Probleme aus dem Praxisalltag –

Lösungsvorschläge vom Experten

Bettina Kristof

Das Vetjournal hat mit Mag. Kat­rin Kucera konkrete Alltagssituationen in der tier­ärztlichen Ordination besprochen und sich bei Unternehmens­berater Mag. Gerhard Vater Tipps dazu ­geholt – hier eine Zusammen­fassung.

Tierärzte und Tierärztinnen haben eine profunde Ausbildung, was den veterinärmedizinischen Bereich betrifft. Doch an der Uni wird man nicht wirklich auf die Selbstständigkeit vorbereitet. Wenn man eine Praxis führen möchte, braucht man neben den fachlichen auch unternehmerische und kommunikative Fähigkeiten. Wie organisiere ich Abläufe in der Ordination, damit alles reibungslos funktioniert und sich wirtschaftlich rechnet? Wie führe ich meine Mitarbeiter, damit das Team erfolgreich arbeitet? Und wie gehe ich mit Krisen um? Auch durch den Trend zu Gemeinschaftspraxen wird die Fähigkeit, mit anderen Kollegen zusammenarbeiten zu können, wichtiger. 

Um mehr zu diesen Themen zu erfahren, haben wir ein Gespräch mit Mag. Katrin Kucera, stellvertretende Leiterin der Internen Abteilung der Tierambulanz Mattersburg, und Mag. Gerhard Vater, Managementberater und Wirtschaftstrainer, geführt. Die Tierärztin hat dabei Fragen aus ihrem Praxisalltag an den Managementberater gestellt.

Mag. Kucera: In meiner Abteilung sind derzeit elf Mitarbeiter tätig. Durch Urlaub und Krankenstände kommt es immer wieder zu personellen Engpässen, die zu einem überfüllten Warteraum führen. Wie gehe ich damit am besten um?

Mag. Vater: Hier ist es am besten, offensiv vorzugehen. Ich empfehle, den oder die Tierhalter darüber zu informieren, dass es einen personellen Engpass und dadurch längere Wartezeiten gibt, und gleich eine Lösung anzubieten – also den Termin verschieben, am besten gleich einen neuen Termin anbieten oder bei kürzeren Wartezeiten vorschlagen, dass der Tierhalter mit seinem Tier einen Spaziergang macht oder auf einen Kaffee geht. Wichtig ist es, dem Tierhalter das Gefühl zu geben, dass man sich um eine Lösung bemüht. Wenn er zum verschobenen Termin kommt, fühlt er sich wertgeschätzt, wenn man sich nochmals für seine Geduld und sein Verständnis bedankt und etwa ein Sackerl mit Leckerlis für das Tier überreicht.

Mag. Kucera: Wie motiviere ich Mitarbeiter, Veränderungen mitzutragen, zum Beispiel bei geänderten Öffnungszeiten?

Mag. Vater: Ganz wichtig ist es, dem Mitarbeiter die Hintergründe zu erklären, die zu der neuen Maßnahme geführt haben. Wenn man begründet, wozu die Veränderung gut ist und was man sich davon erwartet, versteht er, warum er was tun soll, und trägt die Veränderung leichter mit. Bei manchen Neuerungen sollte man die Mitarbeiter unbedingt in den Entscheidungsprozess einbinden. Es ist immer hilfreich, Gründe und Zwecke einer Maßnahme zu besprechen, dann wird sie leichter mitgetragen. 

Mag. Kucera: Wie können wir unser Zeitmanagement verbessern? Wir haben derzeit fixe Öffnungszeiten und manchmal Stoßzeiten. Terminvergaben haben sich nicht bewährt, weil manche Tierhalter nur zu einem bestimmten Tierarzt möchten, der dann vielleicht gerade nicht Dienst hat. Wie können wir die Situation verbessern?
Wesentlich ist es vorerst einmal, die Termine nicht zu knapp zu setzen und einen Puffer einzuplanen, falls ein Patient mehr Zeit erfordert oder ein Notfall hereinkommt. Stoßzeiten lassen sich am besten durch Planung – sprich: fixe Terminvergabe – vermeiden. Der Tierhalter kann dann einen fixen Termin bei einem bestimmten Tierarzt vereinbaren, wenn er das will, aber man muss ihn gleich darauf hinweisen, dass Kontrolluntersuchungen womöglich von einem anderen Tierarzt aus dem Team durchgeführt werden. Im Interesse des Zeitmanagements ist es wichtig, das konsequent durchzuziehen. 

Wenn es trotz fixer Terminvergabe zu Verspätungen kommt, rate ich dazu, dem Tierhalter gegenüber zu argumentieren, warum er warten muss und wie lange es in etwa dauern wird. 

Mag. Kucera: Wie verbessert man das Team­management, wie ziehen alle an einem Strang?

Mag. Vater: Das Team braucht eine gemeinsame Vision, ein gemeinsames Bild, um an einem Strang zu ziehen. Die Führungsebene muss den Mitarbeitern Leitbilder vorgeben. Mitarbeiter brauchen den Glauben an ein gemeinsames Projekt: Wofür brennen wir? Worauf sind wir bereit, zu verzichten? Team bedeutet, die Mitglieder haben ein gemeinsames Koordinatensystem dafür, was sie bei der Erreichung eines Ziels gerne tun und worauf sie auch verzichten können. Man sollte die Mitarbeiter in die Leitbildarbeit miteinbeziehen. Ein Team ist unschlagbar, wenn es ein gemeinsames Bild hat und sich bewusst macht, was auf dem Spiel steht, wenn das, was es sich vorgenommen hat, nicht erreicht wird. 

Mag. Kucera: Wie kann ich die Kommunikation unter den Mitarbeitern und gegenüber den Kunden verbessern?

Mag. Vater: Zunächst muss man sich einmal bewusst machen, dass Kommunikation immer Missverständnis bedeutet. Davon auszugehen, dass wir einander verstehen, ist nicht nützlich; im Gegenteil, es ist immer ein Glücksfall, wenn wir uns verstehen. In der Kommunikation spielen so viele Unwägbarkeiten mit! Wenn ich davon ausgehe, dass der Grundzustand der Kommunikation das Missverständnis ist, bin ich nicht so überrascht, wenn etwas passiert. Entscheidend im Umgang miteinander ist die Beziehungsebene: Wie ernst nimmt mich der andere, wie sehr kann ich ihm vertrauen, was halten wir voneinander? Eine gute Beziehungsebene ist wichtig für das Funktionieren der Kommunikation. Die Beziehungsebene kann man verbessern, indem man eine wertende Sprache vermeidet. Also beispielsweise nicht sagen: „Sie haben Unsinn gemacht“, sondern: „Sie haben etwas geschrieben, das ich nicht verstehe, können Sie mir das bitte erklären?“ 

Besser ist es, über Beobachtungen zu reden, beschreibend und nicht bewertend darüber zu sprechen. Die Beziehungsebene wird oft durch falsche Interpretationen erschwert. Wenn ein Tierhalter im Wartezimmer auf die Uhr sieht, muss das nicht bedeuten, dass er ungeduldig ist. Er kann zum Beispiel auf die Uhr schauen, weil er auf den Parkschein achten oder ein Medikament einnehmen muss. Wir wissen nicht, warum er auf die Uhr sieht – dass er es aus Ungeduld tut, ist unsere Interpretation. 

Mag. Kucera: Wie gehe ich damit um, wenn zum Beispiel ein unzufriedener Tierhalter seinen Unmut im vollen Wartezimmer kundtut?

Mag. Vater: In solchen Situationen hilft es, selbst ruhig zu bleiben. Das gelingt, indem man tief durchatmet und die Sache nicht persönlich nimmt. Aus dieser Position der inneren Ruhe kann man gelassener reagieren. Hier gilt es als Erstes, denjenigen, der sich beschwert, nicht in seinem Selbstwertgefühl zu bedrohen – also ihn ernst nehmen, aber nicht diskutieren, Verständnis äußern, ihm das Gefühl geben, seine Situation zu verstehen; ihm nicht widersprechen aber auch darauf achten, dass man ihn isoliert. Dann sollte man je nach Situation in Richtung Klärung gehen: Gut ist es, einen Schritt zu setzen, der dem Tierhalter das Gefühl gibt, dass es in Richtung Problemlösung geht. Außerdem sollte man selbstkritisch hinterfragen, ob an der Aufregung des Tierbesitzers nicht etwas dran ist: Handelt es sich vielleicht um ein Missverständnis, wurde er nicht umfassend informiert? Was sind die Hintergründe, die hinter seinem Ärger stecken? Das kann man am besten in Ruhe in einem Nebenzimmer besprechen. 

Ich bin dafür, für solche Situationen einen Notfallplan mit leitenden Tierärzten zu erarbeiten. Darin wird auch festgehalten, welcher der anwesenden Tierärzte für Krisenfälle dieser Art zuständig ist. Man kann dafür auch einen Code vereinbaren, mit dem man den „Krisenmanager vom Dienst“ verständigt, der dann den Sachverhalt klärt und Dampf aus der Sache nimmt. Der Beschwerdeführer bekommt das Gefühl, dass er gehört wird – allein das führt meist schon zur Deeskalation.

Mag. Kucera: Wie geht man am besten mit Fehlern um und wie vermeidet man Schuldzuweisungen – etwa, wenn man einem Mitarbeiter etwas schon dreimal gesagt hat und er es wieder falsch macht?

Mag. Vater: Zuerst einmal sollte man sich fragen, woran es liegen kann, dass das passiert. Kann er das gewünschte Verhalten nicht an den Tag legen, weil er die Materie nicht beherrscht, die entsprechenden Werkzeuge nicht zur Verfügung hat, unter sozialem Druck steht oder keine Lust hat? Das muss herausgefunden werden.

In einem Gespräch sollte man die Hintergründe klären, warum Fehler passieren. Es ist auch hilfreich, nicht zu bestrafen, sondern demjenigen das Gefühl zu vermitteln, dass man sich um ihn kümmert und ein ehrliches Interesse daran hat, einen Weg zu finden, damit diese Fehler in Zukunft nicht mehr passieren. Anstelle einer Schuldzuweisung ist es besser, zu kommunizieren, was man beobachtet hat. Also: „Mir ist aufgefallen, dass du die OP auf diese Art und Weise durchgeführt hast. Bei der letzten Besprechung haben wir uns darauf geeinigt, dass wir die OP in Zukunft so und so machen. Ich bitte dich daher, dich ab sofort daran zu halten.“

Mag. Kucera: Wie geht man am besten mit Stress­situationen um? Etwa wenn der Warteraum voll ist und ein Notfall hereinkommt …

Mag. Vater: Eine klare und offene Kommunikation gegenüber den Wartenden schafft Vertrauen. Man sollte die Tierhalter nicht einfach kommentarlos warten lassen, sondern sie darüber informieren, dass es aufgrund eines Notfalls zu längeren Wartezeiten kommen wird. Zugeben macht Eindruck. Womöglich kann man auch gleich Alternativen anbieten: „Wir wissen nicht genau, wie lang es dauern wird – dürfen wir einen anderen Termin anbieten? Wollen Sie in der Zwischenzeit mit Ihrem Tier spazieren gehen?“  

Mag. Kucera: Wenn ich das so erkläre, der Tierbesitzer aber trotzdem nicht verständnisvoll reagiert – was mache ich dann?

Mag. Vater: Es geht um eine Grundhaltung. Man sollte dem Tierhalter das Gefühl geben, dass er wichtig ist, dass man ihn versteht. Wenn er gereizt reagiert, dann sollte man das ignorieren, denn die Situation sollte ja zu keinem Streit führen. Der Tierhalter ist auch in einer Ausnahmesituation, da ist es verständlich, dass er sich in seinem Selbstwertgefühl bedroht fühlt. Man kann auch sagen: „Ich verstehe Sie, aber ich kann es jetzt nicht ändern. Können Sie in einer Stunde wiederkommen?“ Wir können keine Wunder wirken, aber klar kommunizieren und gleichzeitig den Tierhalter ernst nehmen.

Mag. Kucera: Wie gelingt eine klare Kommunikation mit den Mitarbeitern in stressigen Situationen, etwa bei einem Notfall oder bei einer OP?
In solchen Situationen muss man klare Anweisungen geben: „Ich brauche dieses, geben Sie mir bitte jenes …“ Und ebenso ist ein klares Feedback vonnöten: „Ich habe das verstanden“ – die Kommunikation muss also auf den Punkt gebracht werden. Viele Missverständnisse entstehen, weil die Kommunikation nicht klar ist oder weil etwas falsch verstanden wird. Feedback ist die Voraussetzung zur Verringerung von Missverständnissen!