Stammzellentherapie –

Behandlungsmethode mit Zukunft

Bettina Kristof

Die aufwendige Therapiemethode mit körper­eigenen Zellen des Tiers wird eingesetzt, um Entzündungen und in der Folge Schmerzen zu reduzieren. In Österreich arbeiten rund 20 TierärztInnen mit der Stammzellen­therapie.

 

In der Veterinärmedizin ist die Stammzellentherapie bei Problemen des Bewegungsapparates von Hunden, Katzen und Pferden seit einigen Jahren ein Thema. Um Näheres darüber zu erfahren, sprachen wir mit dem führenden Experten in Österreich, Dr. Karl Grohmann, Geschäftsführer der Tierklinik Korneuburg und Universitätslektor für Akupunktur und Neuraltherapie an der Vetmeduni Vienna.

Herr Dr. Grohmann, Sie gehören zu den wenigen Tierärzten in Österreich, die die Stammzellentherapie bei Hunden und Katzen anwenden. Was genau ist die Stammzellentherapie? 
Es handelt sich dabei um eine biologische Zelltherapie mit autologen Stammzellen, das heißt, mit körpereigenen Zellen des Tieres. Diese Zellen werden dem Patienten in einer kurzen Operation aus einem kleinen Stück Fettgewebe entnommen. In diesem Fettgewebe sind ein paar Hundert Stammzellen enthalten, die in eine Spezial­lösung gelegt und im Labor mit einer speziellen Methode extrahiert werden. Die isolierten Stammzellen werden in einer Zellkultur auf etwa drei Millionen vermehrt und stellen in ihrer multipotenten Funktionsweise ein richtiges Reparaturset dar. Sie können sich in Knorpelzellen, Knochenzellen oder andere Zellen, die mit dem Bewegungsapparat oder den Gelenken zu tun haben, verwandeln und werden mittels Injektion direkt in das Gelenk oder die schlecht heilende Fraktur eingebracht. 

Bei welchen Beschwerden wird die Stammzellentherapie eingesetzt?
Mit dieser Therapie kann man Entzündungen und in der Folge Schmerzen reduzieren und die Beweglichkeit verbessern. Die Stammzellenmethode ist vor allem nach diversen Operationen an den Gelenken sowie bei Störungen der Knochenbruchheilung erfolgreich. Auch bei dauerhaft geschädigten Gelenken, die sonst nicht mehr therapierbar sind, kommt es zu Verbesserungen. Bei großen Knorpeldefekten sind die Erfolgschancen nicht so groß, aber kleinere Knorpelschäden können gut repariert werden. 

Mit welchen Behandlungserfolgen kann man rechnen?
Es hängt von der Ausgangssituation und dem Grad der Schädigung ab. Wir haben in den letzten drei Jahren zwischen 50 und 60 Patienten behandelt und die Erfolgsrate liegt bei 90 %. Bei fast jedem therapierten Tier kann man eine Verbesserung des ursprünglichen Zustands fest­stellen. Das Spektrum reicht von einer deutlichen Verbesserung bis hin zur Beschwerdefreiheit. 

Wie lange dauert es, bis man erste Erfolge sieht?
Die Methode braucht Zeit. Erste Verbesserungen bei chronisch veränderten Gelenken, die immer entzündet sind, bemerkt man meist nach circa zwei Monaten. Es kann unter Umständen aber auch acht bis neun Monate dauern, bis sich der Erfolg einstellt. Geduld ist daher schon notwendig – aber es zahlt sich aus. Manchmal sind die Tiere bereits in einem so schlechten Zustand, dass man mit der Stammzellentherapie nur eine kleine Verbesserung erreichen kann. Wir klären die Tierhalter darüber natürlich im Vorfeld auf, aber manche möchten unbedingt, dass man diese Therapie bei ihrem Tier anwendet, wenn es sonst keine Hilfe mehr gibt. 

Wie oft wird die Behandlung durchgeführt?
Es ist im Prinzip eine einmalige Anwendung. Für den Fall, dass eine weitere Behandlung notwendig sein sollte, wird von den gewonnenen Stammzellen eine Million zurückbehalten und im Labor tiefgekühlt auf Lager gelegt. Wenn man nochmals Bedarf hat, bekommt man diese innerhalb von vier Tagen nachgeliefert. Solange das Tier lebt, kann der Tierhalter ordern, dass die Stammzellen aufbewahrt werden. Das Depot kostet pro Jahr einen bestimmten Betrag. Wir haben gelegentlich ein zweites Mal appliziert, vor allem bei jungen Tieren mit angeborenen Gelenksdefekten, die frühzeitig an Ellenbögen oder Hüften operiert wurden. Nach einem derartigen Eingriff muss man postoperativ mit einer Arthrose rechnen, und da hilft die Stammzellentherapie gut. Wenn man bald nach der OP mit Stammzellen behandelt, dann hält der Erfolg der OP länger.

Mit welchem Labor arbeiten Sie zusammen?
Wir arbeiten mit Animacel in Laibach, einem Spin-off der veterinärmedizinischen Universität in Laibach. Es gibt derzeit nicht viele Labors, die Stammzellen isolieren und vermehren. Mir ist nur ein weiteres in der Schweiz bekannt.

 

Ist die Therapie kostspielig?
Die Stammzellentherapie ist mit einem ziemlich großen Aufwand verbunden, daher kostet sie auch einiges, aber sie bringt auch immer etwas. Es sind viele Schritte notwendig: Die Stammzellen müssen gewonnen und vermehrt werden. Bei der Entnahme des Fettgewebes muss das Tier in Vollnarkose gelegt werden, dann kommen die Stammzellen in eine spezielle Nährlösung; diese wird gekühlt und sofort per Luftpost in das Labor nach Laibach geschickt, wo die Sendung innerhalb von 48 Stunden nach der Entnahme ankommen muss. Dann bekommen wir die aufbereiteten Stammzellen zurück und applizieren diese mittels Injektion in das Gelenk. Es ist also schon ein aufwendiges Prozedere, das auch seinen Preis hat. 

Bieten viele Tierärzte in Österreich die Stammzellentherapie an?
In Österreich arbeiten ungefähr zwanzig Tierärzte mit der Stammzellentherapie. 

Mit welchen Behandlungsrisiken muss man rechnen?
Die Risiken sind sehr überschaubar. Wie jede OP birgt auch die 15-minütige Fettentnahme in Narkose ein gewisses Risiko. Beim Stich in das Gelenk kann theoretisch eine Infektion entstehen, aber wenn man sauber arbeitet, ist das Risiko minimal und der Nutzen maximal. 

Wie sind Sie zur Stammzellentherapie gekommen?
Ich habe mich neben der Schulmedizin auf Traditionelle Chinesische Medizin und orthopädische Neuraltherapie spezialisiert, doch auch diese integrativen Heilmethoden haben ihre Grenzen. Gerade im Bereich der Gelenkserkrankungen ist die Stammzellentherapie ein guter Weg, um den Patienten schmerzfrei zu bekommen und ihm seine Beweglichkeit zurückzugeben. 

Gibt es schon eine Studie über die Wirkungsweise der Stammzellentherapie?
Bis jetzt ist es so, dass Animacel Daten und Erfahrungsberichte über die Anwendung der Stammzellentherapie sammelt. Auch ich arbeite viel mit Beobachtung: Ich bestelle die behandelten Tiere immer wieder in die Ordination, sehe mir dann genau an, wie sie sich bewegen, und frage natürlich auch die Tierhalter gezielt nach Verbesserungen und Veränderungen. Diese erleben ja tagtäglich, wie es ihrem Tier geht, und können am besten beurteilen, ob sich etwas verbessert hat, ob das Tier aktiver geworden ist, sich mehr und besser bewegt und mehr Lebensfreude hat. Natürlich wäre es gut, wenn man die Daten evaluieren könnte. Deshalb ist eine Studie mit der chirurgischen Abteilung der Vetmeduni Vienna angedacht. Die Frage ist aber, ob das zustande kommt, denn man müsste Tierhalter finden, die einige Male mit ihrem Tier an die Vetmeduni Vienna kommen, die als einzige Institution in Österreich über ein Laufband verfügt, das für die Studie notwendig ist. Es ist auch schwierig, die Tiere auf ein Laufband zu bekommen. Außerdem müssten mehrere Röntgenaufnahmen von jedem Tier gemacht werden, teilweise unter Narkose. Man wird sehen, ob sich das Projekt realisieren lässt. 

Wie sehen Sie die Zukunft der Stammzellentherapie?
Ich finde dieses Feld sehr spannend. Ich glaube, dass die Stammzellentherapie eine sehr potente Behandlungsmethode für arthrotische Gelenke und auch andere Bereiche ist. In der Veterinärmedizin werden nur adulte Stammzellen verwendet, bei denen es auch keine Gefahr der Tumorbildung gibt. Es gibt erste Versuche, Muskelschäden mit Stammzellen zu behandeln. Dazu werden Muskelstammzellen gewonnen, die in den geschädigten Muskel implantiert werden. 

Auch in der Humanmedizin wäre die Stammzellentherapie eine großartige Möglichkeit, schwerwiegende Erkrankungen zu behandeln. Man könnte bei der Geburt eines Kindes auch fötale Stammzellen aus dem Nabelschnurblut gewinnen, diese sind omnipotent. Man könnte sie auf Lager legen und im Bedarfsfall verwenden. Allerdings gibt es bei diesen Stammzellen die Gefahr einer Tumorbildung. Omnipotente Stammzellen wären auch in der Neurologie für die Behandlung von gelähmten Patienten, in der Herzinfarkttherapie und generell bei strukturellen Schädigungen von Organen ein Gewinn. Deshalb ist die Zukunft der Stammzellentherapie äußerst aussichtsreich, wenn auch in der Humanmedizin noch problematisch. Die Gewinnung der Stammzellen beim Menschen ist derzeit nur über eine Fettabsaugung erlaubt, die Zellkulturvermehrung wird ethisch, moralisch und rechtlich noch heiß diskutiert. Lassen wir uns überraschen, was die Zukunft noch alles bringt! Ich denke, die Stammzellentherapie ist ein aussichtsreicher Weg für die Reparatur vieler Gewebe, und das ohne Genmanipulation.