Süßwasserstechrochen (Potamotrygonidae) in Aquarien zu halten hat einen ganz besonderen Reiz. Der Umgang mit den Rochen ist aber nicht ohne Risiko, denn mit ihrem giftigen Stachel können sie dem Besitzer oder dem Operateur äußerst schmerzhafte Verletzungen zufügen – und manchmal verletzen sie sich leider auch selbst …
Anamnese
Mit dem Vorbericht einer Stachelperforation durch die craniale Leibeshöhle wurden wir Anfang 2019 um eine Visite und Abklärung, ob denn eine Behandlung sinnvoll und möglich sei, ersucht. Das weibliche, geschlechtsreife und circa zwei Kilo schwere Tier wurde dabei in einer Schaubeckenanlage eines Friseurbetriebs mit 1.000 Liter Wasservolumen gemeinsam mit einem männlichen, etwas kleineren Exemplar gehalten. Das Bodensediment bestand zum Zeitpunkt der Visite aus circa acht bis zehn Zentimeter hohem, fein gekörntem Sand, in dem einige Wurzelstöcke und vereinzelte Wasserpflanzen eingesetzt waren (Abb. 1).
Lebende Fossilien aus dem Uramazonas
Süßwasserstechrochen (Potamotrygonidae) sind eine in Südamerika beheimatete Familie von Knorpelfischen mit fünf Gattungen und über 30 Arten. Ihre Entwicklungsgeschichte geht auf den Uramazonas zurück, als dieser noch in den Pazifik floss. Erst durch die Auffaltung der Anden vor etwa 150 Millionen Jahren wurden sie von ihrem bisherigen Lebensraum abgeschnitten und entwickelten sich durch die Reduzierung der Rektaldrüse sowie Anpassung des Harnstoffgehalts im Blut zu Süßwassertieren. Eine Bezeichnung als „lebende Fossilien“ ist aufgrund dieser lang zurückliegenden Entwicklungsgeschichte und eines seit der Kreidezeit gleich gebliebenen Bauplans sicherlich gerechtfertigt.
Potamotrygonidae werden vergesellschaftet gehalten, die weiblichen Tiere sind, wie die meisten Rochen, ovovivipar. Maul, Nasenöffnung und die Kiemenspalten liegen auf der Unterseite des Körpers. Die Körper sind platt und gehen an der Seite in die großen Brustflossen über. Die Tiere haben weder Rückenflossen noch eine Schwanzflosse.
Der Schwanz ist klar vom Körper abzugrenzen und hat dorsal gelegen einen oder mehrere Giftstacheln, die mit Giftdrüsen in Verbindung stehen. Obwohl Süßwasserstechrochen friedliche Tiere sind, können sie in Stresssituationen schwere Verletzungen auslösen. Schreckt oder quetscht man die Tiere, wird durch einen Reflex der Schwanz nach oben und vorne geschnellt. Der Stachel dringt dabei tief ein, hitzelabiles Gift wird abgegeben und der Stachel bricht anschließend aufgrund seiner stark ausgebildeten Widerhaken und seiner Porosität ab. Alle sechs bis zwölf Monate wächst auch ohne Stechakt ein neuer Stachel nach. Der alte Stachel wird dabei vom neuen Stachel aus der Stachelscheide nach außen geschoben und sinkt zu Boden. Die abgeworfenen Stachelreste der Süßwasserstechrochen bleiben lange Zeit im Sand vergraben und verlieren weder Härte noch Form. Insbesondere die Widerhaken bleiben sehr spitz (siehe Abb. 2).