Phosphor

en masse

Tierärztin Tanja Warter

Fertigfutter sollen unsere Lieblinge mit allem versorgen, was sie brauchen. Doch jüngere Tests ergaben: Ein Zuviel an einigen Phosphatquellen kann die Gesundheit schädigen. 

Die Gesundheit seines vierbeinigen Lieblings liegt jedem Tierhalter am Herzen. Und wer Gesundheit fördern will, landet neben Themen wie Haltung, Beschäftigung und Bewegung schnell bei der Ernährung. 

Was soll man füttern? Wie viel davon? Was ist gesund? Was schädlich? Der generelle Grundsatz: In allen Produkten, die mit „Alleinfuttermittel“ gekennzeichnet sind, kommen Proteine, Fette und Kohlenhydrate sowie Vitamine und Mineralien in ausreichender Menge für Tiere vom Welpenalter bis zur trächtigen oder laktierenden Katze vor. Das gilt sowohl für Trocken- als auch Feuchtfutter. Dass ein Nährstoff zu gering dosiert ist, passiert durch produktionstechnische Prozesse immer wieder. Viel häufiger ist allerdings das gegenteilige Problem: Vor allem bei den Mineralstoffen wie Kalzium, Phosphor, aber auch Magnesium oder Natrium sind die Hersteller mehr als großzügig mit den Mengen. 

„Wir kennen das Problem mit der extrem überhöhten Dosierung“, sagt Christine Iben, Professorin für Tier­ernährung an der Vetmeduni Wien. „Bei Magnesium oder Natrium sehe ich es nicht ganz so dramatisch, aber vor allem bei Phosphor und Kalzium sind die Mengen oft enorm hoch.“ Ob und wie sich das auswirkt, werde derzeit intensiv erforscht. Zu viel Magnesium steht im Verdacht, die Bildung von Harnsteinen zu begünstigen, zu viel Kalzium kann einen Mangel an Spurenelementen wie Zink, Eisen oder Kupfer auslösen. Es hat ebenfalls Auswirkungen auf die Bildung von Harnsteinen und vor allem auf die ­Knochengesundheit. 

Belastete Nieren

Das Hauptaugenmerk der Tierärzte am Lehrstuhl für Tier­ernährung und Diätetik an der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München liegt aktuell auf dem Phosphor, denn zu viel davon dürfte genau jene Organe zusätzlich belasten, die bei Katzen ohnehin ein Schwachpunkt sind: die Nieren. 

Etwa 35 Prozent aller Katzen leiden ab dem siebenten Lebensjahr unter einer Niereninsuffizienz (CKD). Zu viel Phosphor treibt den Krankheitsverlauf voran. Vielleicht ist es sogar die Ursache für das häufige Auftreten einer CKD. Eine aktuelle Untersuchung der Münchner Forscher ist im Februar im „Journal of Animal Physiology and Animal Nutrition“ erschienen (Titel: „Observation about phosphorus and protein supply in cats and dogs prior to the diagnosis of chronic kidney disease“). Unter anderem wurde die Ernährung von 16 Katzen mit chronischer Niereninsuffizienz mit der Ernährung 18 gleichaltriger gesunder Katzen verglichen. 

Ergebnis: Die Katzen mit CKD hatten vor der Diagnose signifikant höhere Aufnahmen an Phosphor als die gesunden Katzen in der Kontrollgruppe. Im Artikel „Effect of a high phosphorus diet on indicators of renal health in cats“ (Journal of Feline Medicine and Surgery, 2017) kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass ausschließlich Katzen, die hohe Mengen Phosphor aufnahmen, im Vergleich zur Kontrollgruppe Glukosurie und Mikro­albuminurie aufwiesen, Zeichen einer akuten Nieren­schädigung. Außerdem wurde die Kreatinin-Clearance schon nach kurzfristiger Überdosierung mit zugesetzten Phosphaten deutlich reduziert.    

Schon mehrfach wurde über negative Folgen für die Nieren­gesundheit durch zu viel Phosphor publiziert. Die Empfehlung des Verbandes der europäischen Tiernahrungsindustrie lautet, dass im Katzenfutter pro 100 Gramm Trockenmasse mindestens 0,59 Gramm Kalzium und 0,5 Gramm Phosphor enthalten sein ­sollen. Der durchschnittliche Bedarf einer Katze liegt bei 160 mg pro Tag. Eine Obergrenze gibt es bisher nicht. „Bis zum Zwölf­fachen der empfohlenen Phosphormenge haben wir schon in Futtermitteln gefunden“, berichtet Britta Dobenecker, Wissenschaftlerin und stellvertretende Leiterin des Lehrstuhls für Tierernährung und Diätetik der LMU München. Dabei spielt es keine Rolle, ob Trocken- oder Feuchtfutter getestet wurden. Auch das Schweizer Konsumentenschutzmagazin K-Tipp nahm beides unter die Lupe. Beim Test von 13 Trockenfuttern war Phosphor in jedem Produkt überdosiert, bei 15 Feuchtfuttern in 14 Fällen. Doch ein überhöhter Wert allein ist nicht ausschlaggebend für die gesundheitlichen Auswirkungen bei den Katzen. Dobenecker: „Entscheidend ist, woher der Phosphor kommt. Stammt er aus natürlichen Quellen wie Knochen, ist die Überdosierung viel weniger problematisch als bei sogenannten ‚anorganischen‘, zugesetzten Phosphaten.“ Das macht es so kompliziert, Höchstgrenzen festzusetzen. 

Nächster Haken: Im Labor lässt sich mit Standardmethoden nicht unterscheiden, welche Phosphoranteile im Futter aus welcher Quelle stammen. Dobenecker: „Da muss man bisher in der Regel noch die Hersteller ­fragen, was sie zugesetzt haben. Dass man an diese Informationen aber nicht immer leicht herankommt, kann sich wohl jeder vorstellen.“ Trotz dieser Widrigkeiten laufen die Bemühungen auf Hochtouren, endlich Höchstgrenzen für Phosphor festzulegen. „Obwohl es auch auf die Quelle ankommt, tendieren wir derzeit zu der Aussage, dass man ab einer Erhöhung um das Sechsfache vorsichtig sein muss“, so Dobenecker. Eine gewisse Überversorgung sei bei Alleinfutter immer da, um das breite Spektrum des unterschiedlichen Bedarfs möglichst gut abzudecken. Ziel sei aber die Etablierung einer geeigneten Labormethode zur Ermittlung des Gehaltes an kritischen Phosphaten sowie die Absenkung der Gehalte in den Futtermitteln in unkritische Bereiche. Dafür besteht akut ein hoher Bedarf an weiteren Forschungsergebnissen, woran die Gruppe um Dobenecker intensiv arbeitet.

Stellt sich die Frage: Warum nur geben Hersteller so viel Phosphor ins Katzenfutter? Die Gründe dafür sind rein technologische. Phosphate binden unter anderem ­Wasser, geben dem Katzenfutter eine angenehme Textur und verlängern die Haltbarkeit. Das gilt auch für Hundefutter, dem ebenfalls zu hohe Phosphatmengen zugesetzt werden. Und weil es zu den Untersuchungen der Veterinäre in München passt, nehmen sie auch gleich Fertigprodukte für Menschen unter die Lupe. Dobenecker: „Auch da schaut es erschreckenderweise nicht anders aus – von Fertigpizza bis hin zu anderen Convenience-Produkten.“ Mit bislang unklaren Auswirkungen auch auf die menschliche Nierengesundheit.