Nierendiät mit Mäusehäppchen

Tanja Warter

Lautet die Diagnose bei der Katze ­„chronische Niereninsuffizienz“, ist proteinarme Diät ­angesagt. Doch wie stellt man eine Katze am besten um? Und wie wirken sich Mäuse aus?

Sie ist die häufigste internistische Erkrankung bei geriatrischen Patienten: die chronische Niereninsuffizienz (CNI). Außergewöhnlich häufig trifft diese ältere Katzen. Besonders tückisch ist das Anfangsstadium – klinische Anzeichen gibt in dieser Phase keine, weshalb die aktuelle Empfehlung lautet, die Nierenwerte von Katzen ab einem Alter von sieben Jahren regelmäßig im Jahresabstand zu überprüfen.

Erheblich verbessert wurden die Behandlungschancen durch die Einführung des Biomarkers SDMA. Er bildet in der Diagnostikkette das Frühwarnsystem und erhöht sich bereits ab einem 25-prozentigen Verlust der Nierenfunktion. Im Vergleich dazu steigt Kreatinin erst bei einem Funktionsverlust von 75 Prozent an. Die Früherkennung ist hilfreich, denn je zeitiger gegengesteuert wird, desto besser ist die Prognose. 

Eines der wichtigsten Werkzeuge zum Gegensteuern ist die Umstellung auf proteinarme Kost. Was simpel klingt, kann in der Umsetzung zu einer großen Herausforderung werden – Katzen sind bekanntermaßen überaus kritisch, was neue Futtermittel betrifft. „Zu empfehlen ist grundsätzlich eine langsame Umstellung“, konstatieren die Fachtierärztinnen für Tierernährung Annette Liesegang und Brigitta Wichert (beide Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich), Christine Iben (Veterinärmedizinische Universität Wien) und Petra Wolf (Universität Rostock) in ihrem 2021 erschienenen Fachbuch „Ernährung der Katze“. 


Hören Sie zum Thema Ernährung bei Nierenpatienten auch unsere Podcast-Folge: 


Ihre Tipps und Empfehlungen: 

  1. Das Diätfutter soll dem bekannten Futter von Mahlzeit zu Mahlzeit in immer höheren Teilen zugefügt werden.
  2. Das Diätfutter soll in mehreren kleinen Mahlzeiten angeboten werden. Dies trägt dazu bei, den postprandialen Anstieg der Plasmaharnstoffgehalte abzufangen.
  3. Erwärmen oder auch Anbraten des Diätfutters ­fördert die Akzeptanz. 
  4. Thunfischöl oder etwas Butter sind als Beigabe ­erlaubt und bei vielen Katzen beliebt. 
  5. Etwas fettes (!), gebratenes Fleisch zum Verfeinern untermischen.

Nimmt die Katze das Nierendiätfutter bereitwillig an, ist ein erster großer Schritt geschafft, aber immer noch Vorsicht geboten, um nicht in einen Proteinmangel zu rutschen. In diesem Fall nämlich würde die betroffene Katze Eiweiß aus der Muskulatur abbauen. Vor allem bei bereits abgemagerten Tieren sollte das möglichst vermieden werden. Abbau von Muskeleiweiß hat aber noch einen zweiten Haken: Den Expertinnen zufolge werden dabei neuerlich Substanzen frei, die zu einer weiteren Nierenbelastung führen. Zu starke Proteinrestriktion kann also sogar in das Gegenteil der gewünschten Therapie umschlagen. Bei geringem Krankheitsgrad könne es oft schon ausreichen, eine Überversorgung mit Proteinen zu vermeiden. 

Grundsätzlich, so der Rat der Profis, sei das verdauliche Rohprotein (vRp) bei CNI-Patienten unter oder bei 15 g pro MJ* zu halten. Entscheidend ist die individuelle Dosierung, die sich am Krankheitsbild orientiert. Für gute Resultate ist es unerlässlich, die Effekte der Nierendiät immer wieder zu prüfen: In regelmäßigen Abständen sollten SDMA, Kreatinin, Harnstoff und der Protein/Kreatinin-Quotient sowie das harnspezifische Gewicht bestimmt werden.

Die International Renal Interest Society (Iris) teilt chro­nische Niereninsuffizienz in vier Stadien ein: 
Stadium 1: Keine Azotämie (Kreatinin im Referenz­bereich);
Stadium 2: Geringgradige Azotämie (Kreatinin im Re­ferenzbereich oder leicht erhöht);
Stadium 3: Mittelgradige Azotämie (Kreatinin 251–440);
Stadium 4: Hochgradige Azotämie (Kreatinin über 440). 
Dieser Klassifizierung folgend gibt es folgende Therapieempfehlungen: 

Stadium 1: Keine Azotämie(Kreatinin im Referenzbereich)

  • potenziell nephrotoxische Arzneimittel vorsichtig einsetzen
  • prä- und postrenale Abweichungen korrigieren
  • frisches Trinkwasser sollte immer verfügbar sein
  • regelmäßige Kontrolle von Kreatinin- und SDMA­-Konzentration – stabil oder ansteigend?
  • Grunderkrankungen abklären und ggf. behandeln
  • Hypertension behandeln, wenn der systolische Blutdruck dauerhaft > 160 beträgt oder Anzeichen einer Endorganschädigung bestehen
  • dauerhafte Proteinurie (UPC > 0,4) mit einer Nierendiät und medikamentös behandeln
  • Phosphat < 1,50 mmol/l halten
  • wenn erforderlich, Nierendiät zusammen mit Phosphatbinder füttern

Stadium 2: Geringgradige Azotämie (Kreatinin im Referenzbereich oder leicht erhöht)

Wie Stadium 1; zusätzlich 

  • auf Nierendiät setzen
  • Hypokaliämie behandeln

Stadium 3: Mittelgradige Azotämie (Kreatinin 251–440)

Wie Stadien 1 und 2; zusätzlich

  • Phosphat < 1,60 mmol/l halten
  • Therapie der metabolischen Azidose
  • Therapie einer Anämie in Erwägung ziehen
  • Therapie von Erbrechen, Inappetenz, Übelkeit
  • subkutane oder enterale Flüssigkeitssubstitution zur Aufrechterhaltung des Hydratationszustands in Erwägung ziehen 

Stadium 4: Hochgradige Azotämie (Kreatinin über 440)

  • Wie Stadien 1, 2 und 3; zusätzlich 
  • Phosphat < 1,90 mmol/l halten
  • Ernährungssonde zur Unterstützung der Ernährung und Hydratation sowie zur Applikation von Arzneimitteln in Erwägung ziehen 
     

Allgemeine Einigkeit herrscht darüber, dass im Stadium 1 noch keine Proteinrestriktion notwendig ist. Allerdings kann diese Phase gut für eine langsame Futterumstellung genutzt werden; oder für das Austesten, welches Futter die Katze grundsätzlich akzeptiert. Ab Stadium 2 sind positive Effekte gut belegt. Die unheilbare CNI schreitet mit einer Nierendiät oft langsamer voran und urämische Symptome setzen meist später ein. Der Trend scheint sich jedoch zu einer milderen Proteinrestriktion als noch vor einigen Jahren zu entwickeln. 

Bleibt das Problem mit den Freigängern: Bei ihnen, besonders bei den fleißigen Jägern, ist die Nierendiät schwierig. Mäuse enthalten viel Protein (etwa 50 Prozent TM) und außerdem viel Phosphor. Es ist zwar nicht anzunehmen, dass einzelne Mäuse gleich eine akute Krise auslösen, sehr viele Beutetiere können aber tatsächlich ein Problem für die Behandlung darstellen. Dann helfen nur noch: (mehr) Jagdspiele daheim, die Gabe von Phosphat­bindern und engmaschige Kontrollen.