Zahnmedizin

bei Pferden

Dr. Jasmin Cermak
Selbstständige Tierärztin in Schwechat

Die Pferdezahnmedizin wird von PferdebesitzerInnen zunehmend als prophylaktische Maßnahme angesehen und sollte nur von einem auf diesem Gebiet versierten Tierarzt durchgeführt werden. Maßgeblich für eine gute Zahnkorrektur ist ein aus­reichend sedierter Patient, da es sonst zu einem erheblichen Unfallrisiko kommen kann.

Es obliegt dem Tierarzt, bei der Sedierung Faktoren wie Alter, Gewicht und Rasse zu berücksichtigen und den Charakter des Pferdes in die Kalkulation mit einfließen zu lassen. Die übliche Sedierung erfolgt mit einem α2-Rezeptoragonisten (z. B. Detomidin 0,01–0,02 mg/kg) in Kombination mit einem Morphinderivat (Butorphanol 0,02 mg/kg) als intravenöse Applikation. Zusätzlich sollte man bei schmerzhaften Prozessen eine geeignete ­Analgesie durch eine Lokalanästhesie oder eine Leitungsanästhesie (z. B. N. maxillaris, N. mentali) des jeweiligen Gebiets in Betracht ziehen¹. Trotz ausreichender Sedierung kommt es zu einer gewissen Hauthypersensibilität, welche ein ­ruhiges Arbeiten stören kann. Die Abwehrbewegungen gegen Insekten v. a. im Sommer kann man durch Anwendung eines Repellens oder Auflegen einer Fliegendecke minimieren. Die Umgebung ist so zu wählen, dass der Patient auf einem stabilen, ebenen und trockenen Untergrund sowie in einer reizarmen Umgebung steht.

 

Ausrüstung

Ein stabiles, funktionstüchtiges Maulgatter ist die Grund­voraussetzung für eine korrekte Zahnbehandlung, da sonst eine Gefahrenquelle für Verletzungen gegeben ist². Es gibt eine Vielzahl an unterschiedlichen Modellen, wobei Modelle aus Gusseisen wesentlich bruchanfälliger sind als Edelstahlmodelle. Ein sehr stabiles Modell ist z. B. das MGSS-Modell Wien von Schramel/Simhofer (Abb. 1). Maulkeile, wie sie früher verwendet wurden, bergen eine große Verletzungsgefahr für Pferd und Untersucher und sind daher obsolet. Zur Fixierung des Pferdekopfs gibt es einerseits Aufhänge­systeme mit Halfter oder Ringen, beim MGSS-Modell ist dies bereits im Maulgatter integriert. Eine andere Möglichkeit sind Kopfstützen, auf denen der Pferdekopf aufgelegt wird. Ein weiterer wesentlicher Bestandteil der Ausrüstung für die Pferdezahnmedizin sind motorgetriebene ­rotierende Instrumente³. Früher verwendete man Schleifgeräte aus einem umgebauten Bohrmaschinenantrieb mit einem Spezialaufsatz mit Diamantschleifscheibe. Heutzutage gibt es wesentlich professionellere Geräte mit einem Antrieb über eine flexible Welle. Durch die Steuerung mit einem Fußpedal ist die Handhabung wesentlich einfacher, und die Schleifkörper können leicht gewechselt werden (Abb. 2). Neben der Diamantschleifscheibe verwendet man vor allem für die Behandlung von Zahnspitzen der Prämolaren und Molaren einen Applecore-Aufsatz. Daneben gibt es z. B. noch Aufsätze für Diastemata-Erweiterung oder Aufsätze zur Bearbeitung von ­Infundibula. Für die Bearbeitung vor allem der Schneidezähne gibt es Handstücke mit rotierenden Aufsätzen zum Tauschen.

Von den PferdebesitzerInnen wird häufig die Frage gestellt, wann die erste Zahnkontrolle erfolgen sollte. Der Zahnwechsel (Dentitio) eines Pferdes beginnt mit ­circa 2,5 Jahren und ist meist mit fünf bis sechs Jahren abgeschlossen. Gleichzeitig beginnt bei den Tieren die Ausbildung als Reit- oder Fahrpferd4. Schon bei der ersten Untersuchung nach der Geburt sollte man auf angeborene Missbildungen wie Gaumenspalte oder Brachygnathie achten.

Eine routinemäßige Untersuchung sollte am Ende des ersten Lebensjahrs erfolgen, um funktionelle Anomalien rechtzeitig zu erkennen und bei Bedarf zu behandeln. Danach erfolgt die regelmäßige Kontrolle alle sechs bis zwölf Monate, um zu prüfen, ob alle Zähne gewechselt wurden und ob sie mit fünf bis sechs Jahren dann in Okklusion sind. Wichtig ist jedenfalls eine Kontrolle vor dem Trainings­beginn des Pferdes. Unbedingt sollte eine Kontrolle erfolgen, wenn Auffälligkeiten bei der Futteraufnahme beobachtet werden oder es zu Rittigkeitsproblemen kommt (Abb. 3).

Beim Kauen wird das Unterkiefer mittels Rotationsbewegungen gegen das stationäre Oberkiefer bewegt. Dabei entsteht ein Abrieb von circa zwei Millimeter/Jahr. Da die Backenzähne des Unterkiefers enger stehen als die des Oberkiefers (physiologische Anisognathie), bilden sich am Oberkiefer bukkal und am Unterkiefer lingual Zahnspitzen, welche mit der Zeit scharf werden und Verletzungen an Backenschleimhaut sowie Zunge verursachen können. Es kann zu klinischen Symptomen wie „Wickeldrehen“, verzögerter Futteraufnahme und einseitigem Kauen kommen. Weiters können Umfangsvermehrungen an der Backe, eitrige Fisteln und Maulgeruch entstehen und sich Folgeerkrankungen wie Kolik, Durchfall oder Verstopfung entwickeln. Zur Behandlung von Ponys sei gesagt, dass es trotz oft fehlender Indikationen (z. B. Abmagerung) nicht zu einem „Vergessen“ dieser kleinen Patienten kommen sollte. Zwar stellt die adäquate Zahnbehandlung aufgrund der Größendifferenz zwischen Maulhöhle und Instrumentarium den Tierarzt manchmal vor eine Herausforderung, aber es gibt auch von diversen Firmen bereits Spezialequipment für Ponys5. Nicht zu vergessen sind Esel als Zahnpatienten, da bei ihnen auftretende zahnmedizinische Probleme oft nicht rechtzeitig erkannt werden. Oft legen sie ein normales Fressverhalten an den Tag – dadurch fallen die Probleme nicht so schnell auf. Eine Besonderheit bei den grauen Vierbeinern ist eine sehr schmale, aber lange Maulhöhle, welche das Öffnen des Mauls stark beschränkt und für die Korrektur wenig Platz bietet6.

Nach Zahnbehandlungen kann eine homöopathische Therapie unterstützen, das Wohlbefinden der Pferde schneller herbeizuführen – das individuell passende homöopathische Arzneimittel muss durch einen Tierarzt mit Zusatzqualifikation in Veterinärhomöopathie gewählt werden. Tierärzte mit Zusatzqualifikation in Veterinärhomöo­pathie (Fachtierarzt für Homöopathie, Diplom der Euro­päischen Akademie für Veterinärhomöopathie) finden sich auf der Webseite der Österreichischen Gesellschaft für Veterinärmedizinische Homöopathie. Konventionelle Medizin und Homöopathie können sich im ­Sinne der Integrativen Veterinärmedizin hier hervorragend ergänzen! Bei länger dauernden Zahnbehandlungen ist es oft sinnvoll, eine chiropraktische Behandlung durch einen chiropraktisch ausgebildeten Tierarzt durchführen zu lassen, da die länger dauernde Öffnung des Pferdemauls sowie die Aufhängung zu Blockaden im Kopf-Hals-Bereich führen können.

Abschließend ist zu sagen, dass eine konsequent durchgeführte zahnmedizinische Begleitung vom Fohlen- bis zum Seniorenalter durch einen auf diesem Spezialgebiet versierten Tierarzt ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung einer leistungsbereiten, gesunden Pferdepopulation ist.

Quellen

1. Altersberger A. Zahnfrakturen beim Pferd und deren Therapiemöglichkeiten. Pferdespiegel 2017; 4: 150–157

2. Simon T. et al. Arbeitsschutz in der Pferdezahnheilkunde. Pferdespiegel 2012; 3: 82–85

3. Scutchfield W. L. Equine dental equipment, In Baker G. J. Equine Dentistry, Elsevier Saunders 2005, 205–220

4. Eltze M., Maleh S. Aspekte rund um den Zahnwechsel junger Pferde. Pferdespiegel 2013; 3: 93–99

5. Immel B. et al. Zahnbehandlung von Ponys. Pferdespiegel 2018; 21: 159–166

6. Rügg M. et al. Zahnerkrankungen bei Eseln. News for Vets 2017/No. 5; 14–18