Praxistipps zur Kastration

männlicher kleiner Heimtiere

Mag. Claudia Hochleithner
Dr. Manfred Hochleithner, Dipl. ECZM

Tierklinik Strebersdorf, 1210 Wien

Bei kleinen Heimtieren kommt es mit der Geschlechtsreife oft zu Problemen – es besteht die Notwendigkeit, eine unerwünschte Vermehrung zu verhindern und Unverträglichkeiten mit Geschlechtsgenossen vorzubeugen.

Kleine Heimtiere nehmen in der tierärztlichen Praxis einen immer höheren Stellenwert ein. Zu beachten sind natürlich die geltenden Rechts­vorschriften, die eine Einzelhaltung verbieten (2. Tierhaltungs­verordnung – www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20003860).

Infolgedessen möchten wir von Erfahrungen bei der Kastra­tion männlicher kleiner Heimtiere in den letzten 30 Jahren berichten. Die Operationstechniken variieren in der Literatur, und bei diversen Fortbildungsveranstaltungen wird oft die eigene Technik hervorgehoben. Wesentlich erscheint uns, dass Sie eine Technik, die für Sie passt, nicht aufgrund von Empfehlungen ändern – es gibt keine wirklich bessere oder schlechtere Methode, wenn man die internationalen Spitzenleute fragt, sondern die Operationszeit und damit die eigene Erfahrung und Übung haben den wesentlichsten Stellenwert.

Anästhesie wird an einer anderen Stelle behandelt. Die alleinige Verwendung eines Narkosegases wie Isofluran ohne Prämedikation wird von vielen Fachleuten als obsolet diskutiert – unsere Erfahrungen mit der Verwendung reiner Masken­narkose bei 800 bis 1200 Narkoseereignissen bei kleinen Heimtieren pro Jahr sind dagegen sehr zufrieden­stellend. Zur Stress- und Angstreduktion verwenden wir aber oft auch Midazolam vorab.

Dem Argument mancher Spezialisten, dass der Stress durch alleinige Maskennarkose bei kleinen Heimtieren aus tierschutzrelevanten Gründen nicht akzeptabel ist und daher immer, auch wenn dadurch eventuell das Risiko für den Patienten steigt, eine Prämedikation erfolgen muss, kann entgegengehalten werden, dass bei Vögeln dieselben Grundsätze gelten, aber bei diesen Tieren die alleinige Narkoseeinleitung mittels Maske noch immer die sicherste und gängigste Methode darstellt. Für manche Spezies – zum Beispiel Mäuse – ist eine Maske, die über den ganzen Körper geht, einfach die schnellste und stress­ärmste Methode (Abb. 1).

Vorbereitung

Zu beachten ist aber, dass Stress und Schmerz gerade bei kleinen Heimtieren großen Einfluss auf das Wohlbefinden, damit auf die Verdauung und dadurch wiederum auf Heilung und Verlauf von Eingriffen haben. Eine gute Schmerz­behandlung (siehe Tabelle 1), die bereits einige Zeit vor dem Eingriff beginnt, sowie eine Prämedikation mit Mida­zolam mindestens 1 mg/kg subkutan oder intramuskulär (nicht, wie oft angegeben, nur 0,5 mg/kg) hat sich bei uns bewährt. Ein ganz wesentlicher Faktor der Schmerz­behandlung ist „die Vermeidung von unnötigem Schmerz“ – hört sich logisch an, aber:

Schmerzvermeidung

Die Verwendung von Peans zur Fixierung von Strukturen, die nach der OP am/im Tier verbleiben, z. B. Samen­leiter und Tunica vaginalis, oder das Setzen auf die Skrotalhaut, um kleine Blutungen zu stillen, verursacht ein massives Gewebe­trauma, welches möglicherweise wesentlich schmerzhafter für das Tier ist als die mit einem scharfen Skalpell gesetzten Schnitte.

Zeit

Ein wichtiger Faktor ist die Gesamtzeit der Narkose. Wenn vom Beginn der Anästhesie bis zum Ende derselben und dem Start der Aufwachphase nicht mehr als 30 (besser 20)Minuten vergehen, rechnen wir nicht mit Komplikationen. Umso länger eine Operation und damit die Narkose an­dauert, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Probleme und Komplikationen auftreten. Daher sollte alles bereitliegen – Zeitmanagement scheint gerade bei Eingriffen an kleinen Heimtieren der Schlüsselfaktor zu sein! Wir müssen erreichen, dass die Tiere so schnell wie möglich wieder mit ihren Partnern zusammenkommen und so schnell wie möglich wieder zu fressen beginnen.

Fasten

Kaninchen oder Mäuse erbrechen nicht, daher ist Fasten vor einer Narkose nicht erforderlich. Beim Meer­schweinchen kann eine zwei- bis dreistündige Fastenperiode gemacht werden; wirklich sinnvoll erscheint es uns nicht, obwohl wir kleine Heimtiere nie intubieren. Beim Meerschweinchen kann es, wenn das Zeitmanagement es zulässt, sinnvoll sein, zehn Minuten vor der Narkose den Mund mit 1–2 ml Wasser auszuspülen, da sie oft sehr viel Futter im Maul haben.

Wärme

Wärmeverlust ist ein wichtiger Punkt bei kleinen Heimtieren, der verkehrt proportional zum Körpergewicht an Wichtigkeit zunimmt! Es gibt sehr gute Wärmesysteme, aber gerade bei kleinen Heimtieren verwenden wir am liebsten Handschuhe mit warmem Wasser, da diese die Tiere auch zu einem gewissen Grad in der optimalen Lage stabilisieren. Kaninchen können stressbedingt auch eine erhöhte innere Körpertemperatur haben, daher im Zweifelsfall messen, um die Tiere nicht zu überhitzen.

Rasur, Reinigung und Desinfektion

Viele Tiere haben im Skrotalbereich eine sehr feine Haut, die durch die Rasur multiple Verletzungen bekommen kann. Gleichzeitig ist bei vielen Tieren, z. B. bei Kaninchen oder Degus, eine Rasur gar nicht notwendig, da die Skrotalhaut fast keine Haare hat. Wenn die Tiere gut relaxiert sind, kann man die Hoden gut darstellen und mit Klebeband fixien und nach Reinigung und Desinfektion hat man auch ohne Rasur ein übersichtliches OP-Feld (Abb. 2).

Man sollte die Reinigung nach unserem Erachten nicht übertreiben – da die OP-Wunde offen bleibt, kommt es sofort nach der Operation sowieso wieder zu Kontakt mit der Umwelt und ein großzügiger Einsatz von alkoholischen Desinfektionsmitteln wirkt sich sehr schnell negativ auf die Körpertemperatur aus – daher wirklich nur die not­wendige Stelle desinfizieren und nicht aus der Flasche Desinfek­tionsmittel auf das halbe Tier schütten.

Nachbehandlung

Bei guter Schmerzbehandlung, die bereits vor dem Eingriff beginnen sollte (Stichwort Schmerzgedächtnis) und einer Operationstechnik, die keine unnötigen Traumata hinterlässt, sehen wir nur sehr selten post­operative Prob­leme. Wir lassen die Tiere aber immer für zwei bis drei Stunden zur Beobachtung in der Praxis. Probleme mit Beißen an der Wunde sehen wir selten bei Kaninchen und Ratten – im schlimmsten Fall muss das Skrotum in einer zweiten Narkose vernäht werden.

Technik

Über die routinemäßige Kastration ohne tierärztliche Notwendigkeit, also nur zur Unterdrückung eines un­erwünschten Verhaltens, wird in vielen Ländern bereits heftig diskutiert bzw. sind solche Eingriffe bereits ver­boten. Eine dahin gehende Diskussion erfolgt selbstverständlich auch innerhalb der ÖTK (z. B. Tierschutz-Roundtable der Landesstelle Wien).

Bei kleinen Heimtieren kommt es aber mit der Geschlechtsreife oft zu wirklichen Problemen. Es besteht einerseits die Notwendigkeit, um die unerwünschte Vermehrung zu verhindern, andererseits sind viele männliche Tiere, z. B. Kaninchen, ab der Geschlechtsreife unverträglich mit Geschlechtsgenossen.

Die Techniken, die bei männlichen Tieren empfohlen werden, sind sowohl präskrotal als auch skrotal. Da der Leistenring sehr weit ist und die Hoden bei Angst und Stress in die Bauchhöhle zurückgezogen werden können, ist eine Naht bzw. Ligatur der Tunica vaginalis unbedingt notwendig.  Man kann bedeckt kastrieren, also den Processus vaginalis mit dem gesamten Inhalt darstellen und ligieren, was bei erwachsenen Tieren oft etwas schwierig ist; bei der Frühkastration geht es aber sehr gut (Abb. 3). Wir bevorzugen die offen-gedeckte Kastration – dabei er­öffnen wir die Tunica vaginalis, ligieren alle Strukturen und verschließen erst dann den Leistenkanal (Abb. 4, 5).

Eine Naht des Skrotums erscheint uns nicht notwendig. Wir empfehlen aber, die Einstreu für zwei bis drei Tage durch Papier zu ersetzen und – wenn möglich – die Tiere für diese Zeit auch im Haus zu halten.

Für männliche Kaninchen, die mit weiblichen Tieren vergesellschaftet werden, kann eine Frühkastration (9. bis 10. Lebenswoche) empfohlen werden, damit die Tiere postoperativ nicht getrennt werden müssen. Erfolgt die Kastration nach der Geschlechtsreife (ab der zwölften Lebenswoche), können befruchtungsfähige Spermien im Geschlechtstrakt verbleiben, daher ist dann eine Trennung für vier bis sechs Wochen empfohlen, was aber bei der Vergesellschaftung nach der Trennung wieder Probleme machen kann.

Beim Meerschweinchen muss die sehr frühe Geschlechtsreife männlicher Tiere (nicht Zuchtreife) ab der dritten bis vierten Lebenswoche beachtet werden.

Bei Ratten und Mäusen ist ab der sechsten Lebenswoche mit einer Geschlechtsreife zu rechnen. Die Hoden steigen ab dem 25. Tag ab und eine Kastration kann erfolgen, sobald die Hoden zu palpieren sind. Bedingt durch das viele Fett im Samenstrang empfehlen wir auch hier die offen-­gedeckte Kastration, wobei die Strukturen bei kleinen Mäusen oft sehr zart sind, daher muss man wirklich aufpassen, die Tunica vaginalis nicht zu verlieren (Abb. 6).

Bei Degus sind die Hoden oft nicht leicht ­darzu­stellen. Durch leichten Druck auf den Bauch in caudoventraler Richtung sind sie aber beidseits links und
rechts des Penis darstellbar, wobei an diesen Stellen auch sehr wenige Haare ausgebildet sind.