Rassen mit Qualzuchtmerkmalen und die gesundheitliche Beeinträchtigung dieser Tiere standen im Oktober im Mittelpunkt eines Round-Table-Gesprächs in der Tierärztekammer. Hochkarätige ExpertInnen, darunter Dr. Michael Kreiner, Präsident des Österreichischen Kynologenverbands (ÖKV), Dr. Irene Sommerfeld-Stur, Populationsgenetikerin und Expertin auf dem Gebiet der Hundezucht sowie ehemalige Dozentin an der Vetmeduni Wien, Dr. Gabriele Damoser, Leiterin der Abteilung Tierschutz des Sozialministeriums, Amtstierarzt Dr. Norbert Tomaschek und Kerstin Weich, MA, Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Messerli-Forschungsinstituts, diskutierten mit VertreterInnen der ÖTK wie Präsident Mag. Kurt Frühwirth, Vizepräsidentin Dr. Gloria Gerstl-Hejduk und Dr. Manfred Hochleithner von der Landesstelle Wien.
„Ziel unseres fachlichen Austauschs ist die Festlegung einer gemeinsamen Strategie und die gemeinsame Positionierung gegenüber der Öffentlichkeit“, sagte Mag. Frühwirth eingangs und betonte die Wichtigkeit einer übereinstimmenden tierärztlichen Meinung gegenüber Qualzuchten. „Die Österreichische Tierärztekammer bildet die Plattform für eine interdisziplinäre Diskussion“, so Frühwirth. Seitens des ÖKV stellte Präsident Kreiner das Projekt „Konterqual“ vor, das ursprünglich von Gesetzgeberseite initiiert wurde und von der organisierten Kynologie entsprechende Maßnahmen forderte. Das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit Genetikerin Sommerfeld-Stur entwickelt; Ziel war es, die Gesundheit der Rassehunde zu steigern sowie Zucht- und Halteverbote zu verhindern. Bereits bestehende Qualzucht-Bekämpfungsmaßnahmen wurden in das Projekt mit einbezogen, etwa Maßnahmen gegen Hüftgelenksdysplasie, Augenerkrankungen oder Taubheit.
„Die organisierte Kynologie hat großes Interesse, nur gesunde Hunde zu züchten, eine Übertypisierung von Standards ist nicht unser Bestreben. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Österreich ein kleines Land ist und in einem internationalen Kontext gesehen werden muss. Beispielsweise herrschen in Großbritannien ganz andere Spielregeln als bei uns, und in Osteuropa, Asien oder Südamerika gibt es kaum Verständnis für Tierschutz, da werden wir nur belächelt“, sagte Kreiner und meinte weiter: „Lediglich 15 bis 20 Prozent der österreichischen Rassehunde stammen von heimischen Züchtern, der Rest sind Importhunde aus dem Ausland. Ein Beispiel dazu: Bei der Stadt Wien sind über 700 Möpse gemeldet, unsere Züchter geben aber jährlich nur rund 40 Möpse ab.“
Durch Wissen aufklären
Befeuert durch die Werbeindustrie verlange der Markt nach extremen Erscheinungsmerkmalen – die kurznasigen Rassen erlebten in den letzten Jahren einen regelrechten Hype. Tiere aus Hinterhofzuchten mit schlechten Lebensumständen und zu billigsten Preisen seien ein massives Problem. Veränderungen könne man nur durch Aufklärung und Bewusstseinsbildung in der breiten Öffentlichkeit bewirken.
Dazu Sommerfeld-Stur: „Eine verpflichtende Kaufberatung vor der Anschaffung eines Hundes ist unumgänglich. Zudem muss man Billigimporte endlich verbieten – die Tiere sind meist krank und nicht sozialisiert.“ Dem pflichtete auch Amtstierarzt Tomaschek bei: „Der Käufer, die Käuferin sind die Entscheider, wissen allerdings oft zu wenig Bescheid.“ Auch ÖTK-Vizepräsidentin Gerstl-Hejduk, die selbst auch in ihrer täglichen Praxisarbeit mit dem Unwissen der HundehalterInnen kämpft, sagt: „Die wenigsten potenziellen HundehalterInnen informieren sich im Vorfeld über die Rasse oder beschäftigen sich mit extremen Zuchtmerkmalen. Tierärzte werden meist erst hinzugezogen, wenn es schon zu spät ist.“ Die Tierärzteschaft müsse HundekäuferInnen auch dahin gehend sensibilisieren, dass sie – beispielsweise im Falle einer Brachycephalie – das Tier nicht nur operieren lassen und dabei die Kosten von mehreren Tausend Euro in Kauf nehmen, sondern auch den Züchter offenlegen und bei der Behörde melden“, so Tomaschek.