So wird meine Ordination zur Marke:

Personal Branding in der Tierarztpraxis

Bettina Kristof

Warum kommen Tierhalter mit ihrem Haustier in meine Praxis? Diese Frage sollte sich jeder niedergelassene Tierarzt stellen. Und – Überraschung: Es ist nicht die Fachkompetenz allein, die für eine volle Ordination sorgt.

Auch wenn das medizinische Fachgebiet natürlich Kernkompetenz jeder Tierärztin/jedes Tierarzts ist, gibt es ­einige weitere Kriterien, die den Erfolg einer gut funktio­nierenden Tierarztpraxis ausmachen. Wir haben darüber mit der diplomierten Kommunikationsberaterin Karin Wöhrer, die sich auf die Beratung von Klein- und Mittelbetrieben spezialisiert hat und schon so manchem Unternehmen durch die richtige Positio­nierung zu Erfolg verholfen hat, gesprochen.

Frau Wöhrer, warum ist Personal Branding auch für Tierärztinnen und Tierärzte wichtig?
Branding grundsätzlich ist Markenbildung und Markenentwicklung. Eine Marke resultiert aus der Corporate Identity, der CI. Diese wird durch das Äußere bestimmt, also durch das Design, das Verhalten – das ist Corporate Behaviour – und durch unsere Kommunikation, also wo und wie wir kommunizieren, das ist Corporate Communi­cation. Die Marke verdichtet die CI in ein Symbol, einen Namen, einen Slogan, in ein Image. Bei Personal Branding geht es darum, eine Person zur Marke zu machen, mit all ihren Stärken, ihrer Persönlichkeit und ihrer Kompe­tenz. Die Tierärztinnen und Tierärzte sind ihr eigenes Produkt, sie sind sozusagen Marke und Produkt gleichzeitig. Sie stehen mit ihrer Praxis als Marke für gewisse Werte. Marken geben Vertrauen, Sicherheit und Orientierung, deshalb ist es auch für Tierärztinnen und Tierärzte sinnvoll, sich zur Marke zu machen.

Wie darf man sich den Markenaufbau in einer Tierarztpraxis vorstellen?
Die Gesetzmäßigkeiten für einen Markenaufbau und für eine Markenentwicklung sind branchenunabhängig. Beim Personal Branding geht es um die Persönlichkeit, bei den Tierarztpraxen auch um das Angebot. Beim Angebot sollte man sich auf die Stärken konzen­trieren – und auf alle Merkmale, die einen von der Konkurrenz unterscheiden.

Der zweite Punkt ist die Positionierung. Eine Nutztierpraxis im ländlichen Bereich wird anders positioniert sein als eine Kleintierpraxis in Wien in einer Nobelgegend. Jeder Tierarzt, jede Tierärztin sollte sich fragen: Wohin stelle ich mich am Markt und wofür stehe ich mit meiner Praxis? Welches Angebot decke ich ab und welche Werte habe ich? Das kann zum Beispiel angstfreie Behandlung, liebevolle Begleitung oder die Spezialisierung auf bestimmte Fachbereiche sein.

Der dritte Punkt sind die Markenattribute: Welche Att­ribute ordne ich mir als Tierarzt oder Tierärztin zu? Das kann beispielsweise ein angstfreier Umgang mit den Patienten oder Freundlichkeit beim Empfang sind, et cetera. Die Markeneigenschaften hängen beim Personal Branding stark mit der Persönlichkeit des Tierarztes oder der Tierärztin zusammen. Insgesamt bedeutet es, dass ich die Marke aus Angebot, Positio­nierung und Eigenschaften entwickle.

Wie findet eine Tierärztin beziehungsweise ein Tierarzt ihr oder sein Alleinstellungsmerkmal?
Das eine ist die Frage: Was kann der Tierarzt oder die Tierärztin besonders gut? Da geht es um das Bewusstsein für die eigenen Kompetenzen. Das können eben die Behandlungsmöglichkeiten sein, die Räumlichkeiten, Speziali­sierungen, Zusatzangebote, Serviceleistungen – und das immer wieder im Vergleich zum Mitbewerb. Es geht darum, bewusst zu sagen: Was sind meine Kompetenzen, wodurch zeichne ich mich aus und warum kommen die Tierhalter zu mir?

Der zweite Punkt für das Alleinstellungsmerkmal ist: Wie lebe ich meine Praxis? Also das Behaviour, das Verhalten, das wir aus der CI kennen. Da geht es profan um Dinge wie die Erreichbarkeit: Per Telefon oder per E-Mail? Gibt es einen Notruf? Wie ist die Begrüßung in der Praxis? Geht die Assistentin auf die Tiere ein, gibt es Akuttermine, wie ist generell die Stimmung in der Praxis? Gibt es Zeitfenster für bestimmte Tierarten, die sich nicht unbedingt begegnen sollten? Das Was und das Wie helfen dabei, das persönliche Alleinstellungsmerkmal herauszufiltern.

Kann eine Tierärztin respektive ein Tierarzt Storytelling für den Markenaufbau nutzen?
Absolut! Menschen lieben Geschichten, Geschichten sprechen uns an. Fakten sind das eine; das Storytelling ist eine Erzählmethode, um harte Fakten in bewegende Geschichten zu verpacken. Man kann damit gut bestimmte Vorgänge kommunizieren, etwa: Wie handhabe ich meine Praxis, wie läuft ein Besuch bei mir ab? Ein ideales Kommunikationsmittel dafür sind Videos, die man auf die Website stellen kann. Man kann aber auch Tierhalter Storys erzählen lassen, wie es ihnen und ihren Tieren beim Tierarztbesuch ergangen ist, oder man veröffentlicht Zitate zufriedener Tierhalter auf der Website. In den Videos kann man darstellen, wie die Begrüßung abläuft, man kann die Behandlungsräume zeigen, eventuell auch bestimmte Behandlungen. Es geht darum, ein angstfreies Setting zu kreieren, Kompetenz zu zeigen und das Vertrauen zu stärken. Das stärkt gleichzeitig die Marke.

Wie wichtig sind die digitalen Medien bei der Kreation einer Marke?
Digitale Medien sind ein fixer Bestandteil unseres Lebens, die Pandemie hat unser Leben ein Stück weit mehr ins Digitale verlagert. Digital ist wichtig, weil Menschen einerseits Informationen suchen, was Krankheiten und Behandlungsmöglichkeiten betrifft, andererseits nützen sie das Netz auch dafür, eine Tierarztpraxis zu finden. Digitale Medien bieten eine Riesenreichweite und entsprechen dem Suchverhalten der Menschen. Zu den Basics gehört daher, eine gute Website zu haben und auf Google Maps gefunden zu werden. Digitale Medien sind wichtig, weil sie viel Potenzial bergen.

Sollen Tierärzte und Tierärztinnen auf Social Media setzen?
Social Media sind sehr schnell, sehr dynamisch. Wenn der Tierarzt oder die Tierärztin genug Zeit aufbringt, die sozialen Medien gut zu bespielen, ergibt das durchaus Sinn. Wenn er oder sie das aber neben dem Tagesgeschäft nicht in ausreichender Form bewältigen kann – sprich: sich nicht wirklich um den Content kümmern kann –, dann bringt es nichts.

Dann ist es besser, eine solide Website zu haben und sich darauf zu konzentrieren, diese immer aktuell zu halten. Die Website eignet sich auch gut, um unterschiedliche Behandlungsmethoden vorzustellen. Besser, man hat ein Medium gut in Schuss, als man verzettelt sich mit Social Media. Eine Möglichkeit wäre noch, die Social-Media-Betreuung auszulagern.

Zum äußeren Erscheinungsbild der Marke gehört das Logo. Wie wichtig ist das für die Tierarztpraxis?
Es gehört zum sichtbaren Teil der Marke und hat seine Wichtigkeit, jedoch nicht allein. Viele glauben: Ich habe ein Logo, damit habe ich eine Marke. Der optische Auftritt ist aber mehr. Es geht dabei um Farbwelten; ich muss mich beispielsweise entscheiden, ob ich warme oder kalte Farben wähle. Ich sollte mir genau überlegen, was am besten zu meiner Persönlichkeit passt.

Dann geht es weiter: Spiegeln sich diese Farben in der Praxis wider, haben die Mitarbeiter einheitliche Bekleidung, werden die Rechnungen auf schönes Papier mit gut sichtbarem Logo gedruckt? Da geht es um die Optik nach außen, um das Sichtbare; das wird auch unterschwellig wahrgenommen. Dazu gehört übrigens nicht zuletzt auch die wichtige Frage, wie sauber und gepflegt die Ordination ist und ob hygienische Maßnahmen eingehalten werden. Die CI zieht sich wie ein roter Faden durch viele Praxisbereiche.

Welche weiteren Tipps haben Sie für die Tierärztinnen und Tierärzte?
Ich empfehle den Tierärztinnen und Tierärzten, sich wirklich mit der „Marke Tierarzt“ auseinanderzusetzen. Sie können sich beispielsweise fragen: Habe ich nur ein Logo oder habe ich eine Marke mit allem, was dazu gehört? Erfülle ich die Kriterien einer Marke oder kann ich sie durch Hervorhebung meiner Kompetenzen noch stärken? Bin ich noch Logo oder bin ich schon Marke? Spiegelt die Marke meine Persönlichkeit wider? Wenn ich als Person herzlich und engagiert bin, strahlt das auch mein Logo aus? Auftritt und Persönlichkeit – passt das zusammen? Stimmigkeit und Authentizität sind hier wichtige Faktoren. Des Weiteren empfehle ich allen Tierärztinnen und Tierärzten, großes Augenmerk auf die Website zu legen. Sie ist die Homebase des Unternehmens und sollte aktuell und informativ sein.

Ein Tipp ist, Bewertungen und Kundenkommentare zu sammeln und als Statements auf die Website zu stellen. Auch Fotos von tierischen Patienten und generell Tierbilder kann man hier einsetzen, diese emotionalisieren. Zusatzausbildungen und Spezialisierungen sollten ebenso angegeben werden. Wichtig sind auch FAQs: Notieren Sie Fragen, die häufig von Tierhaltern gestellt werden, und beantworten Sie diese auf der Website. Auch Fachartikel, Tagungen und spannende Erkenntnisse aus dem Bereich der Veterinärmedizin sollten auf die Website kommen.

Wenn man dabei ist, seine eigene Marke zu kreieren, sollte man dann auch Vorbilder, Mentoren und das nähere Umfeld befragen?
Wenn man im Markenaufbau ist, ist es schon sinnvoll, sich fachlichen Rat zu holen. Vorbilder und Mentoren können bei der Markenentwicklung auch hilfreich sein. Der Blick von außen kann von Bedeutung sein, wenn ich eine Marke aufbaue. Wenn ich ein Vorbild habe oder einen Mentor, dann kann ich um Begleitung und Erfahrungsaustausch bitten. Generell ist es wichtig, sich beruflich gut zu vernetzen. Es ist wertvoll, wenn man einen Wegbegleiter hat, dem man vertraut.

Gleichzeitig sollte man aber immer auf die eigene Persönlichkeit achten. Man kann sich an anderen orientieren, aber darf sie nicht imitieren. Vorbilder sind als Inspiration und für Empfehlungen gut, aber dann muss man den eigenen Weg gehen. Authentisch zu sein und die eigene Persönlichkeit zu entwickeln ist entscheidend bei der Markenbildung.

Link: https://agentur-woehrer.at