Mag. Angelika Kramer
Redakteurin Wirtschaftsmagazin „trend“
Emotionen haben eine große Bedeutung für die Verständigung zwischen Tierarzt und Patientenbesitzer – darüber haben wir mit Kommunikationsexpertin Britta Blumencron und Werner Beninger, Chef der PR-Agentur Milestones in Communication, gesprochen.
Herausragende ärztliche Qualitäten sowie Managementfähigkeiten gehören zum Einmaleins eines guten Tierarztes. Wie aber sieht es mit Kommunikationsskills und Öffentlichkeitsarbeit aus? Die Interviews zeigen: Emotionen spielen dabei eine entscheidende Rolle.
Frau Blumencron, als Kommunikationsexpertin schulen Sie auch regelmäßig Tierärzte. Welche Fragen zur Kommunikation beschäftigen diese am meisten?
Wir erleben seit einiger Zeit einen starken Wandel im Gesundheitsbereich. Davon ist die Veterinärmedizin nicht ausgenommen. Ich beobachte, dass der Bedarf an effektiver Kommunikation immer größer wird. Vor einiger Zeit etwa rief mich der Leiter einer größeren Kleintierpraxis an und schilderte mir sein Problem: Ein Kollege, der an sich ein Top-Fachmann ist, wurde von den Kunden eher gemieden, und der Wunsch lautete häufig, dass ein anderer Kollege das Haustier behandelt, obwohl dieser andere Kollege aufgrund seiner geringeren Erfahrung noch nicht über die Expertise verfügte wie Ersterer. Was lief da falsch? Der Leiter hatte schlicht nicht berücksichtigt, dass es zusätzlich zur Ebene der Krankheit und deren Behandlung auch eine zweite Ebene gibt: die der persönlichen Betroffenheit der Tierbesitzer. Und hier spielt die Gesprächsqualität die zentrale Rolle.
Welche Unterschiede bestehen in der Kommunikation von Ärzten und Tierärzten gegenüber ihren Kunden beziehungsweise Patienten?
Das mag für Außenstehende komisch klingen, aber: keine, weil die Grenzen zwischen Mensch und Tier verschwimmen! Menschen fühlen mit ihren Tieren. Sie bekommen unser Mitgefühl, also unsere Empathie. Empathie funktioniert artenübergreifend. Auf YouTube findet sich ein Video über einen Zwerghamster namens Zelda, dessen Besitzer ihm nach seinem Tod einen Film samt Hintergrundmusik, Grabkerze und Grabstein „In Erinnerung an Zelda“ gewidmet haben. Das Video wurde mehr als 120.000 Mal aufgerufen. In der Veterinärmedizin habe ich einen Patienten – das Tier – und dessen Besitzer. Technisch gesehen ist die Kommunikation mit Tierbesitzern also wie mit Angehörigen, mit allem, was dazugehört: Ängste, Sorgen, Betroffenheit.
Wie kann ich durch gute Kommunikation stressige Behandlungssituationen vermeiden?
Die Gesamtzufriedenheit von Kunden wird zu 60 Prozent durch eine gute Gesprächsqualität bestimmt. In der Vergangenheit ist dieser Umstand in den Curricula leider viel zu wenig berücksichtigt worden. Konflikte mit soge-
nannten „schwierigen“ Kunden können dann leicht passieren. Konfliktgeladene Kommunikation erzeugt Stress auf beiden Seiten, aufseiten des Tierbesitzers und aufseiten des Tierarztes. Und die Visiten dauern in der Regel dann auch länger, oder der Tierarzt verliert seinen Kunden. Inzwischen tut sich erfreulicherweise in der Ausbildung einiges und angehende Tierärzte werden auch in Kommunikation geschult. Aus meiner Sicht ist Kommunikation eine klinische Fähigkeit.
Was macht gute Kommunikation aus?
Kommunikation besteht immer aus vier Ebenen: Fachinhalte, Gesprächsführung, Umfeld und Beziehung. Somit sollte man immer vier Fragestellungen im Auge behalten: Werden die relevanten Fachinhalte besprochen? Welche verbalen und nonverbalen Verfahren unterstützen einen guten Gesprächsverlauf? In welchem zeitlichen und räumlichen Rahmen wird das Gespräch geführt? Welche Emotionen und Einstellungen hat mein Gegenüber und was lösen diese bei mir aus?
Wir erleben tagtäglich dann eine effektive Kommunikation, wenn alle vier Ebenen angesprochen werden, also die Sachebene und die Beziehungsebene. Und die Macht der nonverbalen und emotionalen Kommunikation ist groß. Wir wissen aus Studien, dass der überwiegende Anteil, wie unsere Botschaft vom Empfänger wahrgenommen wird, durch unsere eigene Körpersprache – Mimik, Gestik, Körperhaltung, Tonfall, Stimme – beeinflusst wird. Der Inhalt der Botschaft an mein Gegenüber schlägt sich hingegen nur mit schwachen sieben Prozent zu Buche.
Welche Rolle spielen Emotionen in einem Behandlungsgespräch?
Eine ganz zentrale! Bleiben wir beim Beispiel des Zwerghamsters Zelda. Wenn ich als Tierärztin das kranke Nagetier euthanasieren muss und währenddessen meine Assistentin frage, ob draußen noch viele Leute warten, werden Zeldas Besitzer mit ihrem neuen Schützling künftig wahrscheinlich nicht mehr meine Praxis besuchen. Wenn starke Emotionen im Spiel sind, ist es unerlässlich, zuzuhören und ganz auf die Patienten und Tierbesitzer einzugehen.
Das nennt man auch die Technik des aktiven Zuhörens. Wir wissen: In der Regel unterbricht ein Arzt, eine Ärztin nach 22 Sekunden das Gegenüber. Aber was sind schon 22 Sekunden, wenn jemand trauert? Es gibt die sogenannte Cambridge-Rule, die besagt, dass man den Patienten respektive Kunden in der ersten Minute nicht unterbrechen soll. Seien Sie aufmerksam und unterbrechen Sie nicht. Im Falle von Trauer hilft auch die Technik des Spiegelns: Sie sprechen die Emotion an, die Sie bei Ihrem Gegenüber gerade wahrnehmen, also etwa: „Das muss jetzt gerade sehr schwer sein für Sie.“ Damit signalisieren Sie Verständnis und Anerkennung im Sinne von: „Ich verstehe gut, dass Sie jetzt sehr traurig sind.“
Danach stellen Sie eine offene Frage: „Welche Fragen haben Sie an mich?“ Wenn der Tierbesitzer alleine ist und scheinbar zu aufgewühlt ist, um nach Hause zu fahren, ist es auch ratsam, zu fragen, ob Sie einen Angehörigen anrufen sollen, der ihn abholen kann.
Wie lange darf ein gutes Gespräch in der Praxis dauern?
Es ist ein sehr häufig geäußertes Bedenken von Ärzten und Pflegekräften, dass Patientengespräche ausufern könnten. Tatsache ist jedoch, dass gute kommunikative Kompetenzen helfen, Gespräche effizienter zu gestalten – und die Patienten oder Kunden sind am Ende zufriedener, rufen seltener an, weil noch Fragen offen sind, und die Compliance steigt auch nachweislich.
Herr Beninger, brauchen Tierarztpraxen überhaupt eine Website?
Jedem Unternehmer, der sich heute noch die Frage stellt, ob er eine Website braucht, muss man antworten: selbstverständlich – es sei denn, der Unternehmer will kein Geschäft machen. Das gilt damit natürlich auch für Tierärztinnen und -ärzte. Ohne einen Auftritt im Netz existiert auch ein Tierarzt de facto nicht mehr. Daher ist eine schlanke, ansprechende Website, die alle wesentlichen Informationen enthält, unbedingt nötig.
Wie sollte diese Website gestaltet sein?
Weniger ist hier oft mehr: Schöne, emotional -berührende Bilder und kurze, prägnante Texte sind wichtig. Mit der Website alleine ist es freilich nicht getan: Es ist auch dafür zu sorgen, dass diese Seite und damit die Tierarztpraxis auf Google gefunden wird. Zumindest für die erste Positionierung, die Suchmaschinenoptimierung, sollten Sie sich auch professioneller Hilfe bedienen. Danach heißt es, entsprechende Öffentlichkeitsarbeit zu machen, denn PR ist die beste Suchmaschinenoptimierung.
Wie sieht Öffentlichkeitsarbeit für Tierärzte optimalerweise aus?
Da es sich um ein sehr regionales Geschäft handelt, sollten Tierärzte ihre Öffentlichkeitsarbeit in dem Bezirk betreiben, wo sie ihren Sitz haben. Wichtig ist, immer zu bedenken, was das jeweilige Medium beziehungsweise dessen Leser interessieren könnte. Das kann eine rührende Story über einen schönen Behandlungserfolg sein, aber auch jahreszeitliche Tipps wie „Mit dem Hund auf Urlaub“ oder „Was tun mit Zwerghasen bei großer Hitze“. Noch besser ist es, wenn der Tierarzt die Redaktion des jeweiligen Bezirksmediums überzeugen kann, dass eine regelmäßige Kolumne den Lesern ein entsprechendes Service bietet.
Inwiefern sollten soziale Medien in ein PR-Konzept eingebunden werden?
Dabei handelt es sich um ein sehr wichtiges Tool. Über soziale Medien lassen sich potenzielle Kunden beziehungsweise Zielgruppen punktgenau erreichen. Als Tierarzt eine Facebook-Seite zu betreiben ist schon mit relativ geringem Aufwand möglich. Facebook bietet Bewertungen, unkomplizierte Kontaktaufnahme und die Möglichkeit, Kunden regelmäßig an die Praxis zu erinnern. Über die Facebook-Suche gefunden zu werden ist hier weit weniger entscheidend als die Möglichkeit, für ein paar Euro eine riesige Zielgruppe an Tierbesitzern zu erreichen. Stetiges Wachstum über Empfehlungen ist häufiger, wenn den Kunden der Name des Tierarztes sofort einfällt. Social Media sind hier eine einfache Form, um sich immer wieder in Erinnerung zu rufen.
Und Facebook ist erwachsen geworden: Die Hälfte -aller Österreicher hat ein Facebook-Konto. Das Durchschnittsalter steigt mit jedem Monat. 503.000 Österreicher über 55 Jahre sind auf Facebook. Wichtig sind auch hier emotionale Bilder mit Tieren oder gar kurze Videos, etwa 20 Sekunden lang. Sollte es sich zeitlich ausgehen, wäre es auch gut, einen eigenen Blog zu verfassen, auf dem Sie etwa alle zwei, drei Wochen wichtige Tipps für Tierbesitzer verfassen, diese verlinken und damit sowohl Ihre Follower auf Facebook als auch die Zahl der Besucher Ihrer Webseite erhöhen – kurz: um im Gespräch zu bleiben und sich als Tierarzt und Vertrauter der Kunden besser zu positionieren.