„With a little help“ –

Praxismanagement als zukunftsträchtiges Berufsbild

Dr. med. vet. Astrid Nagl

Was macht eigentlich ein/e Praxismanager*in? Woher weiß ich, dass ich so jemanden brauche – und wie findet man jemanden für einen Job, den man erst entwickeln und definieren muss?

Wieder einmal eine Nachtschicht eingelegt, um die Buchhaltung rechtzeitig fertigzustellen? Die Umsetzung der neuen rechtlichen Vorgaben kontrolliert, den Dienstplan erstellt, die Urlaubswünsche der Mitarbeiter*innen berücksichtigt? Die wirtschaftlichen Ziele definiert, den Umsatz, das Marketing und die Kundenbindung kritisch begutachtet? Ach ja, und dann wären da auch noch die Patienten … Wer von uns hat sich nicht schon einmal gewünscht, all diese organisatorischen Aufgaben abgeben und „einfach Tierärztin“ sein zu können?

„Ich kämpfe an zu vielen Fronten“

Dr. Thomas Weinberger, Leiter einer Fachklinik für ­Pferde in Deutschland, berichtet von seinem Weg zum Entschluss, eine Fachkraft für die organisatorischen Aufgaben und die Mitarbeiterführung zu suchen: „Ich habe meinen Betrieb mit zwei bis drei Angestellten aufgebaut. Inzwischen habe ich 60 Mitarbeiter*innen. Am Anfang war alles kein Problem. Irgendwann hatte ich aber das Gefühl ‚Ups, ich habe mich verlaufen, ich mache alles auf einmal und nichts mehr richtig!‘“

Zuerst kompensierten die Mitarbeiter*innen, dann kam die Erkenntnis, dass es so nicht weitergeht: „Wir haben jemanden gebraucht, der das ­profimäßig macht. Ich wollte meine Tage besser organisieren, wenn ich schon so viel Zeit in der Arbeit verbringe“, so Dr. Weinberger. Doch es dauerte einige Jahre und brauchte mehrere Anläufe, bis die passende Person für den Job gefunden wurde.


Weiterhin als Tierarzt tätig sein – nicht nur in der Verwaltung

„Wenn man einer Klinik vorsteht, ist der Wunsch weiter da, als Tierarzt zu arbeiten – aber man hat immer mehr Verwaltungsaufgaben. Früher oder später steht man vor der Entscheidung, entweder eine/n Geschäftsführer*in einzustellen oder eine entlastende Struktur aufzubauen“, sagt Dr. Jan Bokemeyer. Er leitet seit 2014 eine Fachklinik für Kleintiere in Deutschland. Im Lauf der ersten Jahre ist eine Kollegin aus der Verwaltung in die Managementtätigkeit übergewechselt. „Das hat sich mit der Größe unserer Klinik so entwickelt – mit der Zeit sind immer mehr Aufgaben in die Tätigkeit gerutscht.“

Wie werde ich Praxismanager*In?

Das Konzept, eine Person für das Praxismanagement einzustellen, ist in Österreich noch nicht verbreitet. Auch in Deutschland wird das Berufsbild „tiermedizinisches Praxismanagement“ erst entwickelt. Kathrin Siemer ist Praxismanagerin und erste Vorsitzende des Bundes­verbands Tiermedizinisches Praxismanagement (TPM e. V.) in Deutschland und erklärt: „Meine Kolleg*innen im Berufsverband kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen und haben sich auf verschiedene Weise für diese Tätigkeit weitergebildet. Inzwischen bieten wir in Kooperation mit einer Hochschule einen berufsbegleitenden Studiengang an und entwickeln auch ein Bachelor­studium. Wir möchten die Voraussetzungen für angehende Praxismanager*innen verbessern und ein Berufsbild kreieren. Die Aufgaben, Rechte und Pflichten von Praxismanager*innen sollen genau definiert werden können.“

Schulter an Schulter

„Meiner Erfahrung nach sollte ein/e Praxismanager*in auf Geschäftsführer-Ebene arbeiten“, sagt Kathrin Siemer. „Die Leitungsfunktion ist ganz wesentlich, weil es Personalverantwortung gibt. Eine der wichtigsten Aufgaben von Praxismanager*innen ist es, sich um die Mitarbeiter*innen zu kümmern. Dafür braucht es Entscheidungs­kompetenz.“ Auch wer ein Qualitäts­management implementieren oder neue organisatorische Strukturen umsetzen möchte, kann von der Unterstützung einer Praxismanagerin oder eines Praxismanagers profitieren. „Langfristig ist es auf jeden Fall besser, die Person im Team zu etablieren – sie kennt dann die internen Abläufe und auch die Kommunikation ist leichter“, sagt Siemer. Als wesentlichen Vorteil der Zusammenarbeit mit einer Praxismanagerin oder einem Praxismanager ­sehen beide befragte Tierärzte die spürbar gestiegene Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen. „Für den Betrieb ist das gut – das Klima im Team ist besser, und es wirkt sich auf das wirtschaftliche Ergebnis sofort positiv aus, wenn die Mitarbeiter*innen sich wohler fühlen“, meint Dr. Weinberger. „Es entzerrt die Strukturen, wenn der ‚Chef‘ nicht mehr der erste Ansprechpartner ist, der vielleicht nicht immer die nötige Geduld und Zeit für alle Probleme aufbringt. Jetzt habe ich Zeit für regelmäßige Mitarbeiter*innen­gespräche – auch das steigert die Zufriedenheit.“

Auch Dr. Bokemeyer sieht das so: „Es wird im Team sehr geschätzt, wenn die Organisation besser wird. Unsere Praxismanagerin ist die erste Ansprechperson für unsere Mitarbeiter*innen. Das Arbeitsleben in einer großen Klinik erfordert ein Vielfaches an Organisation, und das ist gut so! Denn davon haben wir alle etwas: viel bessere Arbeitszeiten, die auch kontrollierter und definierter sind und nicht ins Unendliche ausufern.“

Auf Augenhöhe zusammenarbeiten

Eine Praxismanagerin ins Team zu holen bedeute für den oder die Klinikleiter*in anfangs eine Umstellung, erklärt Dr. Bokemeyer: „Es liegt an der Klinikleitung, diese Personen im Team richtig einzuführen, das ist ein langsamer Prozess und wichtig für die Akzeptanz.“ Das Wechselspiel zwischen Freiraum und (auch wirtschaftlicher) Kontrolle muss sich erst in der Zusammenarbeit entwickeln.

„Ich habe gelernt, mich zu verändern, mich mit meiner Kollegin auf Augenhöhe zu unterhalten, und nicht von oben herab“, erinnert sich Dr. Weinberger. „Es braucht auf beiden Seiten viel Vertrauen, damit die Freiheit gegeben ist, Dinge zu entscheiden und weiterzuentwickeln. Fehler passieren; nur so kann man Erfahrungen sammeln.“

Nicht zu lange warten

„Glaubt nicht, es ist noch zu früh! Rückblickend hätte ich schon viel früher umstellen sollen“, stellt Dr. Weinberger fest. „Dann hätte ich mehr Geld und mehr Freizeit gehabt. Ich kann diese Unterstützung nur jedem empfehlen.“ Kathrin Siemer erklärt: „Die Strukturen der tierärztlichen Praxen sind sehr unterschiedlich. In einer reinen Fahrpraxis, zum Beispiel im Nutztierbereich, wird es kaum notwendig sein. Wenn mehrere Mitarbeiter*innen mit verschiedenen Aufgabenbereichen und auf unterschied­lichen Hierarchieebenen tätig sind, ist die Einstellung einer Praxismanagerin aber sicher sinnvoll.“

Die Anforderungen der Kund*innen an moderne Tierkliniken können die rein medizinisch Tätigen gar nicht mehr abdecken, meint Dr. Bokemeyer. „Ich sehe das als Folge der gesellschaftlichen und tiermedizinischen Entwicklungen. Daher unterstütze ich die Initiativen des ­Bundesverbands für Akzeptanz und Anerkennung der Praxismanager*innen – denn diese Rolle wird in Zukunft noch viel wichtiger werden.“

Dr. Jan Bokemeyer ist Dipl. ECVS, Fachtierarzt für Chirurgie der Klein- und Heimtiere sowie Fachtierarzt für Klein- und Heimtiere. Er leitet seit 2014 die Tierklinik Kalbach in Frankfurt.

Dr. med. vet. Thomas Weinberger ist Fachtierarzt für Pferde und leitet die Pferdeklinik Burg Müggenhausen in Nordrhein-Westfalen.


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