiner Erfüllung des Erfordernisses der Konkretisierung der Tat des unmittelbaren Täters aufseiten des Beitragstäters im Handlungszeitpunkt. Gegenteiliges wäre mit den Grundsätzen der österreichischen Beteiligungslehre unvereinbar. Es müsste, um von einer strafbaren Beitragstäterschaft ausgehen zu können, eine gleichsame „Solidarisierung“ zwischen Beitragstäter und unmittel­barem Täter im Raum stehen, insbesondere auch mit Blick auf den sogleich näher erörterten subjektiven Tatbestand (Vorsatz), wovon bei den (Anm.: in den Artikeln von Rabitsch/Maisack) geschilderten Sachverhalten im Regelfall nicht auszugehen sei. Der Vorsatz des Beitragstäters müsse sich auf eine ausreichend individualisierte Tat des unmittelbaren Täters beziehen. Dass es im Drittland immer wieder zu einer Quälerei bei Schlachtungen usw. komme, reiche dafür mangels entsprechender Individualisierung des konkret für den Einzelfall drohenden Risikos nicht aus.

Schließlich merkt der Gutachter an, die Befugnis der Behörden ende letztlich an den Grenzen der EU, und es werde keine Kontrollkompetenz zur Einhaltung von Tierschutzbestimmungen in Schlachthöfen von Dritt­ländern eingeräumt. Aus dem begrenzten (räumlichen) Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 1/2005 könne keine Garantenstellung für den Amtstierarzt und damit keine Pflicht abgeleitet werden, sich um die Einhaltung der Tierschutzstandards in einem Drittstaat zu kümmern. Insofern könne es weder eine Verpflichtung für den Amtstierarzt geben, die Einhaltung der Tierschutzstandards in Drittstaaten zu überprüfen, noch bei entsprechender Kenntnis, dass dort im Rahmen einer Schlachtung Tierquälereien begangen werden, eine Genehmigung des Transports zu versagen. Dafür müsste erst die VO (EG) Nr. 1/2005 geändert werden.

Der Gutachter kommt somit zu dem Ergebnis, dass Amtstierärzte durch die Genehmigung von Tiertransporten in Länder, in denen die transportierten Tiere insbesondere im Rahmen der Schlachtung gequält werden könnten, keine nach österreichischem Recht strafbare Handlung setzen.

Ebenso beschäftigt sich eine in der deutschen Zeitschrift „Amtstierärztlicher Dienst“, Ausgabe 2019/II, ­erschienene Erwiderung der Autoren Dr. iur. Walter Scheuerl und Stefan Glock mit dem gegenständlich diskutierten Artikel des Autorenduos Maisack/Rabitsch. Hierbei werden die Behauptungen von Maisack/Rabitsch in Zusammenschau mit dem deutschen Recht erörtert und festgehalten, dass sich deutsche Amtstierärzte durch die Erteilung von Genehmigungen nicht der Beihilfe zur Tierquälerei strafbar machen. Entgegen der Annahme von Maisack/Rabitsch erfordere aus Sicht der Autoren Scheuerl/Glock die Konzeption einer Beihilfestrafbarkeit mehr als die reine Unterstützung einer Haupttat. Amtstierärzte würden auch nicht vorsätzlich handeln, da sie lediglich Kenntnis von einem generellen Risiko der Tatförderung hätten. Scheuerl/Glock weisen auch auf in Deutschland bereits geführte verwaltungsgerichtliche Verfahren hin, in denen, nachdem einzelne Veterinärbehörden mit Bezug auf Aufsätze von Maisack/Rabitsch beabsichtigten, Tiertransporte nicht zu genehmigen, der Rechtsauffassung von Maisack/Rabitsch einhellig eine klare Absage erteilt wurde. Die deutschen Verwaltungsgerichte hätten in diesen Fällen die fehlenden Quellenangaben in den Aufsätzen des Autorenduos kritisiert und die von den Amtsveterinären getroffenen Anordnungen auch deshalb als offensichtlich rechtswidrig eingeordnet, weil die Anordnungen lediglich aufgrund eines Besorgnispotenzials getroffen worden seien, jedoch nicht aufgrund einer konkreten Gefahr eines tierschutzwidrigen Verhaltens oder Sachverhalts. Zusammengefasst scheidet auch aus Sicht der Autoren Scheuerl/Glock, die sich wiederum auf Entscheidungen von deutschen Verwaltungsgerichten berufen, eine Beihilfestrafbarkeit von Amtstierärzten bei der Genehmigung von Tiertransporten in Drittstaaten aus.