Risikogruppe

Schwarzwild

HR Dr. Michael Dünser

Die Afrikanische Schweinepest steht vor den Toren Österreichs. Menschliche Aktivitäten und die illegale Entsorgung kontaminierter Lebensmittel haben die Ausbreitung beschleunigt, die Seuchenbekämpfung gestaltet sich schwierig – ein Zwischenstand.

Lagebericht

Die Entwicklungen bei der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Europa, insbesondere aber in unseren Nachbarländern, geben weiterhin keinen Anlass zur Entspannung. Dies verdeutlichen die Ausbruchszahlen beim Schwarzwild in den östlichen Nachbarländern; so wurden in diesem Jahr bereits 68 Ausbrüche in Ungarn und 114 Ausbrüche in der Slowakei gemeldet (Stand 13.02.22). Im Jahr 2021 betrug die Anzahl der ASP-Ausbrüche in Ungarn 2.584 und in der Slowakei 1.671. Dramatisch ist die ASP-Situation bei Hausschweinen in Rumänien mit insgesamt 1.676 Ausbrüchen im Jahr 2021. Der nächstgelegene gemeldete Seuchenfall bei Wildschweinen befindet sich in Ungarn und ist nur 87 km von der österreichischen Staatsgrenze entfernt. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Situation in Europa bleibt das Risiko einer Einschleppung nach Österreich sehr hoch. Ein Ausbruch der ASP bei Haus-, aber auch bei Wildschweinen hätte enorme wirtschaftliche Schäden zur Folge.

Infektionswege

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass es für die Primärausbrüche zwei unterschiedliche Szenarien gibt. Bei kontinuierlicher Ausbreitung in der Schwarzwildpopulation und fehlenden Bekämpfungs- und Schutzmaßnahmen wird die Seuche durch die Wildschweine in die Nachbarländer eingeschleppt. Dieser Verlauf war für die meisten Länder in Europa ausschlaggebend, wie aus Tabelle 1 hervorgeht. Zuletzt war dieser Flächeneintrag für die Einschleppung der ASP nach Deutschland verantwortlich, bei der die Seuche aus einem Ausbruchsgebiet in Westpolen an verschiedenen Stellen den Sprung über die Oder geschafft hat. Seit dem erstmaligen Nachweis im September 2020 fielen in der BRD mit Stand 18. 2. 22 bereits 3.427 Wildschweine der ASP zum Opfer. Im Gegensatz zur langsamen, kontinuierlichen Ausbreitung in der Schwarzwildpopulation sind menschliche Aktivitäten bzw. die illegale Entsorgung von ASP-kontaminierten Lebensmitteln für punktuelle Ausbrüche verantwortlich. Diese Eintragsformen treten meist in größerer Entfernung zu den ursprünglichen Seuchengebieten auf und waren ursächlich für die lokalen Ausbrüche in Tschechien (2017), Belgien (2018) und zuletzt in Italien (2022). In diesen Ländern erfolgte der Viruseintrag ausschließlich über den Menschen bzw. die illegale Entsorgung mit ASP-Virus (ASPV) kontaminierter Lebensmittel. Durch rasches Erkennen des Infektionsgeschehens beim Schwarzwild und umfassende Tilgungsmaßnahmen ist es in Tschechien und in Belgien mit erheblichen Anstrengungen gelungen, die Seuche wieder auszurotten. Der für den aktuellen Ausbruch in Italien ursächliche ASP-Virus-Genotyp II weist in der Genomsequenzierung sehr hohe Übereinstimmung zu den in der Kaukasusregion, in der Russischen Föderation, in Südostasien sowie in Zentral- und Osteuropa zirkulierenden ASP-Virusstämmen auf. Das in Italien ausgewiesene Seuchengebiet befindet sich im Bereich zweier wichtiger Durchzugsstraßen und in der Nähe der Hafenstadt Genua. Mit Stand 11. 2. 22 wurde bei 34 Stück Schwarzwild ASPV bestätigt. Obwohl die ASP bei Hausschweinen nicht nachgewiesen wurde, haben wichtige Exportländer umgehend die Einfuhr von italienischem Schweinefleisch bzw. Schweinfleischprodukten gestoppt, was erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen auf die stark exportorientierte italienische Lebensmittelindustrie zur Folge hat.

Früherkennung

In der Tierseuchenbekämpfung kennt man den Begriff der Hochrisikophase, das ist der Zeitraum vom Eintrag bis zur labordiagnostischen Feststellung der Seuche. Je kürzer die Hochrisikophase, desto erfolgversprechender können entsprechende Bekämpfungsmaßnahmen verlaufen.

Um einen Eintrag der ASP in die Wildschweinpopulation frühzeitig zu erkennen, ist die Unterstützung der Jägerschaft unerlässlich. Jeder aufgefundene Kadaver muss auf ASP untersucht werden, gehäuftes Auffinden von verendeten Tieren war in allen Ländern der entscheidende Hinweis für den Eintrag von ASP und das darauffolgende Seuchengeschehen. Im Straßenverkehr verunfalltes Wild zählt ebenfalls zur ASP-Risikogruppe und sollte im Rahmen der Früherkennung unbedingt zur Untersuchung eingesandt werden. Auffällige Verhaltensweisen der Tiere geben bereits beim Ansprechen Hinweise auf eine mögliche Infektion mit dem Virus der ASP. Die ersten Anzeichen treten ca. vier Tage nach der Infektion auf. Typisch für diese hoch fieberhaft verlaufende Infektion (die innere Körpertemperatur liegt meist über 41 °C) ist das In-Haufen-Zusammenliegen der Tiere, die Fressunlust sowie gerötete Augen- und Maulschleimhäute mit Augenausfluss (Abbildungen 1–2). Erkrankte Tiere zeigen im weiteren Verlauf eine gekrümmte Körperhaltung und ein aufgezogenes Abdomen sowie ein Fehlen des Ohrenspiels (Abbildung 3). Die Losung kann entweder sehr hart sein oder als Durchfall auftreten. Häufig zeigen die Tiere Atemnot, welche sich durch eine erhöhte Atemfrequenz sowie vermehrte und vertiefte Bewegungen des Brustkorbs und Abdomens zeigt. Orientierungslosigkeit, taumelnder Gang und fehlender Fluchtreflex vor Menschen und Hunden gehören ebenfalls zu den Anzeichen einer Infektion mit dem ASP-Virus. Tiere einer Rotte können unterschiedliche klinische Phasen des Krankheitsverlaufs aufweisen (Abbildung 4) – im Endstadium kommt es zum Festliegen in Seitenlage, Blut kann über die Körperöffnungen austreten und Schaum vor Rüsselscheibe und Maul sind Zeichen eines Lungenödems (Abbildungen 5–6). Die für ASP typischen pathologisch-anatomischen Veränderungen sind Blutungen, von punktförmig bis flächig, in den Organen und Lymphknoten sowie Milzschwellungen (Abbildung 7). Zum diagnostischen Nachweis der ASP eignen sich besonders Blutproben bzw. Bluttupfer, Milz und Lymphknoten, da sich das Virus primär in den Zellen des Blutes vermehrt. Bei Kadavern in fortgeschrittenem Verwesungszustand ist der Erregernachweis auch noch aus dem Knochenmark von Röhrenknochen möglich (Abbildungen 8, 9, 10). Bei Verdacht auf Vorliegen von ASP ist umgehend die Veterinärbehörde der zuständigen Bezirkshauptmannschaft zu verständigen. Nur wenige Tiere überleben die Infektion und entwickeln meist Antikörper, die ab dem 11. bis 20. Tag nach der Ansteckung nachweisbar sind.

Maßnahmen im Seuchenfall

Wird die ASP „nur“ im Wildtierbestand festgestellt, legt die Veterinärbehörde unter Berücksichtigung der Wildschweinhabitate entsprechende Sperrzonen fest, in denen Maßnahmen zur Eindämmung und Tilgung der Seuche erfolgen. Als eine der ersten Maßnahmen wird ein intensives Absuchen des Gebiets nach verendeten Wildschweinen durchgeführt. Dem Entfernen von Kadavern kommt erhebliche Bedeutung zu, da diese über Wochen bzw. Monate als Infektionsquelle für Wildschweine dienen können. Aktuelle Erfahrungen aus Deutschland zeigen, dass speziell für das Auffinden von Schwarzwildkadavern ausgebildete Suchhunde eine wertvolle Unterstützung bei der Bergung der Kadaver darstellen, da sich erkrankte Wildschweine oft ins Unterholz zurückziehen und ihre Kadaver nur mehr schwer aufzufinden sind. Aufgrund des fieberhaften Verlaufs suchen die Tiere zur Abkühlung oft Wasserläufe bzw. Suhlen auf; in diesen Bereichen findet man häufig Kadaver (Abbildung 11). In schwer zugänglichen Gebieten hat sich auch der Einsatz von Drohnen, die mit Wärmebildkameras versehen sind, bewährt.

Um die weitere Ausbreitung einzudämmen, können je nach den Gegebenheiten Maßnahmen wie etwa die Einzäunung des Seuchengebiets und Betretungsverbote für bestimmte Personengruppen hilfreich sein. Ziel ist es jedenfalls, eine Weiterverbreitung der Seuche in der Wildschweinpopulation und ein Übergreifen auf Hausschweinbestände zu verhindern sowie eine weitere Ausbreitung aus dem Seuchengebiet zu unterbinden. Um das eigentliche Seuchengebiet wird von der Veterinärbehörde zusätzlich eine Pufferzone („gefährdetes Gebiet“) eingerichtet, in der eine verstärkte Überwachung erfolgt. Da auch auf den ersten Blick gesund erlegte Wildschweine Virusträger sein können, wird auch im gefährdeten Gebiet eine umfangreiche Untersuchung der Schwarzwildstrecke auf ASP erforderlich sein. Da die Ausbreitung maßgeblich von der Wildschweindichte abhängig ist, kommt der Reduktion der Schwarzwildbestände ebenfalls eine wichtige Rolle zu. Während in Tschechien Scharfschützen der Polizei mit Schalldämpfern sowie Nachtsicht-Wärmebildgeräten zur Reduktion des Schwarzwilds im Seuchengebiet eingesetzt wurden, haben in Belgien Saufänge wesentlich dazu beigetragen, die Wildschweindichte rascher zu reduzieren und damit einen Beitrag zur Tilgung der Seuche zu leisten. Diese Maßnahmen entsprechen nicht den jagdlichen Gepflogenheiten, sind aber zur Seuchenbekämpfung oft unumgänglich.

Stand der Impfstoffentwicklung

Für die Bekämpfung der ASP beim Wildschwein wäre eine Köderimpfung über orale Aufnahme hilfreich, so wie sich das in der Ausrottung der Tollwut beim Fuchs bewährt hat. Derzeit stehen allerdings keine zugelassenen und sicheren Vakzinen für Haus- und Wildschweine zur Verfügung. Mit einer baldigen Zulassung ist auch nicht zu rechnen.

Zusammenfassung

Aufenthalte bzw. Jagdreisen in ASP-Risikogebiete sollten unbedingt vermieden werden – dies gilt insbesondere für Personen, die selbst Schweine halten oder in Schweine-betrieben tätig sind. Der Jägerschaft kommt in der Früherkennung eine Schlüsselrolle zu. Verendete bzw. verdächtige Stücke müssen umgehend bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde gemeldet werden. Im Seuchenfall spielen drei Maßnahmen eine entscheidende Rolle: das rasche Auffinden und Entfernen der Kadaver im Seuchengebiet, die Reduktion der Schwarzwilddichte sowie die Einschränkung von Wildschweinbewegungen durch die Errichtung von Zäunen.