Qualzucht –

quo vadis?

Mag. Silvia Stefan-Gromen
ÖTK-Abteilungsleiterin Medien & Kommunikation 

Die Tierärztekammer lud am 18. Oktober 2018 zu einem Round-Table-Gespräch zum Thema „Qualzucht – quo vadis?“. Das Ziel war eine österreichweite interne fachliche Bestandserhebung. Die tierärztliche Expertise wurde durch die Sicht des Gesetzgebers ergänzt und auch das ÖKV-Projekt „Konterqual“ wurde dargestellt. Ein Ausblick und jeweilige fachliche Handlungsoptionen abseits des eingeforderten Stopps der Qualzucht wurden ebenso eingeholt. 

Rassen mit Qualzuchtmerkmalen und die gesundheitliche Beeinträchtigung dieser Tiere standen im Oktober im Mittelpunkt eines Round-Table-Gesprächs in der Tierärztekammer. Hochkarätige ExpertInnen, darunter Dr. Michael Kreiner, Präsident des Österreichischen Kynologenverbands (ÖKV), Dr. Irene Sommerfeld-Stur, Populationsgenetikerin und Expertin auf dem Gebiet der Hundezucht sowie ehemalige Dozentin an der Vetmeduni Wien, Dr. Gabriele Damoser, Leiterin der Abteilung Tierschutz des Sozialministeriums, Amtstierarzt Dr. Norbert Tomaschek und Kerstin Weich, MA, Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Messerli-Forschungsinstituts, diskutierten mit VertreterInnen der ÖTK wie Präsident Mag. Kurt Frühwirth, Vizepräsidentin Dr. Gloria Gerstl-Hejduk und Dr. Manfred Hochleithner von der Landesstelle Wien.

„Ziel unseres fachlichen Austauschs ist die ­Festlegung einer gemeinsamen Strategie und die gemeinsame Positionierung gegenüber der Öffentlichkeit“, sagte Mag. Frühwirth eingangs und betonte die Wichtigkeit einer übereinstimmenden tierärztlichen Meinung gegenüber Qualzuchten. „Die Österreichische Tierärztekammer bildet die Plattform für eine interdisziplinäre Diskussion“, so Frühwirth. Seitens des ÖKV stellte Präsident Kreiner das Projekt „Konterqual“ vor, das ursprünglich von Gesetzgeberseite initiiert wurde und von der organisierten Kynologie entsprechende Maßnahmen forderte. Das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit Genetikerin Sommerfeld-Stur entwickelt; Ziel war es, die Gesundheit der Rassehunde zu steigern sowie Zucht- und Halteverbote zu verhindern. Bereits bestehende Qualzucht-Bekämpfungsmaßnahmen wurden in das Projekt mit einbezogen, etwa Maßnahmen gegen Hüftgelenksdysplasie, Augenerkrankungen oder Taubheit. 

„Die organisierte Kynologie hat großes Interesse, nur gesunde Hunde zu züchten, eine Übertypisierung von Standards ist nicht unser Bestreben. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Österreich ein kleines Land ist und in einem internationalen Kontext gesehen werden muss. Beispielsweise herrschen in Großbritannien ganz andere Spielregeln als bei uns, und in Osteuropa, Asien oder Südamerika gibt es kaum Verständnis für Tierschutz, da werden wir nur belächelt“, sagte Kreiner und meinte weiter: „Lediglich 15 bis 20 Prozent der österreichischen Rassehunde stammen von heimischen Züchtern, der Rest sind Importhunde aus dem Ausland. Ein Beispiel dazu: Bei der Stadt Wien sind über 700 Möpse gemeldet, unsere Züchter geben aber jährlich nur rund 40 Möpse ab.“

Durch Wissen aufklären

Befeuert durch die Werbeindustrie verlange der Markt nach extremen Erscheinungsmerkmalen – die kurznasigen Rassen erlebten in den letzten Jahren einen regelrechten Hype. Tiere aus Hinterhofzuchten mit schlechten Lebensumständen und zu billigsten Preisen seien ein massives Problem. Veränderungen könne man nur durch Aufklärung und Bewusstseinsbildung in der breiten Öffentlichkeit bewirken.

Dazu Sommerfeld-Stur: „Eine verpflichtende Kaufberatung vor der Anschaffung eines Hundes ist unumgänglich. Zudem muss man Billigimporte endlich verbieten – die Tiere sind meist krank und nicht sozialisiert.“ Dem pflichtete auch Amtstierarzt Tomaschek bei: „Der Käufer, die Käuferin sind die Entscheider, wissen allerdings oft zu wenig Bescheid.“ Auch ÖTK-Vizepräsidentin Gerstl-Hejduk, die selbst auch in ihrer täglichen Praxisarbeit mit dem Unwissen der HundehalterInnen kämpft, sagt: „Die wenigsten potenziellen HundehalterInnen informieren sich im Vorfeld über die Rasse oder beschäftigen sich mit extremen Zuchtmerkmalen. Tierärzte werden meist erst hinzugezogen, wenn es schon zu spät ist.“ Die Tierärzteschaft müsse HundekäuferInnen auch dahin gehend sensibilisieren, dass sie – beispielsweise im Falle einer Brachycephalie – das Tier nicht nur operieren lassen und dabei die Kosten von mehreren Tausend Euro in Kauf nehmen, sondern auch den Züchter offenlegen und bei der Behörde melden“, so Tomaschek.

 
Vollzug ist Ländersache

Die rechtlichen Grundlagen seitens des Gesetzgebers seien ausreichend gegeben, so Expertin Damoser – „nur dass der Vollzug Landessache ist, ist einschränkend. Da sind uns die Hände gebunden.“ Vor zwei Jahren habe es bereits seitens des Ministeriums eine Arbeitsgruppensitzung zum Thema Qualzucht gegeben, bei der auch das vom Ministerium geförderte Projekt Konterqual vorgestellt wurde. „Es wurde ein Folder zum Thema Qualzucht veröffentlicht und es gab Überlegungen zu einem Heimtierzuchtgesetz, allerdings ist Zucht in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache. Bedauerlich ist die Tatsache, dass bereits seit einigen Jahren niemand auf der Vetmeduni Wien als AnsprechpartnerIn zum komplexen Thema der Qualzucht bei Heimtieren zur Verfügung steht“, so Damoser. 

Universitäres Angebot ausbauen

Die ExpertInnenrunde war sich unisono einig, dass eine stärkere Verankerung der Qualzuchtthematik mittels entsprechendem Angebot in Ausbildung, Lehre und Forschung, auch an der Vetmeduni Wien, angestrebt werden muss. Dazu die wissenschaftliche Mitarbeiterin Kerstin Weich: „Die differenzierte Behandlung der moralischen Aspekte der Qualzucht würde nach mehr Zeit und Raum in der Lehre der Ethik verlangen, als bisher in das Curriculum integriert werden konnte.“ Dabei habe die fundierte Auseinandersetzung mit aktuellen ethischen Debatten unmittelbaren Einfluss auf die Wahrnehmung der Tierärzteschaft in der Öffentlichkeit, mit der man einem gewissen gesellschaftlichen Vertrauensverlust gegenüber Veterinären entgegenwirken könne. „Man wird sich die Frage ,Welche Werte vertritt der Tierarzt, die Tierärztin?‘ über kurz oder lang gefallen lassen müssen“, so Weich. Der Bedarf für die Praxis sei aber stark vorhanden: Präsident Kreiner unterstrich die dringende Nachfrage nach tierärztlich entwickelten Screening-Verfahren, die für die Zucht verwendet werden können. „In der Diagnostik muss es eine klare Definition geben, was qualzuchtrelevant ist und was nicht. Wir brauchen eine Objektivierbarkeit und Messbarkeit, um Maßnahmen setzen zu können“. ÖTK-Präsident Frühwirth stimmte zu und meinte abschließend: „Seitens der Tierärztekammer werden wir alle Anstrengungen vornehmen, um in vielen themenspezifischen Bereichen an den Schrauben zu drehen. Wir müssen durch Aufklärungsarbeit mehr Bewusstseinsbildung erreichen. Wir werden auch Gespräche mit der Werbeindustrie suchen, um gemeinsam eine Verbesserung für die Tiere zu erreichen. Wenn alle Beteiligten politische Verantwortung übernehmen und auch ihre Vorbildfunktion erfüllen, dann können wir gemeinsam viel erreichen.“

 Forderungskatalog:

1. Ausbau und Förderung des Wissens um die Qualzuchtproblematik mittels entsprechendem Angebot in Ausbildung, Lehre und Forschung, auch an der Vetmeduni Wien.

2. Aufklärung der Tierärzteschaft bezüglich Screening und Diagnostik – es muss eine klare Definition geben, was qualzuchtrelevant ist und was nicht. Objektivierbarkeit und Messbarkeit müssen gegeben sein, um Maßnahmen setzen zu können.

3. Verstärkte Öffentlichkeitsarbeit: Informieren breiter Bevölkerungsschichten zum Thema Qualzuchtmerkmale mittels Aufklärungskampagnen und bewusstseinsbildenden Maßnahmen. 

4. Sensibilisierung der Werbeindustrie, um Werbung mit Qualzuchtrassen künftig zu verhindern. 

5. Verpflichtende Beratung von künftigen Hunde-besitzerInnen vor dem Kauf eines Hundes.

6. Verbesserungen beim Vollzug der rechtlichen Grundlagen auf Länderebene.