Tierärztliche Online-Sprechstunden

Telemedizin im Fokus der Kritik

Mag. Silvia Stefan-Gromen und Mag. Nicole Hafner-Kragl

Anlässlich aktueller Marktentwicklungen im Bereich tierärztlicher Online-Sprechstunden bzw. Ordinationen sah sich die Österreichische Tierärztekammer gefordert, zu handeln: In der Presseaussendung der Tierärztekammer vom 21. 5. 2020 hieß es: „Aufgrund der derzeit in der Veterinärmedizin geltenden Rechtslage und der aktuell noch fehlenden gesetzlichen (Sonder-)Regelungen für telemedizinische Anwendungen – vergleichbar mit der Humanmedizin –, sehen wir uns veranlasst, derartige Entwicklungen zu prüfen“, so Kurt Frühwirth, Präsident der Österreichischen Tierärztekammer, und meint weiter: „Covid-19 hat im Humanbereich eine Sonderregelung zur Telemedizin erwirkt, und nun geht man offenbar davon aus, dass diese Form der Online-Sprechstunden und damit der virtuellen Ordination einfach auch im tiermedizinischen Bereich zulässig ist und boomen müsste. Das derzeit marktschreierisch angekündigte und intensiv beworbene Geschäftsmodell einer tierärztlichen Online-Sprechstunde, das zudem von nicht tierärztlichen Gesellschaften betrieben wird, ist aufgrund zahlreicher Rechtswidrigkeiten unzulässig.“

Besonders aufgefallen ist vor Kurzem ein Videotierarzt (https://pezz.life), der einen interessanten Financier hat, die Nestlé-Futtermitteltochterfirma Purina. So ließen sich beispielsweise auf der Homepage der besagten Videoplattform auch einige Tierarztpraxen finden, die als „Partnerunternehmen“ ausgewiesen wurden, ohne dass sie jemals eine Zustimmungs- oder Einverständniserklärung dafür abgegeben haben.  Es ist auch damit zu rechnen, dass weitere Anbieter auf den Markt drängen werden. Ähnlich wie bei den Klinikketten kommen einige aus den Märkten in Skandinavien oder Großbritannien, in denen die Telemedizin bereits weiter fortgeschritten ist. Nach der derzeit geltenden Rechtslage sind Gesellschaften, an denen nicht ausschließlich Tierärzte beteiligt sind, zur Behandlung von Tieren nicht berechtigt.

 

RISIKEN DER ONLINE-KONSULTATION

Wie wir wissen, können Tiere – anders als menschliche PatientInnen – ihr Leiden nicht selbst dem Tierarzt oder der Tierärztin schildern, sodass der persönliche Eindruck und damit die Untersuchung durch den Tierarzt oder die Tierärztin nicht einfach ersetzt werden kann. Auch Videos, Bilder und Schilderungen, die von TierbesitzerInnen übermittelt werden, können eine solche nicht substituieren.

 

UNTERSUCHUNG ALS ESSENZIELLER BESTANDTEIL

Anders als in der Humanmedizin ergibt sich digital eben kein direkter Tierarzt-Patienten-Kontakt, sondern es steht dazwischen immer (!) der kommunikative Umweg über die BesitzerInnenwahrnehmung – mit allen Risiken für Fehlinterpretationen und Missverständnisse, die damit einhergehen. Die unmittelbare physische Beurteilung und damit Untersuchung ist essenzieller Bestandteil einer dem veterinärmedizinischen Standard entsprechenden tierärztlichen Handlung – wobei bereits die tierärztliche Beratung zu einem womöglich krankheitsverdächtigen Tier als Beurteilung und somit als Diagnosestellung einzustufen ist. Eine Ferndiagnose, die ausschließlich auf fernmündlichem Wege – wie beispielsweise mittels Videochat – erstellt wird, fällt zudem unter das Ferndiagnose- und Behandlungsverbot und verstößt auch gegen § 24 Abs. 1 Tierärztegesetz, der die persönliche und unmittelbare Berufsausübung definiert.

Eine Ausnahme dieses Unmittelbarkeitsgebots in Form der Distanzdiagnose könnte nur möglich und zulässig sein, sofern es sich um ein, in persönlicher Betreuung des diagnosestellenden Tierarztes, befindlichen Tieres handelt und ein physischer Erstkontakt bereits stattgefunden hat. Festzuhalten ist auch, dass Tierärztinnen und Tierärzte den berufs- und standesrechtlichen sowie den dokumentations- und haftungsrechtlichen Vorgaben verpflichtet sind – ebenso auch der Einhaltung der Aufklärungs- und Sorgfaltspflicht entsprechend dem Stand der Veterinärmedizin. Die Österreichische Tierärztekammer hat diese Grundsätze besonders zu achten und ist daher bei Zuwiderhandeln verpflichtet, rechtlich dagegen vorzugehen.