Tipps für die Zahnbehandlung

bei Pferden

Mag. Silke Stolz
Praxis für Pferdezahnheilkunde und Verhaltenstraining

Regelmäßige Zahn­kon­trol­len helfen dabei, Zahnerkran­kungen bei Pferden früh­zeitig zu erkennen und Schmerzen zu vermeiden.

„Verstecken“ von Symptomen

Wer sich mit Zahnheilkunde bei Pferden beschäftigt, kennt die langen Checklisten mit Symptomen, die auf Zahnprobleme hinweisen (sollen). Diese reichen von den i. d. R. an erster Stelle stehenden Problemen bei der Rittigkeit über verschiedene Verhaltensänderungen bis hin zu ganz offensichtlichen Problemen beim Fressen und bei der Futter-verwertung. Was allerdings häufig unerwähnt bleibt, ist, dass die meisten Pferde mit Zahnproblemen gar keine Symptome zeigen. Dieses Phänomen erklärt sich daraus, dass Pferde als Beutetiere gelernt haben, ihren Schmerz und ihre gesundheitlichen Probleme vor Raubtieren zu verstecken. Die Räuber erkennen kranke und -geschwächte Tiere sofort als einfache Beute. Nicht nur in Anwesenheit von Fressfeinden, sondern auch in Anwesenheit von Menschen werden Pferde deshalb wieder scheinbar gesund und schmerzfrei. Dies wurde eindrücklich in der Arbeit von Catherine Torcivia und Sue McDonnell dargestellt -(„In-Person Caretaker Visits Disrupt Ongoing Discomfort Be-haviour in Hospitalized Equine Orthopedic Surgical Patients“ – Link: www.mdpi.com).

Die einzige Möglichkeit, um Zahnprobleme bei Pferden sicher zu erkennen, bleibt die regelmäßige Zahnkontrolle durch den Tierarzt (in Sedierung).

Da manche Fehlstellungen, z. B. Prognathie, nur bis zum sechsten Lebensmonat therapiert werden können, empfiehlt es sich, die Zähne schon bei Fohlen zu kontrollieren.

Reitpferde

Bei Pferden gibt es – anders als bei den übrigen Haustieren – Probleme, die ausschließlich durch die reiterliche Nutzung entstehen.

Wolfszähne beispielsweise stellen nur dann einen „Störfaktor“ für Pferd und Reiter dar, wenn eine Trense im Maul liegt. Werden Pferde ohne Trense gearbeitet, stellen Wolfszähne im Normalfall kein gesundheitliches Problem dar. Ein Problem, das mir in der Praxis immer wieder begegnet, sind verdeckte (oder gebrochene) Wolfszähne, die über lange Zeit nicht erkannt wurden. Die Pferde werden dann mit (meist einseitigen) Rittigkeitsproblemen vorgestellt, die auch nach der Zahnbehandlung unverändert bleiben. Bei Reitpferden ist es sehr wichtig, bei jeder Zahnkontrolle die Laden im Ober- und im Unterkiefer abzutasten und außerdem auf kleine kraterförmige Einziehungen und Narbenbildungen zu achten, die direkt oder auch bis zu daumenbreit rostral vom P2 liegen. Oft kann man diese Einziehungen nicht ertasten und erst bei geöffneter Maulhöhle und mit einer guten Lichtquelle erkennen. Solche Einziehungen deuten fast immer auf verdeckte Wolfszähne oder Wolfszahnwurzelreste hin.

Hengstzähne

Auch Hengstzähne, die zu lang bzw. zu scharfkantig sind oder an einer ungünstigen Stelle durchbrechen, können die Rittigkeit und das allgemeine Wohlbefinden des Pferdes stören und zu massiven Zungenverletzungen führen. Manchmal stehen Hengstzähne in einem ungünstigen Winkel zur Zunge oder in einem ungünstigen Verhältnis zum Gegenspieler oder auch den gegenüberliegenden Schneidezähnen. Bei einem meiner Patienten, einem damals zehn Jahre alten Isländerwallach, hatte ein Hengstzahn sogar die Zunge penetriert. Das Loch mit circa einem Zentimeter Durchmesser wurde durch den scharfkantigen Zahn immer wieder eröffnet. Nach der Hengstzahn-korrektur heilte es lediglich an den Rändern aus, sodass die Perforation der Zunge erhalten blieb.

Wenn bei Reitpferden die Trense auf die Zunge drückt, wird u. U. der Druck der Zunge gegen die Hengstzähne verstärkt und die Pferde haben Schmerzen. Werden solche Pferde mit Sperrriemen gearbeitet, verschärft sich das Problem zusätzlich, weil ihnen dann jede Möglichkeit fehlt, dem störenden Hengstzahn mit der Zunge auszuweichen.

Schneidezähne

Auch der sogenannte Einbiss am I3 kann zu Verletzungen der Schleimhaut der Lippen und der Zunge führen und Schmerzen beim Reiten mit Trense verursachen. Es ist deshalb für alle Pferde und insbesondere für Reitpferde wichtig, dass auch Hengstzähne und Schneidezähne korrigiert werden. Außerdem sollte bei den Schneidezähnen vor allem älterer Pferde (ab 15 Jahren) auf Anzeichen von EOTRH (Equine Odontoclastic Tooth Resorption and Hypercementosis) geachtet werden. Befinden sich in der Umgebung der Schneidezähne kleine Fisteln oder Rötungen oder erscheinen die Zahnwurzeln dicker als normal, ist eine Röntgenkontrolle notwendig.

Zahnfleischtaschen

Nicht vergessen werden sollte auch auf eine Kontrolle der Maulhöhle mit dem Spiegel. Zahnfleischtaschen sind oft auch schon bei jungen Pferden zu finden. Ohne Spiegel bleiben sie oft versteckt und können ebenfalls starke Schmerzen verursachen. Eine Zahnkontrolle ist nur mit Spiegel vollständig.

Ablenken und Beruhigen beim Sedieren

Eine Kleinigkeit, welche die Behandlung von schwierigeren Pferden für Mensch und Tier erheblich erleichtern kann, ist, das Pferd mit einem „Leckerli“ abzulenken, während dem Tier die Spritze mit der Sedierung verabreicht wird: Der Besitzer hält das aufgehalfterte Pferd am Führstrick, der Helfer erhält die Anweisung, das Pferd so zu füttern, dass der Kopf des Pferdes vom Tierarzt wegzeigt. Dabei sollte sich das Maul des Pferdes mindestens auf Schulterhöhe (des Pferdes) oder sogar ein bisschen höher befinden. Für den Tierarzt ist die Vene in dieser Position besonders gut zugänglich. Das Tier ist abgelenkt und schenkt der Behandlung im Idealfall keine Aufmerksamkeit bzw. kann problemlos sediert werden.

Geräte für die Zahnbehandlung

Am Markt wird eine Vielzahl von Geräten bzw. Werkzeugen für die Dentalbehandlung angeboten. In der Praxis haben sich die leichteren, mit flexibler Welle angetriebenen Handstücke (= Aufsätze für die motorbetriebene Schleifmaschine) unterschiedlicher Hersteller durchgesetzt. Bohrmaschinen mit Schleifaufsatz haben den Nachteil, dass sie schwer und etwas breiter sind, sodass häufig mit Handraspeln nachgearbeitet werden muss.

Für die Backenzähne wird ein langes Handstück mit einer Schleifscheibe verwendet. Diamantbesetzte Schleifkörper haben gegenüber Hartmetallschleifkörpern den Vorteil einer längeren Haltbarkeit und einer stärkeren Abrasion. Sie erhitzen die Zähne deshalb auch nicht so stark. Ein zusätzliches sogenanntes Applecore-Handstück erspart die Nachbearbeitung mit Handraspeln, vor allem im Bereich der hintersten Backenzähne. Durch die sagittale Okklusionskurve liegen die hintersten Backenzähne nämlich etwas höher als die vorderen und sind mit der Scheibe nicht gut erreichbar. Durch die besondere Form können mit dem Applecore-Handstück problemlos Kanten und Haken entfernt werden. Durch den Schleimhautschutz wird überdies die Verletzungsgefahr verringert und die Behandlungsdauer deutlich verkürzt. Ein Handstück mit walzenförmigem Schleifkörper hilft dabei, den vordersten Backenzahn abzurunden. Das macht gerade bei Reit-pferden Sinn, weil im Bereich der vordersten Backenzähne i. d. R. auch die Trense anliegt.

Für die Schneidezähne und Hengstzähne verwende ich kleine diamantbesetzte Trennscheiben mit unterschiedlichen Durchmessern.

Für die Extraktion von Milchzahnkappen und auch von sehr kurzen Backenzähnen bei -älteren -Pferden (älter als 25 -Jahre) empfiehlt sich eine gute Milchzahn-kappen-zange. Diese ist leichter zu handhaben als die langen Extraktionszangen. Weiters sollte auf ein stabiles und sicheres Maulgatter Wert gelegt werden; in meiner Praxis verwende ich das sogenannte „Wiener Modell“. Wichtig sind weiters eine Feinstaubmaske und eine sehr gute, starke Lichtquelle/Stirnlampe, jedoch sollte man damit sehr vorsichtig sein und dem Patienten auch in Sedierung nicht in die Augen leuchten, weil das zu Schreckreaktionen führen kann. Hochwertiges Werkzeug erleichtert die Arbeit ungemein und hilft, Unfälle zu vermeiden; regelmäßige engmaschige Zahnkontrollen helfen, Zahnerkrankungen bei Pferden frühzeitig zu erkennen und Schmerzen, die oft jahrelang unbemerkt bleiben, zu vermeiden. Zudem haben Pferde mit gesunden Zähnen eine längere Lebenserwartung und mehr Freude bei der „Arbeit“.