Osteoarthritis beim Hund –

Grapiprant als neue Therapieoption

STEPHAN NEUDECK
Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo)

Der selektive EP4-Rezeptorantagonist Grapiprant ist seit 2019 in Österreich erhältlich. Damit steht Tierärzten neben den klassischen antiphlogistischen und analgetischen Wirkstoffen eine alternative Behandlungsoption mit selektivem Wirkmechanismus zur Verfügung.

Die Osteoarthritis ist die häufigste Ursache für chronische Schmerzen im Bewegungsapparat bei Hunden

Das Alter (Hunde > 4 Jahre) und das Körpergewicht (> 25 kg) zählen zwar zu den prädisponierenden Faktoren für die Entstehung von Gelenkerkrankungen, potenziell können jedoch alle Hunde davon betroffen sein 1. In Deutschland und Nordamerika leidet annähernd jeder vierte Hund an einer chronischen Gelenkerkrankung 2, 3. Die Osteo-arthritis ist eine progressive, degenerative und dynamische Erkrankung, der ein komplexer Pathomechanismus zugrunde liegt. Sowohl die primäre als auch die sekundäre Osteoarthritis ist in der Regel mechanisch induziert, in der Folge kommt es zu einem Teufelskreis aus biochemischen und immunpathologischen Prozessen, die in einer weiteren Zerstörung des Gelenks münden. Kommt es schmerzbedingt zu mangelnder Aktivität, schreiten Abbauprozesse weiter voran (Abb. 1). Schließlich tritt eine zunehmende Zerstörung des Gelenkknorpels auf, an die sich Umbauprozesse im Knochen wie die Osteophytenbildung anschließen. Pathologische Veränderungen können zudem über das Gelenk hinausgehen und den subchondralen Knochen, die Muskeln, Sehnen und Bänder betreffen.

Multimodale Therapiekonzepte eignen sich zur Therapie von chronischen Gelenkerkrankungen

Der multimodale Ansatz zielt darauf ab, die synergetischen Effekte der einzelnen Maßnahmen besser auszuschöpfen. Damit einher geht auch die Chance, die Dosis eingesetzter schmerz- und entzündungshemmender Medikamente zu reduzieren und auf individuelle Bedürfnisse, etwa bei vorhandenen Komorbiditäten, anzupassen.

multimodale therapie

Multimodale Behandlungsstrategien zur Therapie von chronischen Gelenkerkrankungen bestehen unter anderem aus: 4

• Aktivitätskontrolle

• Gewichtskontrolle

• Ergänzungsfuttermitteln

• Physiotherapie

• Analgesie und Entzündungshemmung sowie

• chirurgischen Maßnahmen.

Mit Grapiprant steht ein neuer Wirkstoff zur Verfügung

Die Leitsymptome der Osteoarthritis sind Gelenkschmerzen und Lahmheiten. Dabei entstehen die Schmerzen nicht im Knorpel, da dieser selbst nicht innerviert ist, sondern in der fibrösen Gelenkkapsel, den Bändern, den Menisken und dem Periost 5.

Meist leiden Hunde mit chronischer Osteoarthritis zum Zeitpunkt der Vorstellung bereits an chronischen Schmerzen, oft mit bestehendem Wind-up-Phänomen, das mit Hyperalgesie, zentraler Hypersensitivität und Schmerzverstärkung einhergeht.

Um Schmerz und Entzündung (und damit verbundene weitere Gelenkschädigung) einzudämmen, sind zur Behandlung der Osteoarthritis analgetische und antiphlogistische Wirkstoffe erforderlich. Aufgrund des chronischen Charakters der Erkrankung besteht von Tierärzten und Patientenbesitzern zusätzlich der Wunsch nach nebenwirkungsarmen Medikamenten, die sich auch zur Langzeitbehandlung eignen. NSAIDs zählen zu den klassischen Wirkstoffgruppen zur Therapie entzündlicher Erkrankungen. Nicht steroidale Antiphlogistika als mehr oder weniger selektive Cyclooxygenase-Hemmer (COX-Hemmer) zählen zu den klassischen Wirkstoffgruppen zur Therapie entzündlicher Erkrankungen. Diese haben ihren Angriffspunkt in der Arachidonsäurekaskade und hemmen die beiden Schlüsselenzyme COX-1 und COX-2 für die Produktion von Prostanoiden wie Prostaglandine, Prostazyklin und Thromboxan.

Prostaglandine fungieren als Schmerzmediatoren und beteiligen sich an inflammatorischen Prozessen. Sie spielen jedoch auch bei einer Reihe physiologischer Prozesse im Körper eine Rolle, etwa: 6, 7

• zur Regulation des renalen Blutflusses

• für die gastrointestinale Zytoprotektion

• bei der Regulation des Tonus der Blutgefäße und der Bronchialmuskulatur

• im Immunsystem und

• bei der Thrombozytenaggregation.

Aus diesem Kontext erklären sich die potenziellen Nebenwirkungen von NSAIDs wie gastrointestinale Ulzera, Papillennekrosen der Niere, Blutgerinnungsstörungen oder Bronchokonstriktion.

Ein neuer Wirkstoff aus der Gruppe der Piprante mit der Zulassung zur Behandlung der caninen Osteoarthritis ist Grapiprant. Im Unterschied zur Wirkweise der NSAIDs liegt das Angriffsziel, die Prostaglandin-E2-Rezeptoren, am Ende der Arachidonsäurekaskade, sodass dem Organismus die Prostaglandine mit physiologischen Funktionen weiterhin zur Verfügung stehen (Abb. 2).

Prostaglandin E2 und die Bedeutung des EP4-Rezeptors

Im Rahmen des Entzündungsprozesses werden nahezu alle Vertreter der Prostaglandine im Gelenk synthetisiert. Vor allem Prostaglandin E2 (PGE2) ist dabei bedeutend, da es maßgeblich an der Entstehung der peripheren Sensibilisierung im erkrankten Gelenk und an der Entstehung von chronischen Schmerzen beteiligt ist 8.

Prostaglandine entfalten ihre Wirkung über die Interaktion mit Prostaglandinrezeptoren. Besonders der EP4-Rezeptor hat eine zentrale Funktion, da er vor allem bei rheumatischen, osteoarthritischen und auch anderen entzündlichen Veränderungen exprimiert wird 9. Durch eine Blockierung des EP4-Rezeptors konnte beim Menschen ein antihyperalgetischer Effekt gezeigt werden 10 (Abb. 3). Der canine EP4-Rezeptor ist zu 90 % mit dem humanen Rezeptor homolog, sodass von ähnlichen Ergebnissen für den Hund ausgegangen werden kann 11.

Obwohl EP4-Rezeptoren einige Funktionen der PGE2-Wirkung am Gastrointestinaltrakt mediieren (wie Regulation des pH-Werts im Dünndarm oder protektive Funktionen der Magenschleimhaut), stellten Studien an Nagern keine negativen Effekte auf den Gastrointestinaltrakt fest 9, 12-16.

Untersuchungsergebnisse von Grapiprant

Der selektive EP4-Rezeptorantagonist Grapiprant ist seit 2019 in Deutschland und Österreich zugelassen. Grapiprant stellt somit eine Alternative zu klassischen NSAIDs dar, die aufgrund des selektiveren Wirkmechanismus über das Potenzial eines günstigeren Nebenwirkungsprofils verfügt.

Beim Hund wurde die Effektivität von Grapiprant in einer prospektiven, randomisierten, verblindeten und placebokontrollierten Studie bei 262 Tieren mit Osteoarthritis untersucht. Mithilfe validierter Schmerzskalen ließ sich eine signifikante klinische Verbesserung bei den Hunden der Grapiprant-Gruppe feststellen (oral 2 mg/kg Grapiprant bei 48,1 % der Hunde, im Vergleich zu 31,3 % in der Kontrollgruppe) 17.

Die Häufigkeit des Therapieerfolgs bzw. des Auftretens eines Placeboeffekts war vergleichbar mit den Ergebnissen einer Effektivitätsstudie eines klassischen NSAIDs (Carprofen) bei Hunden mit Osteoarthritis 17. Daraus schließen die Autoren, dass Grapiprant eine den NSAIDs vergleichbare Wirkung im Hinblick auf die Schmerzlinderung aufweist 17, 18.

Im Hinblick auf Nebenwirkungen konnte in dieser klinischen Studie bei mit Grapiprant behandelten Hunden vermehrt weich geformter Kot als auch gelegentliches Erbrechen beobachtet werden, welche jedoch auch, in etwas geringerer Anzahl, bei der Kontrollgruppe auftraten und in keinem Fall als behandlungswürdig angesehen wurden 18. Toxizitätsstudien (neunmonatige Gabe mit bis zum 15-Fachen der empfohlenen Dosis) bestätigen diese Ergebnisse im Hinblick auf unerwünschte Wirkungen 19. Potenzielle Nebenwirkungen wie bei NSAIDs (z. B. Magen-Darm-Ulzera, Nierenveränderungen) traten dabei nicht auf 20.

Fazit

Piprante wie Grapiprant stellen eine vielversprechende Wirkstoffklasse zur Behandlung von Schmerzen im Zusammenhang mit leichter bis mittelschwerer Osteoarthritis beim Hund dar. Der innovative Wirkungsmechanismus des EP4-Rezeptorantagonisten bietet zum einen die gewünschte Hemmung von Schmerz und Entzündung, zum anderen birgt der Wirkstoff das Potenzial eines günstigen Nebenwirkungsprofils. Weitere Studien zu Grapiprant in der Langzeittherapie von Hunden mit Osteoarthritis und Individuen mit Komorbiditäten sind erforderlich, um auch hier den positiven Nutzen zu untermauern.

 

Erstveröffentlichung in kleintier.konkret 1/2019; 22

Literaturliste

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2. Johnston SA. Osteoarthritis: Joint anatomy, physiology, and pathobiology. Vet Clin North Am Small Anim Pract 1997; 27: 699–723

3. Brunnberg L, Waibl H, Lehmann J. Degenerative und entzündliche Gelenkerkrankungen. In: Brunnberg L, Waibl H, Lehmann J, Hrsg.: Lahmheit beim Hund. Kleinmachnow: Procane Claudo Brunnberg; 2014: 457–490

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