Die verbesserten Lebensbedingungen im Einklang mit dem neuen Stellenwert unserer Heimtiere in der Familie (Kinderersatz, Verlust eines Partners usw.) führen glücklicherweise zu einer wesentlich längeren Lebenserwartung. In Kombination mit den Fortschritten der modernen Tiermedizin (verbesserte Diagnostik und Therapien) bringt dies eine Verschiebung der auftretenden Krankheiten und deren Wertigkeit mit sich. Immer älter werdende Tiere führen uns zu einem zunehmend wichtiger werdenden Gebiet der Tiermedizin: der Onkologie mit extrem variantenreichen Facetten der Betreuung.
Während früher die Onkologie nur ein Randgebiet der Veterinärmedizin war, gewinnt sie nun rasch an Bedeutung: Nicht nur das höhere Lebensalter der Tiere und die spezielle Bedeutung des betroffenen Tieres machen spezifische Kenntnisse notwendig, um dem gesteigerten Bedarf an onkologischem Wissen gerecht zu werden. Diese Vielfalt an neuen Möglichkeiten bringt aber auch einige Stolpersteine mit sich: Die immense Breite an Diagnosemöglichkeiten (zusätzlich zu den gängigen Blutuntersuchungen spezielle Fragestellungen, Röntgen, Ultraschall, Computertomografie, histologische Zytologie und spezielle Pathologie) führt uns in einen Bereich, wo die finanzielle Situation des Tierbesitzers unseren Bestrebungen ein Ende setzt. Dazu kommt noch, dass nach einer kostenintensiven Diagnostik erst mit einer eventuell noch teureren Therapie in mehreren Sitzungen begonnen werden soll. Dies ist zu akzeptieren und man darf nicht mit allzu optimistischen Prognosen die Tierbesitzer subjektiv überreden wollen, um unsichere Zustimmungen zu beeinflussen.
Ein weiterer Knackpunkt ist die oft extrem negative Einstellung zur Chemotherapie: „Lass ich nie und nimmer mit meinem Tier machen“; dafür verantwortlich sind negative Schilderungen aus der Humanmedizin mit vollkommen falschen Rückschlüssen auf die Tiermedizin. Zum Glück kommen uns hier aber auch die vielen positiven Rückmeldungen aus der Humanmedizin zu Hilfe: Es gibt schon viele Tierbesitzer mit eigenen Erfahrungen in der Onkologie; mit diesen Besitzern kann man viel freier und ehrlicher über alle Bereiche sprechen.
Gerade in der Onkologie gibt es einen ganz wichtigen Grundsatz: zuerst genaueste Diagnose und dann ausführliches Gespräch über alle Eventualitäten der Therapie und Prognose. Man muss dem Besitzer genügend Zeit für Überlegungen in aller Ruhe geben und darf ihn auf keinen Fall bedrängen oder überreden. Hier zeigt sich immer wieder, dass offene, ehrliche und umfangreiche Gespräche auch bei diesen manchmal enttäuschenden Ergebnissen zu annähernd zufriedenen Tierbesitzern führen.
Während der Tierbesitzer zunehmend bereiter für intensive Therapie mit umfangreichen Varianten wie Chirurgie, Chemotherapie mittels Infusionen in mehreren Sitzungen, Bestrahlungen, Hyperthermie oder Fotodynamische Therapie ist, gibt es berechtigterweise eine große Gruppe von Leuten, welche für ihr Tier eine Therapie wünscht, wo mit Bedacht auf finanzielle Kosten und nicht zu großem Aufwand für das Tier (denken Sie nur an die regelmäßige Medikamenteneingabe bei Katzen!) eine sinnvolle Behandlung ohne großen Stress für das Tier durchgeführt werden kann. Hier bieten sich mehrere Möglichkeiten zur palliativen Therapie an.
Wir verstehen darunter Maßnahmen bei Tumoren, wenn eine Heilung nicht möglich ist und wir damit wenigstens die Beschwerden, also die Schmerzen, lindern können. Ziel ist eine Verbesserung der Lebensqualität des Patienten ohne Verlängerung der Überlebenszeit; oft gelingt uns wegen deutlicher Funktionsverbesserung eine beachtliche Verlängerung einer qualitativ guten Überlebenszeit. Auch, wenn manchmal eine palliative Chirurgie sinnvoll erscheint – selbst bei bereits erfolgter systemischer Metastasierung kann eine Resektion eines infizierten, nässenden, eitrigen oder nekrotisierenden Primärtumors den entscheidenden Faktor zur Verbesserung der Lebensqualität bedeuten –, steht im Vordergrund unserer palliativen Therapie eine möglichst minimale Belastung des Tieres wie auch des Besitzers. Zwar will der Besitzer seinem Tier unbedingt helfen, aber aus finanziellen Gründen, wegen allgemeiner Ablehnung einer zytostatischen oder invasiven Therapie oder wegen mangelnder Compliance will er sich auf eine möglichst schonende Behandlung und Begleitmaßnahmen beschränken.