Dr.med.vet. Elisabeth Wagmeister
Ausgabe 09/2024
Die künstliche Besamung beim Schwein ist zu einem unverzichtbaren Instrument in der modernen Tierzucht geworden. Sie trägt maßgeblich zur Steigerung der Produktivität, zur gezielten genetischen Verbesserung und zur Gesundheit von Schweinepopulationen bei. Dabei spielt die Spermaanalyse eine entscheidende Rolle: Sie ermöglicht eine präzise Bewertung der Fruchtbarkeit des Ebers und führt zur Verbesserung der Reproduktionsergebnisse in der Schweinezucht. Wir sprachen mit Diplom-Tierärztin Elisabeth Fischer, Bereichsleiterin bei Bayern-Genetik:
Frau Diplom-Tierärztin Fischer, welche Parameter sind bei der Spermaanalyse des Ebers zu beurteilen?
Eine umfassende Spermaanalyse berücksichtigt mehrere Parameter, die Aufschluss über die Fruchtbarkeit des Ebers geben. Untersucht wird das Ejakulatvolumen und die Spermienkonzentration, die besonders wichtig ist, um eine ausreichende Anzahl fruchtbarer Spermien pro Besamungsdosis sicherzustellen. Außerdem wird die Spermienmotilität beurteilt, und zwar sowohl die Gesamtbeweglichkeit als auch die progressive Motilität. Progressiv bewegliche Spermien zeigen eine zielgerichtete Vorwärtsbewegung. Entscheidend ist auch die Morphologie der Spermien, wobei mehrere Aspekte bei der Beurteilung berücksichtigt werden müssen. Zu den möglichen weiteren Untersuchungen zählt die Beurteilung der strukturellen Integrität der Spermien. Diese ist für eine erfolgreiche Befruchtung wichtig. Außerdem kann das Akrosom auf Unversehrtheit überprüft werden – das Akrosom ist eine Kappe, die das vordere Ende des Spermienkopfs bedeckt und für das Eindringen in die Eizelle notwendig ist. Auch die Lebensfähigkeit und der Anteil lebender Spermien kann ermittelt werden.
Können Sie auf die morphologische Beurteilung der Spermien näher eingehen?
Morphologische Anomalien können die Befruchtungsfähigkeit stark beeinträchtigen. Bei der Beurteilung der Morphologie wird der Prozentsatz der Spermien ermittelt, die eine normale Form haben, im Vergleich zu denen mit abweichenden oder pathologischen Formen. Veränderungen und pathologische Formen umfassen Kopf-, Mittelstück- und Schwanzanomalien. Ein normal geformtes Spermium hat einen ovalen Kopf, der den Zellkern mit dem genetischen Material enthält. Der Kopf ist vorne vom Akrosom bedeckt, das Enzyme enthält, die für die Penetration der Eizelle notwendig sind. Das Mittelstück enthält Mitochondrien, die die Energie für die Bewegung des Spermiums bereitstellen. Der Schwanz ist lang und dünn und ermöglicht die Fortbewegung des Spermiums.
Zu den häufigsten pathologischen Formen zählen im Kopfbereich ein Makro- oder Mikrozephalus, ein Doppelkopf, wodurch das Spermium die Eizelle nicht erfolgreich befruchten kann, oder eine Pyriform, also eine birnenförmige Verformung des Kopfs, die Probleme bei der Penetration der Eizelle verursachen kann. Neben den Kopfanomalien gibt es Mittelstückanomalien: Eine Verdickung des Mittelstücks kann auf eine Fehlanordnung der Mitochondrien hindeuten, was die Energieversorgung und Beweglichkeit beeinträchtigen kann. Asymmetrische oder verkürzte Mittelstücke sind ebenfalls problematisch und beeinträchtigen die Bewegungsfähigkeit des Spermiums. Zu den Schwanzanomalien gehört ein doppelter, geknickter oder sehr kurzer Schwanz – und auch sogenannte Schleifenformen, bei denen der Schwanz in sich verdreht ist oder Schleifen bildet. Diese Anomalien verhindern eine effektive Fortbewegung des Spermiums. Außerdem gibt es proximale und distale Plasmatropfen: Ein proximaler Plasmatropfen ist ein Tropfen von Zytoplasma, das am Mittelstück nahe dem Kopf hängen bleibt, dies kann auf eine unreife Spermienreifung hindeuten; ein distaler Plasmatropfen ist ein Tropfen, der sich näher am Schwanzende befindet. Solche Spermien sind zwar funktional, aber das Vorhandensein solcher Tropfen in großen Mengen kann ebenso auf eine suboptimale Spermienreifung hinweisen.
Was hat sich hinsichtlich der Spermaanalyse beim Schwein in den letzten Jahren verändert?
Die Spermaanalyse beim Schwein hat deutliche Fortschritte gemacht. Die grundlegenden Prinzipien der Beurteilung der Spermienqualität sind unverändert geblieben, aber die Methoden zur Durchführung der Analysen haben sich stark verändert und verbessert. Früher wurde die Spermaanalyse hauptsächlich manuell mit dem Mikroskop durchgeführt; dabei spielen die Erfahrung und das geschulte Auge des Untersuchers eine entscheidende Rolle. Das Volumen und die Konzentration werden durch einfache volumetrische Messungen und Zählungen bestimmt, die Motilität und Morphologie werden unter dem Mikroskop geschätzt und manuell vom Untersucher beurteilt – ein Nachteil dabei ist, dass die Ergebnisse wie gesagt stark von der Erfahrung und den Fähigkeiten des Untersuchers abhängen. Es können erhebliche Schwankungen in der Bewertung auftreten. Außerdem ist die manuelle Analyse sehr zeitaufwendig. Ein Vorteil ist, dass die Analyse mit wenig Aufwand und Anschaffungskosten möglich ist – es sind nur ein Mikroskop und einige grundlegende Laborinstrumente nötig.
Heutzutage basiert die moderne Spermaanalyse auf computergestützten Systemen. Spermienkonzentration und Spermienmotilität werden durch Systeme wie Computer Assisted Sperm Analysis (CASA, Anm.) bestimmt. Dabei wird Videomikroskopie mit einer speziellen Software kombiniert angewendet. Somit kann die Spermienbewegung quantitativ und objektiv beurteilt werden. Die Morphologie wird mithilfe digitaler Bildverarbeitung beurteilt. Durch die computerbasierten Systeme werden individuelle, personenbezogene Fehlerquellen reduziert, das ist ein großer Vorteil. Die Ergebnisse sind objektiver, präziser und reproduzierbarer. Ein weiterer Vorteil ist die Geschwindigkeit – die modernen Systeme können große Probenmengen in kurzer Zeit analysieren, was vor allem in der kommerziellen Schweinezucht von Vorteil ist. Ein Nachteil sind die Kosten, die durch Anschaffung und Wartung entstehen: Dies kann für kleinere Betriebe eine finanzielle Hürde darstellen.
Welche Faktoren beeinflussen die Spermaqualität?
Die Qualität des Spermas wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Besonders die saisonalen Schwankungen und der Gesundheitszustand haben einen direkten Einfluss auf die Spermienproduktion und -qualität. Außerdem zählen Haltungsbedingungen, Ernährungszustand, das Alter des Ebers, genetische Prädispositionen, Umweltbedingungen und Managementpraktiken dazu. Stress, Überhitzung, unzureichende Nährstoffversorgung und Infektionen können die Spermaqualität stark vermindern. Zu möglichen Maßnahmen gehören eine adäquate Gesundheitsvorsorge, Ernährungsanpassungen und Managementverbesserungen.
Was hat sich bei der künstlichen Besamung beim Schwein verändert?
Bei der künstlichen Besamung beim Schwein haben sich in den letzten Jahren Veränderungen im Hinblick auf die Empfehlung für den Inhalt von Besamungstuben ergeben. Früher enthielten die Besamungstuben eine größere Anzahl von Spermien, oft mehrere Milliarden. Mit der Zeit hat man jedoch festgestellt, dass auch geringere Spermienzahlen bei optimierten Bedingungen zur gleichen Erfolgsquote führen können. Heutzutage wird oft mit geringeren Dosen gearbeitet. Die Lagerung der Sperma-Dosen ist ebenfalls verbessert worden: Frisches Ebersperma wird meist bei Temperaturen von etwa 16–18 °C gelagert und kann je nach Verdünnungsmittel bis zu zehn Tage verwendet werden, ohne dass die Qualität signifikant abnimmt.
Was ist bei der Lagerung von Sperma zu beachten?
Die Lagerung von Schweinesperma ist ein kritischer Aspekt, der die Lebensfähigkeit und Befruchtungsfähigkeit der Spermien über einen längeren Zeitraum sicherstellen soll. Früher gab es den Rat, die Spermatuben zu drehen und konstant in Bewegung zu halten, da sich die Spermien sonst absetzen; heute weiß man, dass dies die Erfolgsrate nicht beeinflusst und die Tuben nicht bewegt werden müssen. Wichtig ist, dass das Sperma bei konstanten Temperaturen gelagert wird, um die Spermienqualität zu erhalten. Moderne Verdünnungsmittel und Lagerungsmedien enthalten Pufferlösungen, die den pH-Wert und die Osmolarität stabil halten und den Spermien Nährstoffe liefern. In der Schweinezucht enthalten die Verdünnungsmittel Antibiotika, um bakterielle Kontaminationen während der Lagerung des Spermas zu verhindern. Dies ist wichtig, weil Schweinesperma oft über mehrere Tage gelagert wird, bevor es zur Besamung verwendet wird. Eine Lagertemperatur von 16–18 °C wäre optimal für Bakterienwachstum. Es wird aktuell an antibiotikafreier Konservierung geforscht – das Thema ist besonders relevant, da der Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht zur Entwicklung von Antibiotikaresistenzen beitragen kann. Durch den Fortschritt in der Forschung könnten in der Zukunft wirksame Alternativen zur Verfügung stehen, die den Einsatz von Antibiotika in der Spermienkonservierung überflüssig machen und gleichzeitig die Tiergesundheit und die Nachhaltigkeit in der Schweinezucht weiter verbessern.