Wenn Radioaktivität in der Therapie eingesetzt wird –

die Radiojodtherapie

Dr. med. vet. Elisabeth Reinbacher

Die Radiojodtherapie gilt als die Therapie der Wahl bei Katzen mit Hyperthyreose. Der Katze wird radioaktives Jod verabreicht, welches in die Schilddrüse eingelagert wird, wodurch es zur lokalen Bestrahlung von Schilddrüsenanteilen mit Überfunktion kommt. Bei etwa 95 Prozent der Katzen kann dadurch eine Heilung erzielt werden. Doch wie funktioniert der Umgang mit der radioaktiven Therapieform in der Praxis? Und wie wirkt sich die Strahlung auf die Umgebung der Katze aus?

„Man könnte sich vorstellen, dass das Radium aber auch in verbrecherischen Händen sehr gefährlich werden könnte, und man muss sich fragen, ob es für die Menschheit gut ist, diese Geheimnisse der Natur zu kennen; ob sie reif ist, daraus Nutzen zu ziehen, oder ob ihr diese Erkenntnis zum Schaden gereichen könnte“ – dieses Zitat von Marie Curie, welche im Jahr 1903 ­gemeinsam mit ihrem Ehemann und Antoine-Henri ­Becquerel den Nobelpreis für die Entdeckung der natürlichen Radioaktivität erhielt, sollte sich als nur allzu wahr beweisen.

Das Wort Radioaktivität verbindet man im ersten Augenblick wohl immer mit negativen Assoziationen, doch in der Medizin ist sie ein sehr wertvoller Bestandteil mehrerer diagnostischer und therapeutischer Möglichkeiten. Eine dieser therapeutischen Möglichkeiten ist die Radiojodtherapie, welche bei Katzen mit Hyperthyreose eingesetzt werden kann. Die Hyperthyreose ist die häufigste endokrinologische Erkrankung der älteren Katze und wird meist durch Hyperplasien und Adenome der Schilddrüse verursacht. Dr. med. vet. Maximilian Pagitz, der an der Kleintierklinik der Veterinärmedizinischen Universität Wien die Abteilung für Nuklearmedizin leitet, gibt einen ausführlichen Einblick in seinen Arbeitsalltag. „Die Möglichkeit, eine Hyperthyreose bei der Katze mittels Radiojodtherapie zu behandeln, gibt es österreichweit nur an der Kleintierklinik der Vetmeduni Wien, denn es müssen sehr strenge Strahlenschutzbestimmungen eingehalten werden. Deswegen kommen die Besitzer aus ganz Österreich zu uns, aber auch aus dem umliegenden Ausland“, leitet Dr. Pagitz ein.

Weiters erklärt er die organisatorischen Rahmen­bedingungen: „Wir haben pro Woche zwei Slots für die Radio­jodtherapie; montags wird behandelt, freitags dürfen die Katzen wieder nach Hause, wenn alles nach Plan verläuft. Die Wartezeit auf einen Termin beträgt zurzeit zwischen sechs und acht Wochen.“ Die Radiojodtherapie ist neben der medikamentösen Behandlung mit Thyreostatika und der chirurgischen Therapiemöglichkeit die dritte – und auch empfehlenswerteste – Option, die Erkrankung zu managen. „Viele Katzen lassen sich mit Thyreostatika nicht gut einstellen, die Medikamente verursachen Nebenwirkungen, oder die Verabreichung von Tabletten ist, bei Katzen nicht ganz unüblich, schwierig bis unmöglich. Bei der Radiojodtherapie kann in etwa 95 Prozent der Fälle mittels einmaliger bis zweimaliger Therapie eine langfristige Besserung oder Heilung erzielt werden“, kommentiert Dr. Pagitz diesen Sachverhalt. In der Theorie funktioniert dieser Therapieansatz so, dass sich radioaktives Jod in den hyperplastischen Zellen der Thyreoidea anreichert und diese zerstört. Die atrophierten normalen Zellen nehmen nur geringe Mengen auf und sind danach wieder funktionell.

Wie sieht das in der Praxis aus?

„Überweisende Tierärzte sollten“, so betont der nuklearmedizinische Spezialist Pagitz, „nicht zu lange warten, bis sie eine Überweisung zur Radiojodtherapie in Betracht ­ziehen. Wenn eine Hyperthyreose diagnostiziert wird, sollte mit thyreostatischen Medikamenten gestartet werden, um die Katze möglichst in einen euthyreoten Zustand zu bringen. Stellt sich heraus, dass die Katze schwierig einzustellen ist, oder haben die Besitzer Probleme mit der Applikation der Medikamente, wäre es empfehlenswert, gleich einen Termin bei uns zu reservieren, bevor sich die Katze massiv verschlechtert. Die Wartezeit beträgt einige Wochen – im optimalen Fall ist die Katze in einem klinisch stabilen Zustand, wenn sie zu uns kommt. Dies ist die ­Voraussetzung für eine Kurznarkose, da ich vor der Radiojodtherapie, wenn es möglich ist, eine Szintigrafie mache. Außerdem ist der stabile Zustand auch wichtig, damit die Katze danach fünf Tage in unserem Strahlenschutzbereich, in dem keine intensivmedizinische Betreuung möglich ist, untergebracht werden kann.“

Was sollte ein Tierarzt vor der Überweisung abklären und beachten?

„Vor dem Termin sollte abgesehen von der Diagnose der Hyperthyreose und dem Start mit thyreostatischen Medikamenten ein Blutlabor gemacht werden, das maximal vier Wochen alt ist. Ein paar Tage vor dem Termin sollte die Katze vom Tierarzt noch einmal gründlich klinisch untersucht werden, um sicherzugehen, dass sie narkosefähig ist. Thyreostatika sollten fünf Tage vor der ­Radiojodtherapie abgesetzt werden, damit die Befunde der Szintigrafie ­besser interpretierbar sind. Eine Ausnahme bilden Katzen, die trotz medikamentöser Therapie hochgradig hyperthyreot sind – bei diesen braucht die Therapie nicht abgesetzt zu werden. Außerdem sind alle Befunde, welche den Verlauf der Erkrankung dokumentieren, von Vorteil; somit kann ich beurteilen, wie die Katze auf bisherige Therapien reagiert hat“, erläutert Dr. Pagitz. Weiters erklärt er detailliert den praktischen Ablauf der Therapie: „Die Besitzer bringen die Katze Montagfrüh nüchtern an die Klinik, dann folgt ein genaues Aufklärungsgespräch über mögliche Risiken bei der Narkose und Komplikationen nach der Therapie und vor allem auch über das Management zu Hause mit der – noch immer Strahlung absondernden – Katze. Gleich danach bekommt die Katze einen Venenkatheter gesetzt und wir starten. Dass die Katze nüchtern ist, ist die Voraussetzung für eine Szintigrafie in Kurznarkose, die ich nach Möglichkeit vor jeder Radiojodtherapie mache.“

Die Szintigrafie sei ihm sehr wichtig, führt der Nuklearmediziner aus: „Mit dieser Methode können wir erstens eine Hyperthyreose bestätigen, was in manchen grenz­wertigen Fällen wichtig ist, und zweitens bekomme ich ein Gefühl dafür, wie stark die Hyperthyreose ausgeprägt ist; diese Information ist für die Dosisberechnung der Radiojodtherapie sehr wichtig. Weitere Vorteile der Szintigrafie sind, dass ich sehen kann, ob die Schilddrüse ein- oder beidseitig betroffen ist und ob es Hinweise auf ein sehr selten, aber doch vorkommendes Schilddrüsenkarzinom gibt.“ Anschließend wird mit den szintigrafischen Informationen die Dosis berechnet. Ist die Katze allerdings nicht stabil genug für eine Anästhesie, wird die Szinti­grafie ­ausgelassen. Dr. Pagitz verabreicht zwischen 100 und 185 MBq Iod131 i. v., danach wird der Venenkatheter entfernt. Die Katze bleibt im Normalfall bis zum darauffolgenden Freitag stationär im Strahlenschutzbereich, zu welchem nur autorisiertes Personal mit Dosimeter Zugang hat. Des Weiteren erklärt der Internist: „Die Katzen haben einen großen Käfig, wo sie sich gut bewegen können, dreimal täglich sieht ein Arzt oder Pfleger nach ihnen. Sollte die Katze ein spezielles Futter benötigen, muss dieses von den Besitzern mitgebracht werden. Im Falle von gebarften Katzen bitten wir darum, die Katze vorher auf Fertigfutter ­umzustellen, da es für uns im Klinikalltag nicht möglich ist, extra zu kochen. Es gibt auch ängstliche Katzen, welche die Futteraufnahme bei uns verweigern – meist bekommen wir das aber mit appetitanregenden Medikamenten gut in den Griff. Besucht werden darf die Katze aus Strahlenschutzgründen in dieser Zeit nicht, und falls Polster und Decken mit­gegeben werden, müssen diese von uns nach dem Auf­enthalt ­entsorgt werden, denn auch diese strahlen radioaktiv.“

Wieso müssen die Katzen fünf Tage separiert werden – und welche Maßnahmen sind zu Hause nötig?

Dr. Pagitz klärt auf: „Die Katzen geben nach der Therapie noch einige Zeit Strahlung ab, es dauert fünf bis sechs Tage, bis ein Grenzwert ­erreicht wird, mit dem die Katzen in häusliche Obhut entlassen werden können. Wir messen die radioaktive Emission der Katze mit einem Geigerzähler. Wenn der Wert noch zu hoch ist, muss die Katze noch einen Tag länger, also bis Samstag, bleiben.“ Abgesehen von der verabreichten Dosis wird die Dauer bis zum Erreichen dieses Grenzwerts vor allem vom Harn- und Kotabsatz, über den das radioaktive Jod ausgeschieden wird, beeinflusst: „Manche Katzen halten den Kot zurück, weil sie sich unwohl fühlen in der fremden Umgebung; dann dauert es länger, bis die Strahlung sinkt. Wenn sie gar nicht absetzen wollen, bekommen sie ein Mikroklist verabreicht.“

Das Thema der Strahlung begleitet die Besitzer allerdings auch noch weitere zwei Wochen zu Hause. „Die Katze sollte möglichst wenig Kontakt zu den Besitzern haben, im besten Fall sollte ein Abstand von zwei Metern eingehalten werden. Kinder, schwangere oder stillende Frauen sollten für diese zwei Wochen gar keinen Kontakt zu der Katze haben“, betont der Internist. „Besonders wichtig ist auch, dass das Katzenkisterl mit Handschuhen gereinigt wird und Kot sowie Harn für eine Woche über die Toilette entsorgt werden. Das heißt, die Katze sollte vorab an toilettengeeignete Katzenstreu gewöhnt werden. Wird diese nicht akzeptiert und können die Besitzer die Ausscheidungen somit nicht über die Toilette entsorgen, müssen ­diese unter bestimmten Voraussetzungen zwischengelagert werden.“

So viel zum Ablauf dieser Therapie – was passiert danach?

„Wir empfehlen eine Kontrolle des T4-Werts und auch der Nierenwerte zwei bis vier Wochen nach der ­Therapie. In diesem Zeitraum sind 85 Prozent der Katzen eu- oder hypothyreot. Viele Katzen leiden in den ersten Wochen danach an einer transienten Hypothyreose, da die verbleibenden Schilddrüsenareale erst wieder anfangen müssen, Hormone zu produzieren. Nur wenn die Katze klinische Symptome einer Hypothyreose oder erhöhte Nierenwerte hat, wird Thyroxin substituiert. Eine permanente Hypothyreose kommt in etwa acht bis zehn Prozent vor. Wenn die Katze nach sechs Monaten noch immer zu niedrige T4-Werte hat, muss Thyroxin substituiert werden“ – was aber, so betont Dr. Pagitz, aufgrund der besseren Akzeptanz des Medikaments einfacher zu managen ist als die Gabe von Thyreostatika. „Bei der T4-Kontrolle nach sechs Monaten sind 95 Prozent der Katzen eu- oder hypothyreot, die restlichen fünf Prozent, die noch immer an einer ­Hyperthyreose leiden, benötigen eine zweite Radiojodtherapie. Selten kommt es vor, dass der T4-Wert nach der Therapie kaum fällt und die Katze auch klinisch keine Besserung zeigt. In diesen Fällen ist es nötig, Thyreostatika einzusetzen; der Erfolg besteht aber dahin gehend, dass solche Katzen vor der Radiojodtherapie mit Medikamenten nicht mehr einstellbar waren, danach aber medikamentös wieder kon­trollierbar sind. Was auch passieren kann, ist, dass die Katze ein bis zwei Jahre nach der Therapie wieder eine Hyperthyreose entwickelt.“ Damit wären wir nun beim Thema Lebenserwartung.

Wie lange leben Katzen im Schnitt nach einer Radiojodtherapie?

Darauf kann Dr. Pagitz keine generell gültige Antwort geben: „Die meisten unserer Katzen sind schon älter, ­zwischen 12 und 15 Jahre alt, die Lebenserwartung ist je nach zusätzlichen Erkrankungen im Schnitt ein bis drei Jahre, meist sterben die Katzen dann an einer anderen Erkrankung.“ Nun ist es bekannterweise leider so, dass viele ältere Katzen gleichzeitig eine Hyperthyreose und eine chronische Niereninsuffizienz haben – ist denn bei diesen Katzen auch eine Radiojodtherapie empfehlenswert? „Ja“, betont Dr. Pagitz, „eine Nierenerkrankung schließt eine Therapie der Hyperthyreose nicht aus. Allerdings muss man bei diesen Patienten sehr genau darauf achten, dass sie nie in einen hypothyreoten Zustand fallen, der die Nierendurchblutung herabsetzt. Die T4-Kontrolle sollte bereits eine Woche nach der Radiojodtherapie erfolgen, das Hormon sollte im Falle einer Hypothyreose sofort ersetzt werden. Ist die Katze bereits vor dem Beginn einer Therapie mit Thyreostatika in einem fortgeschrittenen Stadium einer Nierenerkrankung und hat eine Lebenserwartung von unter einem Jahr, muss man die Kosten-Nutzen-­Relation abwägen und überlegen, ob die medikamentöse Therapie für diesen überschaubaren Zeitraum nicht besser wäre. Die Kosten für die hier geschilderte Therapie in der Abteilung für Nuklearmedizin betragen zurzeit 950 Euro, die Radiojodtherapie, die Szintigrafie in Kurznarkose und der stationäre Aufenthalt inklusive; dazu kommen die Futterkosten.“

Abschließend fasst Dr. Pagitz zusammen, dass eine Radio­jodtherapie in den meisten Fällen einer Hyperthyreose die Therapie der Wahl ist, denn die Wahrscheinlichkeit, dass die Katze ohne jegliche weitere Medikation oder potenzielle Nebenwirkungen dieser „managbar“ wird, ist sehr hoch. Man bräuchte sich als Besitzer keine Gedanken mehr darum machen, ob der Freigänger zeitgerecht heimkommt, um seine Tablette abzuholen, oder die Urlaubsbetreuung die Medikamentenapplikation schafft, und auch häufige Kontrollen beim Tierarzt zur Einstellung der Therapie fallen weg. Dr. Pagitz wird noch bis Ende April der Ansprechpartner für die Radiojodtherapie sein, danach übernimmt Dr. Florian Zeugswetter diese Aufgabe.