Priv.-Doz. Dr. Akos Pakozdy PhD., Dipl. ECVN
Universitätsklinik für Kleintiere
Vetmeduni Vienna
Jedes Jahr wird eine große Zahl an wissenschaftlichen Artikeln in einem bestimmten medizinischen Bereich veröffentlicht. Wie können diese Forschungsergebnisse schnell für die Praxis anwendbar gemacht werden? Es gibt dabei einige Hindernisse: Die Ergebnisse werden in unterschiedlichen Fachzeitschriften veröffentlicht, welche eventuell von praktizierenden KollegInnen nicht gelesen werden. Ich möchte in diesem „Mini-Review“ somit Artikel, die klinisch relevante Ergebnisse des Jahres 2017 aus Sicht der Spezialisten beinhaltet haben, zusammenfassen, damit praktizierende KollegInnen sie sofort umsetzen können.
In einer Studie in London wurden 138 Fälle von Katzen mit wiederholten Epilepsieanfällen aufgearbeitet, wobei 57 % als idiopathisch (IE) und 43 % als strukturelle Epilepsie (SE) klassifiziert werden konnten (Stanciu et al., 2017). Die Ergebnisse der statistischen Analyse zeigten, dass bei Katzen über sieben Jahren oder Katzen mit neurologischen Ausfällen häufiger SE als IE vorkommt. Es konnte auch gezeigt werden, dass iktale Hypersalivation und Vokalisation statistisch gesehen eher für IE als SE sprechen, obwohl sie in beiden Gruppen vorkommen.
In einer weiteren Studie aus Großbritannien wurde die Magnetresonanztomografie (MRT) des Schädels bei 188 Katzen mit epileptischen Anfällen ohne neurologische Ausfälle multizentrisch analysiert (Raimondi et al., 2017). Bei einem überraschend hohen Anteil (165 der 188 Katzen, entsprechend 88 %) zeigte das MRT keine Veränderungen, was zu der Annahme führte, dass es sich um idiopathische Epilepsie handelt. Mit den Daten der letzten zehn Jahre scheint die Diskussion über die Existenz der idiopathischen Epilepsie (IE) der Katze abgeschlossen zu sein. Heute ist klar, dass IE bei Katzen nicht nur existiert, sondern relativ häufig vorkommt (Hasegawa et al., 2017). Es muss hierbei jedoch selbstkritisch erwähnt werden, dass die IE lediglich als Verdachtsdiagnose im Ausschluss-verfahren postuliert werden kann.
Imepitoin ist seit einigen Jahren zur Behandlung der idio-pathischen Epilepsie beim Hund zugelassen. Engel et al. untersuchten in einer Pilotstudie die Wirkung der Sub-stanz an Katzen. Sie verabreichten einer Gruppe von 30 gesunden Katzen Imepitoin in einer Dosierung von 30, 40 oder 80 mg/kg 2 x täglich für 30 Tage. Eine Gruppe von acht Katzen mit Epilepsie erhielt 30 mg/kg zwei Mal täglich für acht Wochen. In der Gruppe der gesunden Katzen zeigten einige vorübergehend Hypersalivation, Apathie und Erbrechen. In der Gruppe der Epileptiker war von sieben der acht Katzen ein Follow-up bekannt, davon waren vier der Tiere anfallsfrei (Engel et al., 2017).
Diese Pilotstudie unterstützt die Idee, dass Imepitoin auch bei Katzen ein sicheres und wirksames Antiepileptikum sein könnte.
Eine Doktorarbeit aus Zürich hat die Überlebenszeit bei Katzen mit idiopathischer Epilepsie retrospektiv analysiert (Szelecsenyi et al., 2017). Die Daten stammen aus den Jahren 1997 bis 2012 aus dem Patientengut der Universität Zürich. Es wurden 76 Katzen mit Epilepsie unklarer Genese (idiopathische Epilepsie) inkludiert. Für die Diagnose wurden folgende Kriterien herangezogen: mehr als drei epileptiforme Anfälle (dazwischen zumindest ein Tag vergangen), normale Hämatologie, Blutchemie und Liquoranalyse (keine nähere Information über die untersuchten Parameter). Eine Schnittbilduntersuchung war als Einschlusskriterium nicht zwingend nötig. Alle 76 Katzenbesitzer wurden telefonisch kontaktiert. 42 % der Katzen waren mit oder ohne antiepileptische Therapie (Phenobarbital, Levetiracetam, Diazepam) auf Dauer (über ein Jahr) anfallsfrei. Die mittlere Überlebenszeit betrug fast fünf Jahre. Bei 29 % der Tiere war die Therapie erfolglos und 21 % der Katzen sind wegen der Epilepsie verstorben oder wurden euthanasiert. Die Ergebnisse entsprechen ungefähr unserer Erfahrung (Pakozdy et al., 2012).
Die idiopathische Epilepsie ist eine epileptische Erkrankung, bei der eine genetische Ursache vermutet wird und die klassische Abklärung negativ verläuft. Bis dato konnte eine genetische Ursache lediglich bei zwei Hunderassen (Lagotto Romagnolo LGI2, Belgischer Schäferhund ADAM23) bewiesen werden. Im Jahr 2017 wurde ein zusätzliches Gen (DIRAS1) beim Rhodesian Ridgeback beschrieben (Wielaender et al., 2017). Bei der Epilepsie dieser Rasse gibt es die Besonderheit, dass die ersten Anfälle bereits sehr früh auftreten können (mit 6 Wochen bis 18 Monate). Die Anfälle kommen dabei oft im Schlaf/in Ruhe als Myoklonus (plötzliche, kurze, unwillkürliche Muskelkontraktion) vor. Levetiracetam und Kaliumbromid zeigten hierbei die besten Therapieerfolge.
In einer Studie von Stabile et al. wurde an zehn Hunden mit idiopathischer Epilepsie untersucht, wie sich eine erhöhte Frequenz der Phenobarbitaltherapie auswirkt. Dabei wurde die Gesamt-Tagesdosis nicht verändert, die Frequenz jedoch von zwei- auf dreimal erhöht (Stabile et al., 2017). Es zeigte sich, dass durch diese Veränderung weniger Nebenwirkungen auftraten als mit der gewohnten Therapie. Bei neun der zehn Hunde konnte auch die Frequenz der Anfälle gesenkt werden. Es ist zu vermuten, dass dieses Dosierungsregime bei Patienten hilft, bei denen Phenobarbital eine kurze Halbwertszeit (< 20 Stunden) aufweist. Da dies in der Praxis jedoch schwer zu überprüfen ist, kann bei Epileptikern, die auf Phenobarbital therapieresistent scheinen, eine solche Frequenzerhöhung versucht werden.
Eine Studie aus Hannover (Neßler et al., 2017) untersuchte die Kombination von Phenobarbital und Imepitoin bei Hunden mit therapieresistenter idiopathischer Epi-lepsie (IE). Insgesamt 34 Patienten wurden in drei Gruppen eingeteilt. Hunde, die auf Phenobarbital -weiterhin epileptische Anfälle hatten, bekamen zusätzlich -Ime-pitoin verabreicht (es gab eine Gruppe mit niedrigen 5 mg/kg
2 x täglich und eine andere Gruppe mit 10–30 mg/kg
2 x täglich). Bei ursprünglich auf Imepitoin resistenten Hunden wurde zusätzlich mit Phenobarbital therapiert. Die meisten Patienten haben von der Kombination über 24 Wochen profitiert, aber es konnte in keinem Fall eine Anfallsfreiheit beobachtet werden.
Eine andere Forschungsgruppe aus Gent hat eine ähnliche Fragestellung analysiert (Royaux et al., 2017). In ihrer Studie wurden 27 Hunde mit idiopathischer Epilepsie, die auf Imepitoin 30 mg/kg 2 x täglich therapieresistent waren, entweder mit Phenobarbital (14 Hunde, 2 mg/kg 2 x täglich und spätere Therapieanpassung) oder Kaliumbromid (13 Hunde, nach loading dose 20 mg/kg 2 x täglich) zusätzlich behandelt. Ein Großteil der untersuchten Patienten profitierte von der Kombination, von den Respondern (= monatliche Anfallsreduktion um zumindest 50 %) waren 79 % in der Phenobarbital- und 69 % in der Kaliumbromid-Gruppe.
Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass sich im Jahr 2017 wieder einiges auf dem Gebiet der Epilepsieforschung getan hat. Diese publizierten Ergebnisse sind für den Praktiker, der mit dieser Erkrankung häufig konfrontiert wird, interessant, und ich hoffe, mit dieser Zusammenfassung für die Praxis geholfen zu haben.
ENGEL, O., VON KLOPMANN, T., MAIOLINI, A., FREUNDT-REVILLA, J., and TIPOLD, A., 2017: Imepitoin is well tolerated in healthy and epileptic cats. BMC Vet. Res., 13, 172.
HASEGAWA, D., PAKOZDY, A., and VOLK, H. A., 2017: Differentiating structural from idiopathic epilepsy in cats. Vet. Rec., 180, 608-609.
NEßLER, J., RUNDFELDT, C., LÖSCHER, W., KOSTIC, D., KEEFE, T., and TIPOLD, A., 2017: Clinical evaluation of a combination therapy of imepitoin with phenobarbital in dogs with refractory idiopathic epilepsy. BMC Vet. Res., 13, 33.
PAKOZDY, A., SARCHAHI, A. A., LESCHNIK, M., TICHY, A. G., HALASZ, P., and THALHAMMER, J. G., 2012: Treatment and long-term follow-up of cats with suspected primary epilepsy. Journal of feline medicine and surgery, 1098612X12464627.
RAIMONDI, F., SHIHAB, N., GUTIERREZ-QUINTANA, R., SMITH, A., TREVAIL, R., SANCHEZ-MASIAN, D., and SMITH, P. M., 2017: Magnetic resonance imaging findings in epileptic cats with a normal interictal neurological examination: 188 cases. Vet. Rec.
ROYAUX, E., VAN HAM, L., BROECKX, B. J. G., VAN SOENS, I., GIELEN, I., DEFORCE, D., and BHATTI, S. F. M., 2017: Phenobarbital or potassium bromide as an add-on antiepileptic drug for the management of canine idiopathic epilepsy refractory to imepitoin. The Veterinary Journal, 220, 51-54.
STABILE, F., BARNETT, C. R., and DE RISIO, L., 2017: Phenobarbital administration every eight hours: improvement of seizure management in idiopathic epileptic dogs with decreased phenobarbital elimination half-life. Vet. Rec., 180, 178-178.
STANCIU, G.-D., PACKER, R. M. A., PAKOZDY, A., SOLCAN, G., and VOLK, H. A., 2017: Clinical reasoning in feline epilepsy: Which combination of clinical information is useful? The Veterinary Journal, 225, 9-12.
SZELECSENYI, A. C., GIGER, U., GOLINI, L., MOTHERSILL, I., TORGERSON, P. R., and STEFFEN, F., 2017: Survival in 76 cats with epilepsy of unknown cause: a retrospective study. Vet. Rec., 181, 479-479.
WIELAENDER, F., SARVIAHO, R., JAMES, F., HYTÖNEN, M. K., CORTEZ, M. A., KLUGER, G., KOSKINEN, L. L. E., ARUMILLI, M., KORNBERG, M., BATHEN-NOETHEN, A., TIPOLD, A., RENTMEISTER, K., BHATTI, S. F. M., HÜLSMEYER, V., BOETTCHER, I. C., TÄSTENSEN, C., FLEGEL, T., DIETSCHI, E., LEEB, T., MATIASEK, K., FISCHER, A., and LOHI, H., 2017: Generalized myoclonic epilepsy with photosensitivity in juvenile dogs caused by a defective DIRAS family GTPase 1. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 114, 2669-2674.