Partielle Maxillektomie

bei einem dreijährigen Labrador-Rüden

Mag. med. vet. Daniel Eschlböck
Kleintierklinik Breitensee

Die Besitzer des dreijährigen Rüden holten sich nach einer Antibiotikumbehandlung eine zweite Meinung ein. Nach einer pathohistologischen Untersuchung war ein Plattenepithelkarzinom nachweisbar.

Nationale

„Max“, Labrador-Retriever, drei Jahre, männlich, -kastriert, 35 Kilo.

Anamnese

Dem Besitzer fiel eine gerötete und geschwollene Umfangsvermehrung im Bereich des linken Oberkiefers (Caninus) auf. Aufgrund dessen wurde Max von seinem Haustierarzt mit Antibiotikum (Amoxicillin/Clavulansäure 20 mg/kg BID) behandelt. Da der Besitzer nach einer Woche keine Änderung feststellen konnte, konsultierte er uns für eine zweite Meinung.

Klinik

Bei der Erstvorstellung zeigte Max eine leicht ulzerierende Umfangsvermehrung der Gingiva im Bereich des linken Oberkiefer-Caninus (Abb. 1). Die klinische Untersuchung war unauffällig.

Diagnostik

Für die Diagnose führten wir eine -Computertomografie mit intravenöser Kontrastmittelgabe (Xenetix 1,9 ml/kg i. v.) durch. Anschließend war eine Feinnadelbiopsie geplant. Da sich jedoch im CT bereits Veränderungen des Kieferknochens zeigten, wurde eine Full-Thickness-Biopsie inklusive Entnahme von Knochenmaterial durchgeführt (Abb. 2). Die Bioptate wurden zur patho-histologischen Untersuchung eingesandt.

Ergebnis der pathohistologischen Untersuchung

Trotz recht guter Differenzierung des neoplastischen Epithels handelte es sich hier angesichts des Vorberichts deutlicher Osteolyse des Zahnfaches höchstwahrscheinlich um ein Plattenepithelkarzinom und nicht um eine papillomatöse Wucherung. Es war mit erheblicher Rezidivgefahr zu rechnen, die Metastasierungsgefahr wurde als relativ gering eingeschätzt.

Weiterführende Untersuchungen

Es wurden zum Ausschluss von Lungenmetastasen Röntgenaufnahmen des Thorax in drei Projektionsrichtungen durchgeführt: Das Differenzialblutbild sowie die blutchemischen Parameter (BUN, Glukose, ALP, T-Protein, GPT, Crea) waren unauffällig.

Operationsvorbereitung

Um die Keimzahl in der Maulhöhle zu reduzieren, wurde vor der Operation sämtlicher Zahnstein mittels Ultraschallzahnreiniger entfernt. Zur besseren Operations-planung fertigten wir eine 3-D-Rekonstruktion (Abb. 3) des Schädels an, um die genaue Ausdehnung des Platten-epithelkarzinoms festzustellen und die Resektionsgrenzen abzuschätzen. Diese wurden jederseits des Caninus, den Inzisivus drei sowie die ersten zwei Prämolaren einschließend, festgelegt.

Prämedikation und Narkose

Heptadon (0,5 mg/kg i. v.), Midazolam (0,25 mg/kg i. v.), Einleitung mit Propofol (3 mg/kg i. v.). Anschließend Intubation. Erhaltung mittels Inhalation (Isofluran 1,6 Vol.-%, O2) Cefacolin (20 mg/kg i. v.), Meloxicam (0,2 mg/kg s. c.).

Lagerung

• Rückenlage mit Schräghaltung des Kopfes auf 

einem Sandkissen

• Erkrankter linker Oberkiefer vom Gaumen
wie auch von lateral her zugänglich

• Linke Lefze mit zwei Tuchklemmen nach dorsal
gehalten und während des Eingriffes manipulierbar

• Unterkiefer, mit maximal aufgespreiztem Maul,
ausgebunden

Operation

Zu Beginn der Operation wurde der labiogingivale Ansatz abgetrennt sowie der palatinale Resektionsblock umschnitten und anschließend mittels Osteotom entfernt. Das einzige größere Gefäß (A. Palatina) in diesem Bereich wurde ligiert. Im nächsten Schritt wurden die Zahnwurzelreste entfernt. Anschließend folgte die Präparation des labialen Flaps mit Basis am freien Lippenrand und Mobilisierung der Mukosa des Gaumens durch Unterminierung mit einem Raspatorium. Danach erfolgte die spannungsfreie Adaption des labiogingivalen Flaps an die Mukosa des Gaumens durch horizontale Matratzennähte. An den Rippen des Gaumens wurde PDS 4/0m verwendet und in den Vertiefungen dazwischen PDS 3/0m. Das entnommene Gewebe wurde erneut zur pathohistologischen Befundung eingesandt.

Ergebnis pathohistologische Untersuchung

Im Weichgewebe um den Kieferknochen herum war der Tumor durch eine eitrige Entzündung maskiert, zusätzlich waren kleine verstreute Areale eines Plattenepithel-karzinoms nachweisbar; es bestand der Eindruck stark invasiven verstreuten Wachstums; obwohl die Biopsien des Resektionsbettes frei von Tumorzellen erschienen, sei laut Pathologen die laufende Beobachtung bezüglich -möglicher Rezidivbildung indiziert.

Verlauf

Der Rüde wurde am selben Tag unter analgetischer Behandlung mit Meloxicam (0,2 mg/kg, SID) und Anti-biose (Amoxicillin/Clavulansäure 22 mg/kg) entlassen. Der Besitzer bekam weiters die Anweisung, nur weiches Futter zu füttern.

Die Meloxicambehandlung wurde für die nächsten drei Monate fortgeführt, da orale Plattenepithelkarzinome COX-2 exprimieren, was den therapeutischen Einsatz von COX-2-Inhibitoren sinnvoll erscheinen ließ. Bei der postoperativen Kontrolle am ersten Tag zeigten sich die Nähte in situ. Der labiogingivale Flap war vital (Abb. 4). Die nächste Kontrolle fand 18 Tage darauf statt. Die Nähte waren großteils resorbiert und die Wundränder nahezu verheilt (Abb. 5). Einen Monat nach der Operation waren alle Nähte aufgelöst sowie die Wunden der Operation verheilt. An der Schleimhaut zeigten sich geringgradige Eindellungen durch die Zähne des Unterkiefers. Diese Läsion beeinträchtigte den Hund nicht, daher wurde von einer weiteren Intervention abgesehen. Drei Monate nach der OP war der labiogingivale Hautlappen an der Schleimhaut des Gaumens komplett verheilt und es zeigten sich nur mehr leichte Zahnabdrücke der Zähne des Unterkiefers (Abb. 6). Nach 14 Monaten zeigte sich kein Rezidiv.
Im Kontrollröntgenbild gab es keine Anzeichen eines Verdachts auf Veränderungen des Kieferknochens (Abb. 7).

Zur Erkrankung

Orale Plattenepithelkarzinome (PEK) stellen beim Hund circa elf Prozent aller Neoplasien der Maulhöhle bzw. die zweithäufigsten malignen Maulhöhlentumoren dar. Die labiale, bukkale Mukosa bzw. der Gaumen sind nur selten betroffen, die meisten oralen PEK treten in der Gingiva rostral der Prämolaren auf.

Klinik

PEK der Gingiva stellen sich als hellrote, häufig ulzerierte und leicht blutende Zubildungen dar. Eine Invasion in den Kieferknochen ist häufig und führt oft zur Osteolyse. Gingivale Plattenepithelkarzinome metastasieren selten bzw. erst spät im Verlauf der Krankheit.

NSAID-Therapie

Es konnte nachgewiesen werden, dass orale Platten-epithelkarzinome COX-2 exprimieren, was den thera-peutischen Einsatz von COX-2-Inhibitoren sinnvoll erscheinen lässt.

 

Literaturnachweis

Kessler M. (Hrsg.): Kleintieronkologie, 3. Auflage 2013,
Enke Verlag in MVS GmbH

Fossum T. W.: Chirurgie der Kleintiere, 1. Auflage in dt. Übersetzung, Elsevier Health Sciences 2007

Tobias Schwarz, Jimmy Saunders: Veterinary Computed Tomography, Wiley Blackwell, 2011

Dr. Martin Kessler, VÖK-Tumorchirurgie-Seminar 2015

Karen Tobias, Spencer Johnston, Veterinary Surgery:
Small Animal, 1st Edition, Saunders, 2011