Rückblick auf das ANIMALICUM 2024

Tierärztin Tanja Warter

„Wie geht’s dir, Tier, mit uns?“ – dieser Frage widmete sich das ANIMALICUM in Bregenz in diesem Jahr. Von privater Tierhaltung über Auslands­hunde und Streunerkatzen bis hin zu Tier­rechten reichte der Themenbogen.

Volles Haus auch dieses Jahr – das ANIMALICUM in Bregenz ist mittlerweile zu einem Fixpunkt der hochkarätigen Tierveranstaltungen geworden. Dem interdisziplinären Ansatz folgend hielt heuer eine Psychologin den Eröffnungsvortrag, in dessen Zentrum die Bindung zum Tier sowie unsere Tierliebe standen. Prof. Dr. Andrea Beetz, Professorin für Heilpädagogik im Fernstudium der IU Internationale Hochschule in Erfurt (D), Präsidentin der Internationalen Gesellschaft für tiergestützte Therapie und eine der wenigen national und international renommierten Expertinnen auf diesem Gebiet, berichtete über positive Effekte von Heimtierhaltung auf die menschliche psychische Gesundheit. Sie trug vor, dass dem Menschen mit der Biophilie das Interesse an der Natur allgemein und an Tieren im Speziellen in die Wiege gelegt sei. „Ruhige, ungefährliche Tiere vermitteln uns unbewusst ein Gefühl von Sicherheit“, sagte sie. Unter anderem präsentierte sie eine Studie, bei der bei 47 Buben, die an einem Stresstest teilnahmen, der Cortisolspiegel gemessen wurde. Für die Stressreduktion kamen ein freundlicher Erwachsener, ein Stoffhund und ein echter Hund zu Einsatz. Klares Ergebnis: Der Stresslevel sank beim Streicheln des echten Tiers am stärksten. Beetz zeigte Vorteile beim Lernen in Anwesenheit eines Hundes, sprach über Beziehung, Beständigkeit, Zuverlässigkeit und Verbundenheit und beleuchtete auch kritisch, wie es den Hunden geht, die als Schul- oder Therapiehunde zum Einsatz kommen. Außerdem präsentierte Beetz die Arbeit rund um Bindung und wechselseitige Spiegelung von Verhaltensbiologin Mag. Dr. Iris Gudrun Schöberl.

Eine neue Studie rund um das Verhalten von Auslandshunden stellte PD Dr. Dorothea Döring von der Tierärzt­lichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München vor. Für diese Studie wurden die neuen Besitzer von 158 Auslandshunden mittels Telefoninterviews kurz vor oder ab Übernahme des Hundes über einen Zeitraum von sechs Monaten befragt. Die meisten Hunde wurden bereits nach der ersten Woche im neuen Zuhause als entspannt eingeschätzt, circa ein Drittel zeigte sich ängstlich und ein kleiner Teil aufgeregt. Die am häufigsten gezeigten Verhaltensprobleme waren Angstverhalten und Stuben­unreinheit; diese Probleme verbesserten sich aber meist im Lauf der Zeit deutlich. Trotz Verhaltens­problemen gaben die meisten Besitzer an, dass sie das Verhalten ihres Hundes nicht stören würde, und waren zufrieden mit ihrem Tierschutzhund aus dem Ausland. 20 Prozent der Befragten würden sich aber nicht nochmals für einen Auslandshund entscheiden. Döring präsentierte auch dramatische Einzelfälle, die nicht gut ausgingen. 

Ein seit 1990 kontinuierlich durchgeführtes Kastrationsprogramm für Katzen in Leipzig, das wissenschaftlich begleitet wurde, präsentierte Prof. Dr. Uwe Truyen, Professor für Tierhygiene und Tierseuchenbekämpfung und Direktor des Instituts für Tierhygiene und Öffentliches Veterinärwesen der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Erstaunliche Entwicklung von Beginn des Programms vor 30 Jahren bis zum Jahr 2020: Die Zahl der frei laufenden Katzen war um fast 70 % zurückgegangen.

Den Bogen zu den Nutztieren schlug indirekt die Betriebswirtschafterin Christine Schäfer vom Gottlieb Duttweiler Institut in der Schweiz: Als Ernährungsexpertin referierte sie über den globalen Fleischkonsum und dessen folgenschwere Auswirkungen. Damit erwirkte sie eine intensive Diskussion über pflanzenbasierte Ernährung, Insekten als Proteinquelle und Laborfleisch.
In den Vortragsblöcken „Katze Spezial“ und „Hund Spezial“ ging es um Detailfragen zu den jeweiligen Heimtier­arten. PD Dr. Franziska Kuhne, Fachtierärztin für Verhaltenskunde, Fachtierärztin für Tierschutz, Zusatzbezeichnung Verhaltenstherapie, Dozentin für Ethologie, Tierverhaltenstherapie und Tierschutz am Fachbereich Veterinärmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen zeigte in eindrucksvollen Fallbeispielen die wichtigsten Problemkreise im Zusammenleben mit der Katze auf, besprach Lösungsansätze und diskutierte rege mit den vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern über konkrete Erlebnisse aus der Praxis. Parallel führte Vera Bürgi aus der Schweiz in die Welt von Coaching und Führung ein und verdeutlichte den Gästen der Veranstaltung, wie Strategien aus der Berufswelt auch auf die Erziehung eines Hundes übertragen werden können.

Wie es exotischen Tieren im Zusammenleben mit uns Menschen geht, schilderte im Anschluss Sabine Öfner, tierärztliche Leiterin der Reptilienauffangstation in München. Sie plädierte für verpflichtende Sachkunde, zeigte Fälle von Beschlagnahmen wie einen Import aus Indonesien mit 69 Grünen Baumpythons und 57 Waranen und schilderte die Schwierigkeiten von Unterbringung und Vermittlung der Tiere.
Prof. Dr. Dr. Anne Peters hielt als Juristin den Schlussvortrag. Peters ist Direktorin am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg und lehrt an der Universität Basel, der Universität Heidelberg, der Freien Universität Berlin sowie der University of Michigan u. a. Völkerrecht, Menschenrechte und globales Tierrecht. Ihres Erachtens erfordert ein globales Problem eine globale Lösung, weshalb sie für ein internationales Tierrecht eintritt. Rechte würden ausdrücken, dass der Rechtsträger einen innewohnenden Wert an sich habe; andernfalls würden Tiere juristisch weiterhin wie Sachen beziehungsweise Objekte behandelt, die man nur „schützen“ könne. Den Unterschied verdeutlichte Peters am Bild der Mona Lisa: „Das Gemälde darf nicht beschädigt werden. Dagegen ist es geschützt. Aber es hat kein Recht darauf, nicht beschädigt zu werden.“ Dieser Unterschied sei für unseren Umgang mit Tieren entscheidend – es folgte tosender Abschlussbeifall.