Behandlung einer purulenten Stichwunde

mit Periostitis mittels klassischer Homöopathie

Mag. med. vet. Karin Schmid
Tierarztpraxis Schmid, 3240 Mank

Der vorliegende Fallbericht zeigt die Behandlung einer Verletzung mittels einer homöopathischen Arznei in einer Hochpotenz.

Patient

Pferd „Ramosch“, Warmblut, männlich, kastriert,
22 Jahre, chronische Erkrankung: equines Asthma.

Anamnese

Seit mindestens 48 Stunden (genauer Zeitpunkt unbekannt) weist das Pferd eine Wunde am rechten Hinterbein auf. Die Besitzerin hat diese Wunde vorerst als oberflächliche Exkoriation eingestuft. Da das Bein jedoch am 20. 9. 2016 eine Schwellung aufweist und eine Lahmheit zeigt, wurde eine Visite bestellt (Abb. 1).

Klinische Untersuchung (20. 9. 2016)

Vorgestellt wurde ein 22 Jahre alter Warmblut-Wallach mit equinem Asthma. Das Allgemeinverhalten zeigte sich ungestört. Eine Stützbeinlahmheit 2. Grades von 5 (0) liegt an der rechten Hinterextremität vor. Die innere Körpertemperatur beträgt 37,3 °C, Schleimhäute o. b. B. Kapillarfüllungszeit < 2 Sec. Futter- und -Wasseraufnahme unverändert. Lymphknoten o. b. B., Puls 40, AF 10.

Die Wunde befindet sich lateral, proximal des Tarsal-gelenks am rechten Hinterbein und verläuft strichförmig auf einer Länge von circa 10 cm (Abb. 2 und 3), circa in der Mitte zeigt sich eine fistelnde Wundöffnung – bedeckt durch Schorf. Das Bein zeigt eine ggr. Schwellung sowie Schmerzhaftigkeit im Bereich der Wunde. Der Wundrand zeigt eine ggr. Wundrandnekrose. Aus der Wunde tritt ggr. purulentes Exsudat aus. Die Sondierung der Wunde zeigt einen Kanal circa 4 cm nach proximal. Es erfolgt eine Wundreinigung mit Povidon-Jod-Seife, die Umgebung wird rasiert. Mittels Fassisi-Tetacheck wird der Tetanus-Titer überprüft. Der Titer ergibt > 0,1 IE. Da der Patient in der Vergangenheit auf Impfungen mit Asthmaschüben reagiert hat, wird daher auf eine Boosterung und die Injektion von Antitoxin verzichtet. Eine Eröffnung der Sehnenscheide des M. ext. digit. lat. -konnte nicht ausgeschlossen werden, eine Punktion der Sehnenscheide wurde wegen Kostenminimierung auf Wunsch der Besitzerin nicht durchgeführt.

Röntgen

Um das Ausmaß des Wundkanals zu überprüfen und eine Fissur bzw. Fraktur auszuschließen, werden zwei Röntgen-bilder aus unterschiedlichen Winkeln angefertigt (lateral und a.p.) – Abb. 4.

Mehr als zwei Ebenen sowie ein Nachröntgen nach zehn bis 14 Tagen wurden wegen Kostengründen auf Wunsch der Pferdebesitzerin nicht durchgeführt.

Diagnose

Infizierte purulente Stichwunde mit Wundkanal circa. 4 cm nach distal und nach proximal. Die distale Tibia weist Zeichen einer Periostitis auf.

Therapie und weiterer Verlauf

Die Besitzerin wurde über die Lege-artis-Behandlung aufgeklärt und hat sich für eine homöopathische Behandlung entschieden. Aus Kostengründen wurde auf eine Keimbestimmung verzichtet. Es wurde eine engmaschige Überwachung bzw. Kommunikation über den Verlauf vereinbart, um gegebenenfalls die Verabreichung von Antibiotika zu starten. Aus früheren Behandlungen des Pferdes ist mit einer guten Compliance der Besitzerin zu rechnen, welche wesentlich ist, um den Therapieerfolg einzuschätzen.

Homöopathische Anamnese

Für die Wahl des individuellen Arzneimittels ist eine Anamnese unter homöopathischen Gesichtspunkten notwendig. Da es sich um eine Akutbehandlung handelt, ist eine relativ kurze Anamnese ausreichend und die Causa wegweisend.

Causa: Verletzung, Stichverletzung, Fremdkörper

Aussehen der Wunde: Fistel, Wundränder hart 

Art des Eiters (Farbe, Menge, Konsistenz, Geruch,
wundfressend oder mild): gelb, spärlich, Konsistenz unauffällig, Geruch unauffällig, wundfressend (Fistel)

Schmerzhaftigkeit: geringe Schmerzhaftigkeit

Die Arznei wurde aufgrund der vorliegenden Symptome gewählt. Als Hilfsmittel für die Abgleichung der

-Symptome mit den homöopathischen Arzneimittel-bildern wurde Radar Opus Light 2.0 (1) herangezogen.
Mithilfe einer Computer-Repertorisation ist eine -rasche Auffindung der passenden Arznei möglich. In der -Vergangenheit zeigte das Pferd bereits mehrfach eine Verschlechterung des equinen Asthmas nach Impfungen. Beschwerden nach Impfungen sind bei Silicea terra ein bekanntes Symptom (2,3). Das Arzneimittelbild von Silicea terra beinhaltet infizierte Wunden mit harten Wundrändern und purulenter Exsudation (4). 

Silicea terra ist ebenfalls charakterisiert durch Eiterungen mit Fistelbildung, verursacht durch das Eindringen von Fremdkörpern. Hepar sulfuris ist durch starke Schmerzhaftigkeit charakterisiert, daher wird dieses Mittel ausgeschlossen (5).

20. 9. 2016: Durch die Autorin werden einmalig fünf Stück Globuli Silicea terra C30 oral verabreicht.

22. 9. 2016: Deutliche Verringerung der Schwellung sowie der Lahmheit. Kaum Schmerzhaftigkeit vorhanden, Beginn der Proliferationsphase, deutlich ­weichere Wundränder, vermehrte Exsudation (Reinigungs­prozess) – Abb. 6.

Als Grundsatz homöopathischer Verschreibung gilt, eine Arznei nicht zu wiederholen, solange eine ­sichtbare Besserung vorhanden ist (6). Aufgrund der deutlichen
Besserung der Klinik – Rückgang der Schwellung, Lahmheit abnehmend, deutliche Reduzierung der Schmerzhaftigkeit, beginnende ­Reinigungsprozesse – wird auf eine weitere Gabe verzichtet. Der weitere Wund­heilungsverlauf wird mit regelmäßigen Bildern von der Pferdebesitzerin dokumentiert – Abb. 7–9.

Am 28. 9. 2016 erfolgt eine abschließende Visite. Die Wunde ist vollständig ausgranuliert, die Oberfläche glatt und die beginnende Dermisbildung ist erkennbar. Das Pferd zeigt keine Lahmheit.

Diskussion

Die homöopathische Behandlung des vorliegenden ­Falles zeigt eine rasche, komplikationslose Abheilung der infizierten Wunde trotz Infektion und Knochenbeteiligung (7). Chirurgische und antibiotische Intervention konnte vermieden werden. Die Dauer der Wundheilung, ausgehend von der homöopathischen Behandlung (20. 9. 2016) bis zum vollständigen Verschluss durch Granulations­gewebe mit beginnender Dermisbildung (28. 9. 2016), beträgt acht Tage.

Kontaminierte Stichwunden erfordern eine Intervention mit Antibiotika. Miteinbeziehung von synovialen Strukturen und Knocheninfektionen erfordern meist eine chirurgische Versorgung der Wunden und bergen das Risiko von Komplikationen wie Sepsis und Osteomyelitis (8,9).

Antimikrobielle Resistenzen, die sich aus der Verwendung von antimikrobiellen Wirkstoffen in der Veterinärmedizin ergeben, verursachen Probleme für die öffentliche Gesundheit (10).  

Die Vermeidung von Antibiotikaeinsatz ist deshalb ein wichtiger Beitrag zur Verhinderung von Resistenz­bildungen (11). Aus diesem Grund fordert die WHO ihre Mitgliedsstaaten auf, Komplementärmedizin in das bestehende nationale Gesundheitssystem zu integrieren (12). Die europäische Kommission ihrerseits fordert die Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika und alternativer Methoden für Mensch und Tier (11).

Schlussfolgerung

In der homöopathischen Literatur wird Silicea terra als homöopathisches Arzneimittel für Eiterungen, Verletzungen durch Fremdkörper, Fisteln und Wundheilungsstörungen (3) beschrieben. Im vorliegenden Fall kann diese Indikation bestätigt werden. Dieser Fallbericht zeigt, dass infizierte Wunden homöopathisch sicher behandelt werden können. Die rasche Wundheilung ohne jegliche Komplikation zeigt den guten Erfolg der Behandlung, und der Einsatz von Antibiotika und NSAIDs konnte vermieden werden. 

Um die Sicherheit homöopathischer Behandlungen zu gewährleisten, sind eine fundierte Arzneimittelauswahl sowie eine gute Compliance des Besitzers und Über­wachung erforderlich.

0 Stashak, T. S. (1989b). Lahmheitsdiagnostik In: Adam’s Lahmheit bei Pferden. / Hrsg. T. S. Stashak. – Hannover: Verlag Schaper, 4. Aufl., S. 100–151

1 Homöopathie-Software: Radar Opus Light 2.0

2 Boericke, Wiliam, (2002). Silicea terra in: Homöopathische Mittel und ihre Wirkungen: Materia medica, Grundlagen und Praxis, 7. Aufl., 2002, 423–425

3 Krüger, Christiane P. (2006). Praxisleitfaden Tierhomöopathie – vom Arzneimittelbild zum Leitsymptom, Sonntag Verlag, 1. Aufl., 334–342

4 Weiermayer, Petra (2018). Wound healing disorder in a horse, associated with antimicrobial resistant bacteria, resolved with a homeopathic medicine – a case report, Journal of Equine Veterinary Science, doi: 10.1016/j.jevs.2018.02.027.

5 Fraefel D. (2009). Tierhomöopathie-Kongress in Badenweiler, 

6 Hahnemann S. (2006). Organon der Heilkunst, Elsevier, 2. Aufl., § 246, 177.

7 Schön S., Fürst A. (2012). Wundheilung beim Pferd.
Newsletter Stiftung Forschung für das Pferd, 39 (3): 22–28.

8 Quinn G. (2010). Management of large wounds in horses,
In Practice, 32: 370–381.

9 Dietz O. und Rijkenhuizen A. (2006). Wunden und Entzündungen der Sehnenscheiden am Sprunggelenk.
In: Dietz O. und Huskamp B.: Handbuch Pferdepraxis, Enke, Stuttgart, 3. Aufl., 911–912

10 Törneke K., Torren-Edo J., Grave K., Mackay D. K. (2015). The management of risk arising from the use of antimicrobial agents in veterinary medicine in EI/EEA countries – a review.

J Vet Pharmacol Ther 38(6): 519–28

11 ec.europa.eu/health/amr/sites/amr/files/amr_action_plan_2017_en.pdf. Last access: March 7th, 2018. European Commission. A European One Health Action Plan against Antimicrobial Resistance (AMR).

12 www.who.int/medicines/areas/traditional/en/.


Last access: February 2, 2018. World Health Organization WHO. Traditional Medicine Strategy: 2014–2023.