Neuer Forschungsansatz in der Therapie von Klauenerkrankungen

Plasma-aktiviertes Wasser gegen Dermatitis digitalis

Lisa Reichenauer

Klaueninfektionen stellen eine der hartnäckigsten Heraus­forderungen in der Milchviehhaltung dar und beschäf­tigen die Veterinärmedizin bereits seit Langem. Dermatitis digitalis (DD) und Sohlengeschwüre sind etwa Beispiele für Erkrankungen von Rinderklauen. Die Erhaltung der Tier­gesundheit ist dabei von entscheidender Bedeutung für die heimische Landwirtschaft, da (neben Einschränkungen der Fruchtbarkeit und dem Auftreten von Euter­veränderungen, insbesondere Entzündungen) Klauen­probleme nach wie vor die Hauptursachen für Abgänge aus dem Bestand eines Milchviehbetriebs darstellen.

Besonders die DD, auch als Erdbeerkrankheit oder Mortellaro’sche Krankheit bekannt, gilt als eine der häufigsten infektiösen Ursachen für Lahmheiten bei Milchkühen. Diese Erkrankung äußert sich in einer oberflächlich beginnenden Entzündung der Haut im Bereich des Zwischenklauenspalts, oft als feuchte, kreisförmige Veränderung, und kann sich zu tiefgreifenden Geschwüren (Ulzerationen) ausweiten. Kliniker unterteilen die Erkrankung hierbei in verschiedene Grade, je nachdem, ob es sich um einen akuten oder chronischen Verlauf handelt. In der Folge beeinträchtigen die Veränderungen nicht nur die Bewegungsfähigkeit der Tiere, sondern aufgrund des herabgesetzten Wohlbefindens auch deren Milchleistung und bei länger dauerndem Verlauf später auch die gesamte Körperkonstitution. Die Ursachen der DD lassen sich nicht immer eindeutig bestimmen und damit auch nicht einfach unterbinden. Es wird deswegen allgemein von einem multifaktoriellen Geschehen ausgegangen, bei dem Krankheitserreger wie Fusobacterium necrophorum, Porphyromonas levii oder Treponema spp. beteiligt sein können. Dabei wirken Faktoren wie eine feuchte Umgebung und mangelnde Stallhygiene begünstigend auf das Infektionsrisiko.
Die Behandlung von DD stellt in der Veterinärmedizin seit Langem eine große Herausforderung dar, bei der – neben der Applikation adstringierender Mittel – die Gabe von Antibiotika mitunter nicht zu vermeiden ist. Obwohl die Therapie mit Antibiotika eine bewährte Methode in der Behandlung von Klaueninfektionen ist, beschäftigt sich die veterinärmedizinische Forschung mit der Entwicklung alternativer Therapiemöglichkeiten, auch im Zusammenhang mit dem Antibiotikaminimierungskonzept.

Ein Forschungsprojekt der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim / Holzminden / Göttingen (HAWK) in Kooperation mit einem landwirtschaftlichen Betrieb und der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) hat nun in einem dreijährigen Projekt den Einsatz von sogenanntem PAL (Plasma Activated Liquid; „Plasmawasser“) als möglichen neuen Therapie­ansatz zur Behandlung von Klaueninfektionen erforscht. Die Studie „PlaWaKiRi – der Einsatz von Plasmawasser gegen Klaueninfektionen beim Rind“ wurde durch Landesmittel und Mittel der Europäischen Union aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER), im Rahmen des Programms zur Förderung der Entwicklung im ländlichen Raum Niedersachsen und Bremen 2014 bis 2020 (PFEIL), finanziert und 2023 abgeschlossen. Das Vorhaben zielte darauf ab, eine umweltfreundliche und effektive Alternative zu herkömmlichen Therapien von Dermatitis digitalis zu entwickeln. Untersuchungsgegenstand war dabei die Wirksamkeit eines TRIS-gepufferten Plasma-aktivierten Wassers gegenüber DD-relevanten Mikroorganismen. Der TRIS-Puffer, bei dem es sich um eine organische Verbindung mit schwach basischen Eigenschaften und einer guten Pufferfunktion (pH ≈ 7,4) handelt, sorgt hierbei ­dafür, dass das erzeugte Plasmawasser einen hautverträglichen End-pH-Wert aufweist. Doch wie funktioniert das genau? Zunächst wurde mittels einer dielektrischen Barriere­entladung Plasma erzeugt und das Effluent („Abgas“) in den TRIS-Puffer eingeleitet. Das durch diesen Prozess entstandene PAL enthält nun unter anderem reaktive Sauerstoff- oder Stickstoff-Radikale, die eine mikrobizide Wirkung entfalten und pathogene Mikroorganismen abtöten können. Im Abschlussbericht des dreijährigen EU-Projekts aus Niedersachsen finden sich erste vielversprechende Ergebnisse aus Laboruntersuchungen, die zukünftig hoffentlich eine Grundlage für die weitere Entwicklung sowie Anwendung von PAL bei DD-erkrankten Milchkühen darstellen werden.

Im Projekt wurde zunächst an einer Optimierung des PAL durch den Projektkoordinator HAWK geforscht. In enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Lebensmittelqualität und -sicherheit der TiHo wurden mehrfach entsprechende Versuche in vitro, also unter Laborbedingungen, durchgeführt, um einen wirksamen Prozess-Parametersatz zu identifizieren. Schließlich konnten hier vielversprechende Reduktionen mehrerer Mikroorganismenstämme erzielt werden, die bei DD eine Rolle spielen. Auch unter Berücksichtigung verschiedener Einflussfaktoren wie Lagerungszeit und -temperatur zeigten sich Erfolge. Sogar der Einfluss von (äußeren) Einflussfaktoren wie Proteinen, die auf der Tierhaut zu finden sind und die Wirkung des PAL beeinflussen könnten, wurde im Labor analysiert. Deshalb wurde die antimikrobielle Wirkung des PAL auch auf Rinderhaut getestet, wobei ebenfalls eine Reduktion pathogener Keime festgestellt wurde. 
„Alles in allem zeigten sich in vitro bereits erste Erfolge für einen möglichen Einsatz von PAL gegen die Dermatitis digitalis. Doch bis zum tatsächlichen Einsatz am Tier müssen noch weitere Untersuchungen durchgeführt werden“, heißt es aus Hannover. Die weitere Erforschung der ersten vielversprechenden Ergebnisse der PAL-Behandlung sei jedenfalls ein angestrebtes Ziel der deutschen Forschungsgruppen. Einerseits wird daran gearbeitet, die technische Seite weiterzuentwickeln und in kürzerer Zeit größere Mengen an PAL bereitzustellen, aber auch daran, dessen Lagerfähigkeit und Haltbarkeit bei unterschiedlichen Bedingungen zu überprüfen. „Der Einsatz beim Landwirt muss sowohl im Sommer, bei hohen Temperaturen, als auch im Winter bei Minusgraden möglich sein – das gilt es zu entwickeln“, heißt es aus den Forschungs­gruppen. Andererseits sind noch umfangreiche weitere In-vitro-Untersuchungen notwendig, um Aussagen über ­Gewebegängigkeit, die Unbedenklichkeit der Anwendung auf der Haut und den Einfluss weiterer Störfaktoren in der Tierumgebung (Stichwort verschmutzte Klauen) treffen zu können. 
„Wenn hierbei vielversprechende Ergebnisse erbracht werden können, sollte es möglich sein, diesen Ansatz als aussichtsreich für einen Versuch an Tieren zu bewerten“, so das Wissenschaftsteam. Auch die Umweltverträglichkeit, das Handling im Betrieb, die Lagerstabilität des PAL sowie die Aktivitätsspanne der reaktiven Spezies gilt es zu betrachten. An die ersten erfolgreichen Erkenntnisse der Projektpartner hat sich bereits ein weiteres gemeinsames Projekt unter Verwendung von Plasmawasser angeschlossen, bei dem PAL in kombinierter Anwendung mit UV-C und Starterkulturen zu geringeren Verwurfszahlen im Zusammenhang mit der Schlachtung beitragen soll. „Es sind noch mehrere Einsatzmöglichkeiten von PALs zu untersuchen; das Thema wird uns noch lange beschäftigen, und sicherlich geht es auch hinsichtlich der Therapie von Klauenerkrankungen bei Rindern bald weiter“, sind sich die Projektpartner sicher. 
Der Grundstein für eine alternative Behandlung Dermatitis-digitalis-erkrankter Rinder mittels Plasmawasser ist aber mit dieser ersten Untersuchung und ihren Ergebnissen bereits gelegt.

Credit: Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover