Parodontitis bei Hund und Katze

„Wir sollten jede Rötung beachten!“

Dr. Astrid Nagl

Weitverbreitet – und eine der häufigsten Frage­stellungen in der Kleintierpraxis – sind Entzündungen der Maul­höhle. Diese sind oft mit erheblichen Schmerzen und Einschränkungen der Lebensqualität für die betroffenen Tiere verbunden. Dabei gilt es zu unterscheiden, ob es sich bei einem Patienten um Gingivitis handelt, also eine reversible Entzündung des Zahnfleischs, oder ob bereits eine Parodontitis (eine Entzündung des Zahnhalteapparats) vorliegt, die schließlich zu einem Verlust des Zahnhalteapparats und einem damit einhergehenden Knochenabbau führt. Im Rahmen der klinischen Untersuchung kann meist vor allem die Rötung und Schwellung der Gingiva beurteilt werden. „Bei der Adspektion im klinischen Setting wird die Prävalenz jedoch noch immer stark unterschätzt“, erklärt Dr. Nicole Grünwald, die sich seit vielen Jahren intensiv mit diesem Thema auseinandersetzt. „In der Allgemeinanästhesie stellen wir dann oft fest, dass die Veränderungen bereits tiefgreifender und deutlich weiter fortgeschritten sind.“ 

Im Gegensatz zur Gingivitis ist die Parodontitis nicht heilbar, die Erkrankung kann aber mit einem guten ­Therapieansatz meist aufgehalten werden, sodass die Tiere schmerzfrei leben und fressen können. Dr. Grünwald: „Je früher erkannt wird, dass es sich um Paro­dontitis handelt, und je eher Maßnahmen ergriffen werden können, desto mehr Zähne können erhalten bleiben.“ Tatsächlich bestätigen Studien, dass beim Hund zunächst meist die Incisivi, der vierte maxillare Prämolar und der erste maxillare Molar betroffen sind; bei manchen Rassen auch die Canini. Doch Symptome wie vermehrtes Kratzen im Kopfbereich, das Reiben im Gras oder das Wischen des Gesichts mit den Vorderpfoten werden von Besitzer*innen meist nicht als Zahnschmerzen interpretiert. So werden die meisten Hunde erst vorgestellt, wenn der Maulgeruch unerträglich wird oder das Tier nicht mehr frisst. 


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„Ein gutes Dentalröntgen in Allgemeinanästhesie ist unerlässlich, um festzustellen, was mit dem betroffenen Zahn tatsächlich los ist, wie die Wurzel aussieht und ob schon ein alveolarer Knochenverlust besteht“, stellt Dr. Grünwald fest. „Weiters sollte die Zahntasche sondiert werden, um ihre Tiefe und den Grad der Entzündung einschätzen zu können.“ Auch die Festigkeit des Zahns muss geprüft werden. Ist bereits ein Zahnfleischrückzug erkennbar? Liegt der Wurzelhals teils frei oder hat sich der alveolare Knochen zwischen den Zahnwurzeln bereits zurückgebildet („Furcation exposure“)? Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren kann dann eine Einschätzung über den Schweregrad der Parodontitis und eine Entscheidung über Zahnerhalt oder Extraktion getroffen werden.

„Die Schwere der Gingivitis gibt nicht unbedingt Hinweise darauf, wie bald mit einer Lockerung des Zahns zu rechnen ist“, meint Dr. Grünwald. Umgekehrt muss auch eine Lockerung nicht bedeuten, dass gerade eine akute, aktive Parodontitis vorliegt, wenn kein An­zeichen einer Gingivitis sichtbar ist. Bei jungen Tieren kann eine Zahnfehlstellung der Grund für eine Rötung und Schwellung sein. 

Die Wahrscheinlichkeit, Parodontitis zu entwickeln, steigt zumindest beim Hund mit dem Alter und mangelnder Zahnpflege an. Auch eine genetische Komponente wird immer wieder diskutiert, da vor allem kleinere Rassen betroffen sind.

Bei Katzen wird die Parodontitis nach den gleichen Kriterien beurteilt wie bei Hunden. Doch es gibt noch eine zweite Problematik, die bei diesen Tieren etwas häufiger als beim Hund vorkommt: die Zahnresorption. Als Ursache hierfür wird ein erhöhter Vitamin-D-Gehalt im Katzenfutter vermutet. Im Gegensatz zur passiven Zerstörung des Zahnmaterials durch Karies handelt es sich um einen aktiven Prozess, bei dem Knochenmaterial durch Osteoklasten abgebaut wird. Gleichzeitig wird Wurzelmaterial durch Knochenmaterial ersetzt, was zu starken Schmerzen führt, sobald dieser Prozess die Maulhöhle erreicht.

„Von der Zahnresorption sind bei der Katze am häufigsten der 307 und der 407 (also der zweite Prämolar im Unterkiefer, Anm.) betroffen“, berichtet Dr. Grünwald. „Wenn Sie dort eine Zahnfleischwucherung und / oder Rötung bemerken, ist die Wurzel bereits angegriffen; denn die Zahnresorption beginnt an der Wurzel und schreitet mit der Zeit bis zur Maulhöhle fort, wo es dann sehr schmerzhaft wird.“ Daher wird von tierärztlicher Seite oft erst spät eingegriffen. In den meisten Fällen ist die Resorption schon weit fortgeschritten und der Zahn muss extrahiert werden. Ist im Dentalröntgen nur eine geringe Veränderung an der Wurzel feststellbar und sind noch keine Anzeichen von Schmerz oder Entzündung ersichtlich, kann man einen konservativen Therapieversuch mit häufigem Monitoring (zumindest halbjährlich) erwägen. Die Extraktion der betroffenen Zähne ist bei Katzen oft schwierig, weil die Wurzeln zart und schmal und oft schon teilresorbiert und beschädigt sind. Es kann nur dann Schmerzfreiheit erreicht werden, wenn alle Wurzeln bis zur Wurzelspitze entfernt wurden. Deshalb ist auch ein Dentalröntgen nach der Extraktion unabdingbar!

Sowohl für die Prophylaxe als auch für die Therapie gilt bei Hunden und Katzen: Fleißig Zähne putzen ist der hilfreichste Faktor. Natürlich kann auch Spielzeug gezielt verwendet werden, ebenso wie ­chlorhexidinhaltige Mundspülungen oder Gels. Auch tägliches intensives Kauen aller möglichen geeigneten Kaumaterialien kann die Entwicklung von Zahnbelag etwas verzögern. Nach einer Zahnreinigung formt sich nämlich binnen Minuten bis Stunden eine neue Schicht von Glykoproteinen aus dem Speichel, die in weiterer Folge wieder von Bakterien kolonisiert wird, und die Plaquebildung beginnt von Neuem. Die Plaque gesunder Zähne enthält großteils aerobe Bakterien, während die Plaque bei Parodonti­tiden vor allem aus anaeroben Keimen besteht. Eine Veränderung im Mikrobiom des Speichels ist die Ur­sache dafür. „Das heißt, ein Zahnservice wird nur dann langfristig Wirkung zeigen, wenn es mit einem Pflege- bzw. Prophylaxekonzept verbunden wird“, fasst Dr. Grünwald zusammen. 

Dr. Nicole Grünwald leitet die Tierarztpraxis / Dentalzentrum Alland in Niederösterreich. Sie hat sich auf Zahnmedizin bei Hund und Katze spezialisiert und unter anderem das ÖTK-Diplom für Zahn- und Kieferchirurgie abgeschlossen. 

Quellenangaben / weiterführende Literatur:

Wallis, C., Holcombe, L.J. (2020): A review of the frequency and impact of periodontal disease in dogs. J Small Anim Pract, 61: 529-540. 
https://doi.org/10.1111/jsap.13218

Niemiec, B., Gawor, J., Nemec, A., Clarke, D., McLeod, K., Tutt, C., Gioso, M., Steagall, P.V., Chandler, M., ­Morgenegg, G. and Jouppi, R. (2020): World Small ­Animal Veterinary Association Global Dental Guidelines. J Small Anim Pract, 61: E36-E161. https://doi.org/10.1111/jsap.13132

Gorrel, C. (2015): Tooth resorption in cats: pathophysiology and treatment options. J Feline Med Surg. 17(1):37-43. doi: 10.1177/1098612X14560098. PMID: 25527492; PMCID: PMC11383098.

Perry R., Tutt C. (2015): Periodontal disease in cats: Back to basics – with an eye on the future. Journal of Feline Medicine and Surgery. 17(1):45-65. doi:10.1177/1098612X14560099