In der Veterinärmedizin ist die Stammzellentherapie bei Problemen des Bewegungsapparates von Hunden, Katzen und Pferden seit einigen Jahren ein Thema. Um Näheres darüber zu erfahren, sprachen wir mit dem führenden Experten in Österreich, Dr. Karl Grohmann, Geschäftsführer der Tierklinik Korneuburg und Universitätslektor für Akupunktur und Neuraltherapie an der Vetmeduni Vienna.
Herr Dr. Grohmann, Sie gehören zu den wenigen Tierärzten in Österreich, die die Stammzellentherapie bei Hunden und Katzen anwenden. Was genau ist die Stammzellentherapie?
Es handelt sich dabei um eine biologische Zelltherapie mit autologen Stammzellen, das heißt, mit körpereigenen Zellen des Tieres. Diese Zellen werden dem Patienten in einer kurzen Operation aus einem kleinen Stück Fettgewebe entnommen. In diesem Fettgewebe sind ein paar Hundert Stammzellen enthalten, die in eine Speziallösung gelegt und im Labor mit einer speziellen Methode extrahiert werden. Die isolierten Stammzellen werden in einer Zellkultur auf etwa drei Millionen vermehrt und stellen in ihrer multipotenten Funktionsweise ein richtiges Reparaturset dar. Sie können sich in Knorpelzellen, Knochenzellen oder andere Zellen, die mit dem Bewegungsapparat oder den Gelenken zu tun haben, verwandeln und werden mittels Injektion direkt in das Gelenk oder die schlecht heilende Fraktur eingebracht.
Bei welchen Beschwerden wird die Stammzellentherapie eingesetzt?
Mit dieser Therapie kann man Entzündungen und in der Folge Schmerzen reduzieren und die Beweglichkeit verbessern. Die Stammzellenmethode ist vor allem nach diversen Operationen an den Gelenken sowie bei Störungen der Knochenbruchheilung erfolgreich. Auch bei dauerhaft geschädigten Gelenken, die sonst nicht mehr therapierbar sind, kommt es zu Verbesserungen. Bei großen Knorpeldefekten sind die Erfolgschancen nicht so groß, aber kleinere Knorpelschäden können gut repariert werden.
Mit welchen Behandlungserfolgen kann man rechnen?
Es hängt von der Ausgangssituation und dem Grad der Schädigung ab. Wir haben in den letzten drei Jahren zwischen 50 und 60 Patienten behandelt und die Erfolgsrate liegt bei 90 %. Bei fast jedem therapierten Tier kann man eine Verbesserung des ursprünglichen Zustands feststellen. Das Spektrum reicht von einer deutlichen Verbesserung bis hin zur Beschwerdefreiheit.
Wie lange dauert es, bis man erste Erfolge sieht?
Die Methode braucht Zeit. Erste Verbesserungen bei chronisch veränderten Gelenken, die immer entzündet sind, bemerkt man meist nach circa zwei Monaten. Es kann unter Umständen aber auch acht bis neun Monate dauern, bis sich der Erfolg einstellt. Geduld ist daher schon notwendig – aber es zahlt sich aus. Manchmal sind die Tiere bereits in einem so schlechten Zustand, dass man mit der Stammzellentherapie nur eine kleine Verbesserung erreichen kann. Wir klären die Tierhalter darüber natürlich im Vorfeld auf, aber manche möchten unbedingt, dass man diese Therapie bei ihrem Tier anwendet, wenn es sonst keine Hilfe mehr gibt.
Wie oft wird die Behandlung durchgeführt?
Es ist im Prinzip eine einmalige Anwendung. Für den Fall, dass eine weitere Behandlung notwendig sein sollte, wird von den gewonnenen Stammzellen eine Million zurückbehalten und im Labor tiefgekühlt auf Lager gelegt. Wenn man nochmals Bedarf hat, bekommt man diese innerhalb von vier Tagen nachgeliefert. Solange das Tier lebt, kann der Tierhalter ordern, dass die Stammzellen aufbewahrt werden. Das Depot kostet pro Jahr einen bestimmten Betrag. Wir haben gelegentlich ein zweites Mal appliziert, vor allem bei jungen Tieren mit angeborenen Gelenksdefekten, die frühzeitig an Ellenbögen oder Hüften operiert wurden. Nach einem derartigen Eingriff muss man postoperativ mit einer Arthrose rechnen, und da hilft die Stammzellentherapie gut. Wenn man bald nach der OP mit Stammzellen behandelt, dann hält der Erfolg der OP länger.
Mit welchem Labor arbeiten Sie zusammen?
Wir arbeiten mit Animacel in Laibach, einem Spin-off der veterinärmedizinischen Universität in Laibach. Es gibt derzeit nicht viele Labors, die Stammzellen isolieren und vermehren. Mir ist nur ein weiteres in der Schweiz bekannt.