Priv.-Doz. Dr. Andreas Steinwidder
Bio-Institut der HBLFA Raumberg-Gumpenstein
Dr. Dieter Krogmeier
Institut für Tierzucht, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft
Im Dezember 2017 wird erstmals auch in Österreich der Ökologische Zuchtwert für Zuchtstiere der Rassen Fleckvieh und Braunvieh berechnet und offiziell ausgewiesen. Der ÖZW wurde speziell für die biologische bzw. grundfutterbetonte Milchviehhaltung entwickelt und soll diese in der Zucht unterstützen. Durch eine länderübergreifende Zusammenarbeit zwischen Bio-Verbänden, Zuchtorganisationen und Bio-Forschung
wird die Bio-Rinderzucht damit gestärkt.
In den letzten Jahrzehnten ist in der Milchviehhaltung eine zunehmende Differenzierung zwischen den Betrieben hinsichtlich Fütterungsintensität und angestrebtem Leistungsniveau zu beobachten. Damit nimmt die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Genotyp-
Umwelt-Interaktionen in der Zucht zu. Der beste Stier für den Betrieb A ist damit nicht automatisch auch der beste für den Betrieb B.
In der grundfutterbasierten und biologischen Milchviehhaltung gewinnen die Fitnessmerkmale und die Grundfutter-Lebensleistung an ökonomischer Bedeutung und sind hohe Einsatzleistungen und steile Laktationskurven problematisch. Der ökologische Zuchtwert (ÖZW) trägt diesen Zielsetzungen und Rahmenbedingungen in besonderer Weise Rechnung. Im ÖZW sind dazu alle Abstammungs- und Leistungsdaten der Tiere aus den Bereichen Fitness (Nutzungsdauer, Kalbung und Vitalität, Form und Euter) und Leistung (Ökologischer Milchwert, Persistenz und Leistungssteigerung, Fleischwert) mit unterschiedlicher Gewichtung in einem Wert zusammengefasst. Den Fitnessmerkmalen wird dabei großes Augenmerk geschenkt.
Im Vergleich zum ökonomischen Gesamtzuchtwert (GZW) wird bei Zucht nach dem Ökologischen Zuchtwert (ÖZW) ein deutlicherer Zuchtfortschritt im Fitnessbereich erreicht (Fruchtbarkeit, Eutergesundheit, Kalbeverlauf, Nutzungsdauer etc.). Im ÖZW wird auch die Leistungssteigerung von Laktation zu Laktation bewertet. Tiere mit hohen Einsatzleistungen, frühreife Linien und Linien mit sehr hohen Einzeltierleistungen und geringer Persistenz schneiden schlechter ab.
Neu ist die Veröffentlichung des ÖZW und des Zuchtwerts für die Leistungssteigerung auf dem Stierdatenblatt in der ZuchtData-Zuchtwertdatenbank. Dies ermöglicht es jedem Betrieb, beide wichtigen Kennwerte auf einen Blick neben allen weiteren offiziellen Zuchtwerten zu finden. Um mittelfristig ein ausreichendes Angebot an geeigneten Zuchtstieren für Bio-Betriebe zu gewährleisten, ist es auch notwendig, dass die Besamungsstationen den ÖZW beim Stierankauf berücksichtigen können. Neu ist deshalb, dass der ÖZW auf den Kandidatenlisten, d. h., auf den Zuchtwertinformationen für die typisierten, männlichen Kälber, angedruckt wird. Aus der Gruppe dieser Kälber erfolgt die Auswahl und der Ankauf der Besamungsstiere durch die Stationen. Der Rang nach ÖZW in der entsprechenden Halbgeschwister-Gruppe gibt einen wichtigen Hinweis auf die Eignung für Bio-Betriebe.
Durch die Schätzung des ÖZW für alle Rinder auf Bio-Betrieben soll ermöglicht werden, Selektionsentscheidungen auf Basis des ÖZW zu treffen. Ebenfalls in Entwicklung ist die Übernahme des spezialisierten EDV-Anpaarungsprogramms für ökologische Betriebe aus Bayern.
Schon jetzt werden für ökologische Betriebe besonders geeignete Stiere in speziellen Empfehlungslisten gesondert veröffentlicht. Diese Stiere können jetzt mit dem ÖZW-Logo beworben werden. Grundsätzlich zeigt ein hoher ÖZW eine besondere Eignung des entsprechenden Stieres für ökologische Milchviehbetriebe an. Dennoch können auch bei diesen Stieren gravierende Schwächen in Einzelzuchtwerten zu Problemen führen. Aus diesem Grund erhalten nur Zuchtstiere das ÖZW-Logo, die neben einem sehr guten ÖZW ein insgesamt ausgeglichenes Vererbungsbild zeigen. Stiere mit deutlichen Schwächen in den Zuchtwerten, die insbesondere im ökologischen Bereich sehr wichtig sind (u. a. Persistenz und Leistungssteigerung, Eutergesundheit und Fruchtbarkeit, Fundament und Euter), werden nicht gesondert empfohlen. Mit den Empfehlungslisten und dem neuen ÖZW-Logo sollen besonders Betriebe unterstützt werden, die sich wenig mit Zucht beschäftigen. Züchterisch unerfahrene Betriebe können auf Stiere aus dieser Liste zurückgreifen, ohne dass sie Probleme in der Nachzucht aufgrund von bereits bekannten Schwächen in einzelnen Merkmalen befürchten müssen. Erfahrene Züchter werden sicherlich auch Stiere mit hohem ÖZW, die nicht in den Empfehlungslisten sind, gezielt einsetzen. Eine solche Anpaarung setzt aber die Kenntnis der Einzelzuchtwerte voraus, und Anpaarungen müssen mit viel Bedacht durchgeführt werden.
Die Zusammenarbeit der deutschen und österreichischen Bio-Verbände mit den Zuchtorganisationen und Besamungsstationen sowie den Forschungsstellen in Bayern (LfL-Bayern), Baden-Württemberg (Team Zuchtwertschätzung am LGL in Kornwestheim) und Österreich (Bio-Institut der HBLFA Raumberg-Gumpenstein) ist ein weiterer wichtiger Schritt, ökologische Milchvieh-halter bei ihrer züchterischen Arbeit zu unterstützen. Um dies weiterhin zu gewährleisten, müssen natürlich auch in den nächsten Jahren Weiterentwicklungen stattfinden. Das Konzept ÖZW wird deshalb auch in Zukunft neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst werden.
Für den Bio-Betrieb gilt es natürlich, den ÖZW auch entsprechend zu nutzen. Informationen zum ÖZW sind ab Dezember auch in der ZuchtData-Datenbank ersichtlich und werden in Folge in Besamungskatalogen angegeben werden. Die ÖZW-Zuchtwerte von Zuchtstieren für die Rassen Braunvieh und Fleckvieh können aber auch weiterhin über die Homepage des Bio-Instituts der HBLFA Raumberg-Gumpenstein (www.raumberg-gumpenstein.at/oezw) bzw. der LfL in Bayern abgerufen werden.