Mag. Silvia Stefan-Gromen
Abteilungsleiterin Medien & Kommunikation der Österreichischen Tierärztekammer
Mobilität im Tierarztberuf erfordert Erfahrung, Zeit und Geld – der Aufwand ist in jeder Hinsicht hoch. Wie Veterinäre dennoch dem Wunsch nach Beweglichkeit und Flexibilität nachkommen, hat das Vetjournal recherchiert.
Behandlungen im Nutztierbereich kann der Tierarzt oder die Tierärztin gar nicht anders durchführen, als den landwirtschaftlichen Betrieb vor Ort zu besuchen. Kilometerlange Fahrten im voll ausgestatteten Fahrzeug inklusive optimal gekühlter Hausapotheke sind die Regel und Voraussetzung, um den Beruf seriös auszuüben; auch hohe finanzielle Investitionen und ein gutes Gespür für Zeitmanagement sind vonnöten.
Tierarzt Mag. Stamatios Dourakas von der Duovet Tierarztpraxis in Schweiggers im Waldviertel ist täglich im Einsatz, um Operationen im Stall durchzuführen, Rindergeburten zu begleiten oder Nabelbrüche bei Kälbern zu behandeln – Mobilität steht bei ihm auf der Tagesordnung. Als Dourakas vor 30 Jahren mit seiner Tierarztpraxis begann, galten im Nutztierbereich noch andere Voraussetzungen: „Damals hatte ich in meinem Umkreis noch 15 Kollegen, heute sind es nur noch drei. Der Erfolg unseres Jobs hängt von einer guten Organisation und Logistik ab. Der Tagesablauf ist meist vorgegeben, ich bin in der Früh zwischen 7 Uhr und 10 Uhr sowie abends zwischen 16 Uhr und 20 Uhr auf Achse – die restliche Zeit habe ich Bereitschaft für Notfälle oder kümmere mich um Formalitäten.“ Seit sein Sohn Matthias vor zwei Jahren in die Praxis eingestiegen ist, fällt es Vater Dourakas leichter, denn so könne man sich die Arbeit besser aufteilen.
„Matthias bringt im Kleintierbereich eine sehr gute Ausbildung und viel praktisches Wissen von anderen Kliniken, vor allem von der Tierklinik Korneuburg, mit. Er macht aber den Nutztierbereich in vollem Umfang auch mit. Die Kleintierpraxis führen wir als Terminpraxis mit ausschließlich telefonischer Voranmeldung.“
„AssistentInnen wären auch im Großtierbereich sehr wünschenswert. Leider sind fixe Arbeitszeiten im Nutztierbereich kaum möglich, wodurch man mindestens zwei AssistentInnen bräuchte, um einen Vollzeitersatz zu haben. Dies ist aber aus Kostengründen schwierig“, betont Dourakas. Daher wundere es ihn nicht, dass der Nutztierbereich mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen habe – schon vor der Berufsausübung entstehen einem jungen Tierarzt horrende Kosten.
„Für ein Fahrzeug inklusive Umbaukosten muss man mit 30.000 bis 40.000 Euro rechnen, hinzu kommen eine Autoapotheke mit rund 10.000 Euro, ein Ultraschallgerät mit circa 8.000 Euro und eine entsprechende Computerausstattung mit rund 5.000 Euro – also sind Ausgaben von mindestens 50.000 Euro keine Seltenheit“, so Dourakas. Und weiter: „Man muss viel Geld in die Hand nehmen, um überhaupt bestehen zu können.“ Im Schnitt fahre er 50.000 Kilometer pro Jahr, die Dichte der bäuerlichen Betriebe bestimme seine Wegstrecken – alle vier bis fünf Jahre muss das Auto gewechselt werden.
„Um seriös arbeiten zu können, muss die Kühlkette der mitgeführten Medikamente eingehalten, das Equipment wie OP-Bestecke ständig kontrolliert und vor allem sterilisiert werden. Ich habe einen Computer und drei Drucker im Auto – für Kassabelege, Medikamentenetiketten und sonstige Druckaufträge“, so Dourakas. Dennoch kann er sich trotz all dieser manchmal sehr fordernden Gegebenheiten keinen besseren Beruf vorstellen.
Eine konsequente Kostenverrechnung sei das Um und Auf, eingepreist gehören die Anfahrtszeit, die Behandlung samt verabreichter Medikamente sowie das Kilometergeld. „Und dennoch bewegen sich Nutztierpraktiker auf dünnem Eis, denn wir dürfen für Landwirte auch nicht zu teuer werden, sonst werden wir – zum Leidwesen des Tieres – nicht mehr gerufen.“ Und schon aus Tierschutzüberlegungen sei das ein unhaltbarer Gedanke. „Man braucht eben das richtige Gespür. Und ich freue mich wiederum über die Dankbarkeit, die man als Nutztierpraktiker bekommt. Denn ohne Landtierärzte wären auch die Landwirte unglücklich“, bekräftigt Dourakas
Und wie sieht es mit der tierärztlichen Mobilität im Kleintierbereich aus? Grundsätzlich ist zu betonen, dass die medizinische Betreuung bei Hausbesuchen -definitiv Einschränkungen hat: Die Ordinationsrichtlinien der -Österreichischen Tierärztekammer sehen vor, dass die Behandlung von Kleintieren entgegen jener von Nutztieren immer an eine Ordination gebunden ist. Bis auf bestimmte Ausnahmen wie Euthanasie oder Impfungen müssen die Behandlungen in Verbindung mit der Ordination erfolgen.
Doch rechnet sich der Hausbesuch auch für den Tierarzt, die Tierärztin? Und unter welchen Voraussetzungen ist diese Vorgehensweise aufrechtzuerhalten?
„Meine Patienten sind meist scheue Katzen, die nur mit großem Aufwand in die Praxis zu bringen sind. Einigen BesitzerInnen ist es lieber, wenn ich die Impfung zu Hause verabreiche. Ich stelle aber vorab klar, dass dieser Zusatzservice teurer ist. Die Kosten setzen sich aus den normalen Behandlungskosten, der Visite und einem Aufschlag für den Zeitfaktor zusammen. Gerade auf die Zeitverrechnung haben TierbesitzerInnen einen Einfluss. Wenn ich beim Eintreffen die Katze gleich in einem Raum ohne Versteckmöglichkeiten vorfinde und recht rasch untersuchen kann, ist es günstiger, als das Tier erst im Haus ausfindig machen und einfangen zu müssen“, erklärt Mag. Gerhild Schwager, die eine Kleintierpraxis in Steyr besitzt.
„Bei Einschläferungen ist es uns wichtig, dass das Tier die letzten Atemzüge in seiner gewohnten Umgebung machen kann. Die TierbesitzerInnen brauchen oft noch länger Zeit zum Verabschieden oder suchen noch das persönliche Gespräch mit der Tierärztin. Manche hingegen sind kurz angebunden und wollen lieber schnell alles hinter sich bringen – in beiden Fällen muss das auch eingerechnet werden“, so Schwager. Das Publikum, das ihre mobilen Tierarztleistungen in Anspruch nehme, seien sowohl -ältere Leute als auch Personen zwischen 30 und 35 Jahren. Auch ÖTK-Vorstandsmitglied Dr. Gloria Gerstl-Hejduk bietet in ihrer Praxis Hausbesuche an – „allerdings außerhalb der Ordinationszeiten und gegen Aufpreis“. Zu den Normalpreisen kommen ein Hausbesuchszuschlag und das Kilometergeld hinzu. „Wichtig ist auch, dass sich KollegInnen nicht mit Dumpingpreisen Konkurrenz machen, denn am Ende hat niemand einen Vorteil von solchen Praktiken. Das Ergebnis ist eine Abwärtsspirale, die dem Berufsstand schadet.“ Die mobile Zusatzleistung würde primär von älteren oder körperlich eingeschränkten Personen nachgefragt. „Gerade bei dieser Personengruppe haben Haustiere den Status eines Familienmitgliedes. Und sie sind gerade dann, wenn es Zeit ist, vom vierbeinigen Liebling Abschied zu nehmen, sehr dankbar für unsere Dienstleistungen“, so Gerstl-Hejduk.