Die smarte

Tierarztpraxis 4.0

Ing. Christian Dumhart, MSc

In den letzten Jahren liest man immer mehr von „4.0“, aber was bedeutet dieses „4.0“ eigentlich – und welche Bedeutung hat es für die Tierärztin bzw. den Tierarzt?

Arbeiten à la „4.0“ kann man als den Wandel des heutigen Jahrhunderts verstehen, indem sich die Arbeits- und ­Sozialwelt jedes Einzelnen ändert. Wir sind vernetzter, digitaler, flexibler und informierter. Veränderungen bringen immer Chancen mit sich, und gerade im spannenden Bereich der Veterinärmedizin gibt es eine Menge an Anknüpfungspunkten, wie sich das Arbeiten als Tierarzt ändert und ändern wird. 

Denken wir beispielsweise an die Rinderwirtschaft: Melkroboter gibt es schon seit über 30 Jahren, aber die Arbeitsweise im Stall steht gerade am Beginn einer neuen Revolution – die Arbeit der Landwirte wird sich in den nächsten Jahren weiter flexibilisieren und modernisieren. Welcher Landwirt hat noch kein WLAN im Stall? Der Roboter, der den Stall ausmistet, Systeme, die aufzeichnen, was, wie viel und wann gefressen wurde; Kamerasysteme, die Rinder beobachten und Anomalien aufzeichnen und binnen wenigen Sekunden an den Landwirt und/oder Tierarzt weitermelden; Sensoren am Schwanz der Kuh, welche einleitende Wehen registrieren und Alarm schlagen – diese und viele weitere IoT-Geräte (IoT = „Internet der Dinge“) werden in den nächsten Jahren Einzug halten und die Arbeitsweise der Tierärzte drastisch verändern.  

Wie kann nun der Tierarzt seine Praxis 4.0-fit machen?

Bei allen Überlegungen dazu sollten zwei Sichtweisen im Fokus stehen. Betrachten Sie die Möglichkeiten und Bedürfnisse Ihrer Klienten und die Möglichkeiten Ihrer Tierarztordination/-klinik:

• Welche Möglichkeiten habe ich als Tierarzt/als Tierarztpraxis? 

• Welche Möglichkeiten ergeben sich für meine Kunden und welche neuen Anforderungen haben meine Klienten an mich?

Die Tierhalter werden anspruchsvoller, sind vorab durch „Dr. Google“ informiert und möchten den Tierarzt jederzeit erreichen können, sobald eine Frage auftaucht. Diesen Ansprüchen kann eine kleine Ordination oder Klinik nicht immer auf dem klassischen Weg nachkommen, aber auch hier bieten sich neue Möglichkeiten und Chancen für die Tierarztpraxis 4.0. 

Generell empfiehlt es sich, eine eigene Website zu ­besitzen. Die Kosten dafür sind in den letzten Jahren sehr moderat geworden und die Pflege der Inhalte kann dank einfacher CMS (Content-Management-Systeme) auch selbst vorgenommen werden. Gute Content-Management-Systeme lassen es zu, die Inhalte der Website ähnlich wie unter Word zu bearbeiten. Auf Ihrer Praxishomepage informieren Sie Ihre Kunden über Ihre Leistungen, Erreichbarkeit, Ordinationszeiten, Besonderheiten u. a. m. Sehen Sie die Website als Ihr Aushängeschild – sie sollte Ihr Leitbild der Ordination gut widerspiegeln. So können Sie genau Ihre Zielgruppe ansprechen. 

Besitzen Sie schon eine eigene Website, prüfen Sie, ob diese auch noch zeitgemäß ist. Viele Internetauftritte sind schon in die Jahre gekommen – denken Sie darüber nach, welche Wirkung eine veraltete Website auf Ihr Gegenüber haben kann. Gerade bei Erstkunden ist der Blick auf die Website die erste wichtige vertrauensbildende Interaktion. Ist Ihr Auftritt frisch, modern und strahlt Kompetenz und Seriosität aus, haben Sie schon die ersten Punkte gesammelt. Wenn Sie auf Social-Media-Plattformen aktiv sind, dann integrieren Sie diese Kanäle in Ihre Website. Sollte Ihr Social-Media-Auftritt etwas verkümmert sein, dann setzen Sie sich Erinnerungen im Kalender und posten Sie ab und zu einmal etwas über sich und Ihre Praxis. Persönliche und emotionale Beiträge kommen am besten bei Ihrer Zielgruppe an – vermeiden Sie ein plumpes Anpreisen Ihrer Leistungen. Die Integration von anderen Plattformen oder Tools wie z. B. der Google Business Page etc. sollte jedenfalls berücksichtigt werden. Dies hört sich im ersten Moment zeitintensiv an, aber auch hier lässt sich viel automatisieren, und nach kurzer Einarbeitungszeit sind diese Vorgänge ganz einfach. 

Die Integration eines (Online-)Buchungstools auf Ihrer Website bietet viele Vorteile für Ihre Praxis: Sie bieten so Ihren Kunden rund um die Uhr die Möglichkeit, einen Termin bei Ihnen vereinbaren zu können. Dies entlastet Ihr Telefon, gerade in den Stoßzeiten, wenn Sie Ordination haben. So kann der Tierhalter bequem von der Couch aus auch noch um Mitternacht die nächste Impfung buchen. Gerade die Verwendung von Buchungstools hat sich in den letzten Monaten in den Ordinationen besonders bewährt. Neben der erwähnten Entlastung am Telefon steigern Sie auch die Qualität Ihres Services und haben einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Tierarztpraxen. Ein weiterer Trend, der im angelsächsischen Raum zu beobachten ist, sind sogenannte Chatbots. Diese haben bei uns in Europa noch nicht den großen Einzug gehalten, kommen jedoch mehr und mehr zum Einsatz. Chatbots – das sind kleine digitale Assistenten, die Sie auf Ihrer Website einbinden können – beantworten dann Fragen für den Tierhalter automatisch, rund um die Uhr, am Wochen­ende und an Feiertagen. Ist ein Termin bei Ihnen in der Ordination gebucht, empfiehlt es sich, den Tierhalter kurz vor dem Termin daran zu erinnern. Das ist ein zusätzlicher Service für den Tierhalter und stärkt die Kundenbeziehung. Der Tierhalter kann auch nicht mehr auf den Termin vergessen beziehungsweise noch rechtzeitig den Termin verschieben oder absagen, wenn etwas dazwischengekommen ist. Wurde der Termin online gebucht, kann man direkt beim Termin die Möglichkeit anbieten, diesen zu verschieben. 

Erinnerungen zu Terminen, Impfungen, Vorsorgeuntersuchungen, Betriebserhebungen etc. lassen sich in den meisten Praxismanagementsystemen bequem einstellen, sodass Sie hier keine zusätzliche Zeit und Ressourcen investieren müssen.

Das Online-Ausfüllen des Aufnahmebogens, der Datenschutzerklärung u. a. m., während der Kunde noch kurz auf die Behandlung wartet, ist eine weitere Möglichkeit, wie Sie wertvolle Zeit sparen können. Die Daten werden dann automatisch in Ihr Praxisprogramm gespielt. So vergeht die Wartezeit schneller und das lästige Papierausfüllen fällt weg. Wenn Sie Patienten zu einer Klinik überweisen möchten, dann können Sie dies per Knopfdruck durchführen. Alle notwendigen Befunde „teilen“ Sie mit der Überweisungsklinik, ohne langwierig die Daten zusammenzusuchen und per USB-Stick oder E-Mail zu senden. Der Arztbrief oder Befund wird dann automatisch in Ihr System zurückgespielt – und Sie haben kein Kopfweh punkto Datenschutz (Stichwort DSGVO). 

Röntgenbilder, Befunde, Rechnungen, Abgabebelege, Besamungsscheine u. a. m. bieten Sie den Tierhaltern digital und online jederzeit abrufbar an. Das spart eine Menge Zeit. Und vor allem: Es entlastet Ihren Drucker und das Zettelchaos verschwindet endlich. 

Die Tierarztordination 4.0 bietet Ihnen eine Vielzahl an Möglichkeiten, die Sie für die Kundenbindung und Kundengewinnung nutzen können. Hier nur einige wenige Beispiele: Google Business Page, Social-Media-Marketing, Newsletter, Messaging-Tools, Webinare und vieles andere mehr. 

Einen weiteren enormen Zeitvorteil können Sie bei Ihrer Buchhaltung gewinnen. Viele Steuerberater und Buchhalter haben in den letzten Jahren erkannt, dass gerade in ihrer Branche ein starker Umbruch stattfindet. Das händische Buchen von einzelnen Rechnungen und Belegen stirbt früher oder später aus. Nutzen Sie die Vorteile einer Buchhaltung 4.0: Einnahmen werden automatisch beim Steuerberater importiert, und die Ausgaben können auch digital erfasst und dem Steuerberater online zur Verfügung gestellt werden. Keine Zettelwirtschaft mehr, kein Stress am 15. des Monats. Und das Schöne dabei: Sie sparen nicht nur viel Zeit, sondern auch Geld, da beim Steuerberater weniger Personalkosten anfallen.

Die Nutztierärzte können mit digitalen AuA-Belegen der Zettelwirtschaft den Kampf ansagen. Der Beleg wird digital erstellt, vom Landwirt digital unterschrieben und wandert sofort in Ihr digitales Archiv. Der Landwirt kann jederzeit den Beleg online abrufen. Die notwendigen Meldungen an die Behörden werden prompt automatisch durchgeführt. Einmal im Monat werden die Rechnungen an Ihre Tierhalter und Betriebe gesendet, idealerweise mit SEPA-Auftrag, der an die Bank gesendet wird; das Ganze natürlich vollautomatisch, ohne dass Sie hier lange Zeit investieren müssen. Die lästige Büroarbeit wird auf ein Minimum reduziert – kein Nacharbeiten mehr am Abend oder Wochenende.

Dies sind nur einige wenige Beispiele, wie sich die smarte Tierarztpraxis 4.0 in den nächsten Jahren flexibilisieren und ändern wird. Die Anforderungen und Wünsche der Tierhalter ändern sich, unser gesamtes Leben wird in Zukunft digitaler, flexibler und serviceorientierter – ­diese Entwicklung macht auch beim Tierarzt nicht halt. Je früher Sie auf den Zug aufspringen, desto leichter wird es Ihnen fallen. Sie werden sehen, dass „4.0“ eine riesige Chance für Sie als Tierarzt ist. Nutzen Sie die Chance, gewinnen Sie wertvolle Zeit, erhöhen Sie Ihr Service und starten Sie noch heute mit dem ersten Schritt zur ­smarten Tierarztpraxis 4.0!