Mag. Silvia Stefan-Gromen
Ausgabe 09/2024
In der Schweinehaltung können die Tiere selbst bei guten Haltungsbedingungen gesundheitliche Probleme bekommen oder Verhaltensstörungen wie Schwanzbeißen entwickeln. Dass das Mikrobiom im Darm das Verhalten der Schweine beeinflussen kann, ist bekannt, aber noch wenig wissenschaftlich erforscht.
Das Projekt „SauWohl“ untersuchte die Wirkung eines fermentierten Kräuterextrakts (FKE), der neben Kräutern auch Laktobazillen und Hefen beinhaltet. Damit sollen Durchfall oder Atemwegsprobleme sowie Schwanzbeißen reduziert werden. Das kann die Haltung von Schweinen mit intakten Schwänzen fördern, was sowohl gesellschaftlich als auch gesetzlich gefordert ist – letztlich soll sich die Tiergesundheit und damit auch die Qualität für die Konsument*innen verbessern.
Die sogenannte Multi-Farm-Studie wurde in drei Schweinebetrieben in Oberösterreich durchgeführt. Die drei Betriebe beliefern den Schwanenstädter Fleischverarbeiter Hütthaler KG und nehmen am Tierwohlprogramm „Hütthalers Hofkultur“ teil. In diesem geht es um bessere Tierhaltung und Tiergesundheit. Die Mitarbeiter*innen des Fleischverarbeiters unterstützten auch die Sammlung von Kotproben und Daten. Am betriebseigenen gläsernen Schlachthof bewerteten Veterinärmediziner*innen die Gesundheit der Schweine und dokumentierten sie in den Schlachtprotokollen.
Wissenschaftliche Begleitung
Das Institut für Nutztierwissenschaften der Universität für Bodenkultur Wien (Boku) und die Abteilung Ernährungsphysiologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni) begleiteten das Projekt wissenschaftlich. Die Tiere wurden dazu auf jedem Betrieb ab dem Absetzen – also ab dem Zeitpunkt, an dem die Ferkel von der Muttersau getrennt werden – in eine FKE-Gruppe und in eine Kontrollgruppe ohne FKE-Fütterung aufgeteilt und bis zum Schlachten begleitet. Die Wissenschaftler*innen erhoben klinische Daten wie Durchfall, Verletzungen und Schwanzlängen, beobachteten das Verhalten der Tiere, sammelten und analysierten die Kotproben. Um die Aussagekraft der Studie zu erhöhen bzw. Voreingenommenheit auszuschließen, erfuhren die Wissenschaftler*innen erst nach der Datenerhebung, zu welcher Gruppe die einzelnen Tiere gehörten.
Deutlich weniger verletzte Schwänze und bessere Gesundheit
Das wichtigste Ergebnis: In der FKE-Gruppe waren am Ende der Mastperiode nur bei 5,13 % der Tiere die Schwänze verkürzt, in der Kontrollgruppe bei 71,1 % der Tiere. „Die Studie konnte belegen, dass intakte Ringelschwänze mit der Zufütterung von FKEs einhergehen können. Konkret sehen wir, dass FKE positiven Einfluss auf die Artenvielfalt des Darmmikrobioms hat, vor allem bei jüngeren Schweinen. Eine höhere Vielfalt an Laktobazillen, also Milchsäurebakterien, könnte die positiven Auswirkungen auf Schwanzbeißen und Schwanzverletzungen erklären“, so Mag. med. vet. Dominik Eckl, Tierarzt und Hofkultur-Projektleiter der Hütthaler KG, der die Ergebnisse als bestätigend und „überraschend in ihrer Dimension“ beschreibt. Ein weiteres positives Ergebnis der Studie waren verringerte Atemwegssymptome der Mastschweine.
Wissenschaftlich wurde die Mikrobiota-Darm-Hirn-Achse bisher vor allem experimentell erforscht; die Übertragbarkeit auf Praxisbetriebe war fraglich. Die aktuelle Studie ist die erste, die auf mehreren Praxisbetrieben, über einen längeren Zeitraum und zudem verblindet stattfand.
Viele Faktoren beeinflussen Gesundheit und Verhalten
„Der Einsatz von FKE kann aber nicht die alleinige Lösung für tiergesundheitliche und Tierwohlprobleme sein, lediglich ein Baustein respektive Teil der Lösung, um das Schwanzbeißen zu verringern“, sagt Natalia Nöllenburg von der Boku Wien. Denn die Risikofaktoren sowohl für das Schwanzbeißen als auch für die Tiergesundheit allgemein sind multifaktoriell: Neben den Haltungsbedingungen wirken sich auch Stress — durch den Menschen oder Unruhe in der Tiergruppe — und nicht ausreichende Erkundungsmöglichkeiten oder passendes Beschäftigungsmaterial (z. B. Stroh, Heu, Seile) auf Verhalten und Gesundheit der Schweine aus. Fehlt beispielsweise Beschäftigungsmaterial, fangen Schweine an, sich mit Körperteilen ihrer Artgenossen zu beschäftigen; das kann zu Verletzungen am Schwanz oder an den Ohren führen.
Zusammenhang zwischen Mikrobiom und Verhalten
In der Praxis werden seit vielen Jahren verschiedene probiotische Präparate oder auch Phytobiotika eingesetzt, da bekannt ist, dass das Verhalten von Tieren mit dem Mikrobiom im Darm zusammenhängen kann. Die Boku und die Vetmeduni forschen schon seit Jahrzehnten zum Tierwohl und zur Verbesserung der Haltungssysteme von Schweinen in jeglicher Lebensphase. Das Projekt „SauWohl“ trug dazu bei, physiologische Vorgänge im Zusammenhang mit anatomischen (äußerlichen) Indikatoren wie z. B. Schwanzverletzungen besser zu verstehen. So konnte zum ersten Mal in Praxisbetrieben ein Zusammenhang zwischen Schwanzlängen sowie verletzten Schwänzen und Veränderungen des Darm-Mikrobioms hergestellt werden. Die Ergebnisse zeigten auch, dass diese Zusammenhänge abhängig vom Alter der Schweine und vom Betrieb waren.