Tierärzt*Innen am Schlachthof:

„Mit wenig Aufwand Tierleid reduzieren“

Mag. Silvia Stefan-Gromen

Dr. Alexander Peterek betreibt gemeinsam mit Dr. Christian Welzl eine Kleintierordination in Linz und ist nebenberuflich in der Fleischbeschau an einem Schlachthof tätig. Im Vetjournal-Interview erzählt er, weshalb er die Schlachttier- und Fleischuntersuchung (SFU) über die Jahre schätzen gelernt hat und wie man gestrickt sein muss, um am Schlachthof arbeiten zu können.

Der in Linz geborene Tierarzt erwarb zusätzliches Wissen im Ausland – nach einem Studienaufenthalt in Miami ist Peterek nun seit 1997 als Kleintiermediziner tätig und gründete im Jahr 2000 seine eigene Tierarztpraxis. Im Rahmen seiner Tätigkeit für die Österreichische Tierärzte­kammer ist er als Vizepräsident in Oberösterreich aktiv.

Herr Doktor Peterek, seit wann sind Sie in der SFU ­tätig und was hat Sie dazu bewogen, auf dem Schlachthof zu arbeiten?
Ich bin seit 2003 einen Tag und seit 2008 zwei Tage pro Woche in der SFU tätig und habe mich in erster Linie aus finanziellen Gründen dieser Arbeit gewidmet. Ja, aller Anfang in der Selbstständigkeit ist schwer! Die Vorteile der SFU-Tätigkeit habe ich über die Jahre schätzen gelernt: Die Planbarkeit und das damit verbundene sichere Einkommen sprechen für diesen verantwortungsvollen Job. Mittlerweile muss ich auch sagen, dass ich meine Tätigkeit am Schlachthof als willkommenen Ausgleich und als Engagement im Tierschutz sehe – Letzteres ist persönlich auch sinnstiftend und eine Ergänzung zur sonstigen tierärztlichen Tätigkeit im Kleintierbereich.

Können Sie nachvollziehen, dass der tier­ärztliche Nachwuchs der SFU-Tätigkeit eher distanziert gegen­übersteht?
Ich respektiere es, wenn sich jemand vegan ernährt; das ist eine persönliche Entscheidung. In der Debatte rund um unsere Nahrungsmittel muss man aber auch anerkennen, dass die Tierzucht und -haltung ein wichtiger Bestandteil unserer Kultur ist. Die Weidehaltung von Rindern ist für das Grünland- und Berggebiet von großer Bedeutung. Die landwirtschaftliche Nutztierhaltung dient in erster Linie der Erzeugung von Nahrungsmitteln sowie der Gewinnung von Tierprodukten. Die Tiergesundheit und der Tierschutz liegen damit auch in unserer Verantwortung. Wenn wir uns als Gesellschaft zu diesem „Luxus“ entschließen, dann muss auch jemand die Verantwortung für die Tiere übernehmen – ich jedenfalls trage im Rahmen meiner Arbeit und der gesetzlichen Möglichkeiten dazu bei, dass die definierten Spielregeln eingehalten werden. Man kann mit etwas Aufwand Tierleid reduzieren – das sind wir den Tieren schuldig! Eine grundsätzliche Ablehnung Schlachthöfen gegenüber kann ich daher nicht nachvollziehen.

Was raten Sie dem tierärztlichen Nachwuchs?
Die SFU ist ein finanzielles Standbein, das terminlich und zeitlich planbar ist. Man hat keine Investitionsausgaben wie bei der Praxisgründung, etwa die Anschaffung eines Autos samt voll ausgestatteter HAPO oder einer Immobilie und aller Praxisgeräte. Die SFU ist eine gesellschaftlich sinnvolle und tierschutz­relevante Tätigkeit. Unseren Schlachthof durchlaufen 250 bis 350 Rinder pro Tag – wir arbeiten im Tierärzteteam meist zu fünft. Es ist wichtig, dass wir Tierärzt*innen in die Lebensmittelproduktion eingebunden sind – der aktuelle Tierärztemangel gefährdet dieses Standbein und Laien drängen in tierärztliche Arbeitsbereiche!

Was hat sich seit Beginn Ihrer beruflichen Laufbahn in der SFU zum Positiven verändert?
Die Einführung der Notschlachtung und die durchgehende Kontrolle der Transportfähigkeit eines Tiers haben in Sachen Tierschutz viel bewegt. Notschlachtungen werden etwa aufgrund eines Unfalls ausgeführt, das erspart den Tieren viele Qualen. Tierschutzvergehen beginnen meist im Stall und nicht am Schlachthof, wobei zu betonen ist, dass die meisten Landwirte professionell arbeiten und es immer nur ein paar wenige sind, die oft aus persönlichen Krisen heraus ihre Tiere sträflich vernachlässigen. Die Situation ist vergleichbar mit Verkehrssündern – wichtig ist nur, dass man sie auch erwischt! Es ist auch gut, dass wir Tierärzt*innen unabhängig arbeiten können: Zum Landwirt oder zur Landwirtin besteht kein Naheverhältnis, keine wirtschaftliche Abhängigkeit und ergo keine Befangenheit. Das ist gerade bei Anzeigen und Gerichtsprozessen bedeutend.

Welche Persönlichkeit braucht es, um am Schlachthof arbeiten zu können?
Die Tätigkeit ist zu Beginn vielleicht etwas abstoßend, aber mit der Zeit überwindet man die Eindrücke. Die Arbeit wird mit der Zeit Routine, man erledigt sie im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten. Mit der Direktheit der Schlachthofmitarbeiter lernt man umzugehen – im Grunde arbeiten dort viele herzliche, bodenständige Menschen, und wie überall ist auch hier Fingerspitzengefühl gefragt. Die körperlichen Herausforderungen braucht man nicht schönzureden: Man arbeitet in einem nicht klimatisierten Gebäudekomplex, trägt Gummi-stiefel, Plastikschürze und -haube und ist mit schwerer physischer Arbeit eingedeckt. Wenn man will, schafft man die Arbeit, und man lernt, was es heißt, Widerstandskraft und Resilienz zu entwickeln.

Wie startet man als Vetmed-Absolvent in der SFU?
In Oberösterreich kann man sich nach seinem Studien-abschluss beim Land Oberösterreich bewerben. Nach einem Multiple-Choice-Test und einer Mentoringphase kann man danach am Schlachthof mitarbeiten – zunächst für 40 Stunden unentgeltlich und danach für weitere 120 Stunden gegen Bezahlung. Nach Absolvierung des Lebensmittelmoduls am Schluss der Ausbildung ist man amtlich beauftragter Tierarzt respektive amtlich beauftragte Tierärztin. Über tierärztlichen Zuwachs würden wir uns jedenfalls freuen!

Danke für das Gespräch!

 


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