Dr. Med. vet. Marie Schneider
Veterinärmedizinische Fachkoordination ÖTK und Seminarmanagement VETAK
Für TierärztInnen ist es oft schwierig, den Spagat zwischen Idealismus und wirtschaftlichem Arbeiten zu meistern. Manchen fällt es schwer, sich selbst und die eigene tierärztliche Arbeit gut zu verkaufen - Selbstmarketing muss aber dennoch sein!
Oft fehlt es an einem gesunden Selbstverständnis bezüglich des Werts der eigenen Arbeit, und auch am nötigen Know-How, sich selbst und seine Dienstleistungen authentisch und wirkungsvoll zu vermarkten. Gleichzeitig ist unser Berufsalltag mit dem Einzug des Internets nicht leichter geworden: Die Anzahl von halb bis völlig falsch informierten, manchmal sogar besserwisserischen KundInnen ist in unseren Tierarztpraxen spürbar angestiegen. Und: Das Verständnis und die Wertschätzung für unseren Berufsstand Tierarzt ist im gleichen Zug - oder gerade deswegen? - gesunken.
Was tun?
Die meisten Tierärztinnen und Tierärzte haben durch Studium und Berufserfahrung ein profundes fachliches und praktisches Wissen erworben. Dennoch fällt es vielen von uns schwer, sich selbst und die eigene tierärztliche Arbeit auch gut zu verkaufen und unseren Beruf auch wirtschaftlich erfolgreich auszuüben. Aus Idealismus und zugunsten des Tierwohls werden schnell wirtschaftliche Abstriche gemacht und die eigenen Leistungen oft nicht angemessen verrechnet. Oft bleibt dann weder für ein entspanntes Leben noch für nötige Investitionen in die eigene Praxis oder die eigene Weiterbildung ausreichend finanzieller Spielraum. Frust und Überarbeitung - manchmal bis hin zum Burn-out - sind die Folge; nicht selten kommt es früher oder später sogar zu Praxisauflösungen.
Teil des Problems sind oft ein zu unklares Selbstverständnis über den Wert und Nutzen der eigenen Leistungen als Tierarzt bzw. Tierärztin sowie ein mangelhaftes Bewusstsein und Know-How, sich und die eigenen Dienstleistungen angemessen zu präsentieren und diese auch erfolgreich zu verkaufen.
Erschwerend kommt sicherlich hinzu, dass wir mit "Dr. Google" einen scharfen und herausfordernden Konkurrenten bekommen haben. Die Möglichkeiten des Internets haben auch das Besuchsverhalten der PatientenbesitzerInnen in der Tierarztpraxis gravierend verändert. Die ersten AnsprechpartnerInnen sind wir TierärztInnen inzwischen oft nicht mehr. Viele PatientenbesitzerInnen betreten bereits "bestens informiert" als "ExpertInnen" die Praxis und meinen, dank ihres im Internet erworbenen Wissens (respektive Halbwissens) genau zu wissen, was jetzt von der Tierärztin/dem Tierarzt zu tun wäre. Und da sie ja nun mal so viel "Vorarbeit" geleistet haben, fehlt dann ebenso das Bewusstsein dafür, dass tierärztliche Arbeit auch etwas kostet.
So viele Vorteile eine selbstbestimmte Recherche im Netz auch hat, eine fachliche Expertise ersetzt sie natürlich nicht. Logischerweise ist dadurch auch ein spürbarer Anstieg an Konfliktgesprächen mit PatientenbesitzerInnen zu verzeichnen - vor allem, wenn der Tierarzt oder die Tierärztin dann eine andere Meinung vertritt als "Dr. Google".
Wie aber umgehen mit kritischen und besserwisserischen KundInnen, die Ihre Kompetenzen und Ihr Wissen als Tierärztin/Tierarzt damit oft provokativ infrage stellen? Was tun, wenn Sie sich dem Wohl des Tieres verpflichtet fühlen, die TierbesitzerInnen aber schwieig sind und den Nutzen Ihrer Expertise nicht sehen wollen? Wie schaffen Sie sich einen Rahmen, in dem das, was Sie tun und am besten können, auch entsprechend zu Geltung kommt? Hier braucht es eine klare Linie und klare Strategien. Ihre KundInnen müssen wissen, was sie von Ihnen erwarten können, was sie bei Ihren KollegInnen vielleicht nicht bekommen. Ein klares Portfolio an Spezialisierungen (z.B. in Form einer Ausbildung zum Fachtierarzt/zur Fachtierärztin) hilft da sicher, um Ihre Praxis wirtschaftlich gut aufstellen zu können und neue Zielgruppen anzusprechen. Und natürlich sind Sie mit guten Kenntnissen in den Bereichen Kommunikation, Konfliktmanagement und Verkauf klar im Vorteil. Viel Wissen darüber können Sie sich aus einschlägiger Literatur aneignen, dennoch lassen sich gerade kommunikative Kompetenzen nicht nur theoretisch lernen - hier sind Praxistrainings gefragt.
Und: Es ist heute einfach zu wenig, „nur“ eine gute Tierärztin oder ein guter Tierarzt zu sein. Neben Ihren fachlichen Kompetenzen und organisatorischen Fähigkeiten ist zunehmend auch Ihre Persönlichkeit gefragt. Und auch die Außenwirkung Ihres „Auftritts“ wäre zu hinterfragen. Wer einen Tierarzt aufsucht, geht zu einem Experten. Rein fachlich sind Sie das ohne Frage. Nur – kommen Sie auch so rüber? Aus der Kommunikationsforschung wissen wir, dass unser nonverbaler Auftritt oft (meist) mehr über unsere Wirkung und letztlich über unseren Erfolg entscheidet als unser gesamtes Fachwissen und Können.
Mit einem Wort: In unserer Kommunikation ist das WIE meist entscheidender als das WAS. Natürlich bedeutet das nicht, dass Sie inhaltlich nicht überzeugen müssen. Auf fachlicher Ebene müssen Sie selbstverständlich hervorragende Arbeit leisten. Die Frage ist also nur, wie Sie das „Drumherum“ gestalten und welchen Rahmen Sie Ihrer Praxis, sich selbst und Ihrer hervorragenden Arbeit schaffen. Ohne Zweifel spielt da allein schon unsere Körpersprache eine große Rolle. Wie bewusst ist Ihnen, wie Sie nonverbal rüberkommen und wie Sie auf Ihre KundInnen wirken?
Und auch die Art und Weise, wie wir unsere Praxis, unseren Internetauftritt (z. B. die Suchmaschinenoptimierung in Google), unsere Broschüren und Visitenkarten, aber auch unsere Kundengespräche gestalten, sind eine reifliche Überlegung und eine bewusste Entscheidung wert. Das Gleiche gilt natürlich dafür, wie wir unsere Arbeit und ebenso den Preis dafür kommunizieren.
Dass viele Menschen bereit sind, über 1.000 Euro für ein Smartphone auszugeben, hat in erster Linie mit rein emotionalen und nur am Rande mit inhaltlichen Gründen zu tun. Neben dem heute also mehr denn je notwendigen Bewusstsein für die Wirkung der Darstellung eines Produkts oder einer Dienstleistung auf andere ist es selbstverständlich wichtig, sowohl fachlich als auch in Ihrer Persönlichkeitsentwicklung am Ball zu bleiben und sich so Vorteile gegenüber konkurrierenden KollegInnen zu verschaffen.
Gerade Kleintiermediziner sind in Ballungsgebieten ja nicht alleine unterwegs. Sie sollten gute Gründe und Strategien finden, warum TierbesitzerInnen gerade Ihre Praxis aufsuchen sollten.
• Bewusstsein für den Wert und Nutzen unserer Arbeit für unsere KundInnen (und damit auch für die Gesellschaft!)und gesundes Selbstverständnis als Veterinärmediziner/in.
• Know-how, wie ich mich als Tierärztin oder Tierarzt, den Nutzen meiner Dienstleistungen, aber auch meine Preisgestaltung, meine Praxis, meinen Internetauftritt etc. ins rechte Licht setze und das Gesamtpaket so für meine PatientenbesitzerInnen interessant und attraktiv mache.
• Kommunikative und – ganz wichtig – auch verkäuferische Kompetenzen.
• Ein gutes Bewusstsein dafür, wie und wodurch Sie sich von KollegInnen unterscheiden und absetzen. Was bieten Sie, was andere nicht bieten – fachlich und (und das ist nicht zu unterschätzen!) atmosphärisch? Ihre KundInnen wollen ja auch ein „gutes Gefühl“ bei ihrer Tierärztin bzw. ihrem Tierarzt haben und Ihnen vertrauen können.
Natürlich braucht das fachkundige Anleitung und seriöses Training – Sie wollen ja nicht mit plumpen Verkaufsfloskeln und schicken Sprüchen Ihre Kundschaft verschrecken, sondern authentisch, klar und erfolgreich kommunizieren, was Sie am besten können: Tierärztin/Tierarzt sein.