Das Refeeding-Syndrom ist eine wenig bekannte Erkrankung, die nach längerer Nahrungskarenz (> 10 Tage) bei zu raschem Anfüttern entstehen kann.
Pathophysiologie
Das Refeeding-Syndrom beginnt mit der Nahrungsaufnahme nach längeren Hungerphasen. Die Hungerphase ist durch einen katabolen Stoffwechsel gekennzeichnet, der durch die Hormone Glucagon und Adrenalin gekennzeichnet ist. Es kommt zum Aufbrauchen der Energievorräte: Glycogen, Proteine und Triglyceride. Die Zellen decken den Energiebedarf durch Oxydation von Fettsäuren und Ketonkörpern. Der Glucoseverbrauch wird auf ein Minimum reduziert und die Insulinausschüttung wird stark supprimiert. Nach Anfütterung mit kohlenhydratreicher Nahrung kommt es zu einer massiven Insulinsekretion und zu einem schnellen Einstrom von Kalium, Glucose, Magnesium und Phosphat. Der intrazelluläre Einstrom der Elektrolyte führt zu einer anabolen Stoffwechsellage, die zusätzlich Phosphat, Magnesium, Kalium und Vitamin B1 (Thiamin) benötigt. Das größte Risiko eines Refeeding-Syndroms besteht nach zwei bis fünf Tagen nach Beginn der Anfütterung.
Anamnese und Therapiebeginn
Die zehnjährige EKH „Tigerpooh“, weiblich, kastriert, kam nach vier Wochen spurlosem Verschwinden wieder nach Hause. Sie war in einem sehr schlechten Allgemeinzustand. Bei der Erstuntersuchung zeigte sich eine kachektische Katze mit 1,6 kg Gewicht, eingesunkenen Bulbi, aufgehobener Hautelastizität und einer IKT von 37,3 °C. Die Katze wurde am Samstag abends zu mir nach Hause gebracht, daher war zunächst keine Blutuntersuchung möglich. Das Tier wurde daher symptomatisch zwei Tage lang mit intravenöser DTI (Ringer-Lactat + Kalium + Magnesium und Natriumbicarbonat sowie 5 % Glucoselösung) therapiert und zusätzlich mit Rindfleischzubereitung für Kleinkinder und Recovery Liquid angefüttert.
Beginn von neurologischen Auffälligkeiten
Nach 36 Stunden zeigte „Tigerpooh“ zunächst einen verzögerten Pupillarreflex und eine beginnende Ataxie sowie Tremor. 72 Stunden nach Beginn der Fütterung kam es zu generalisierten Krampfanfällen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Befunde eingelangt und dank kompetenter Fachberatung konnte die Diagnose Refeeding-Syndrom gestellt werden.