Neues Tierarzneimittelgesetz ab 1.1.2024

Mag. Nicole Hafner-Kragl, Kammeramtsdirektorin

Der übermäßige Einsatz von Antibiotika in der Veterinärmedizin als auch in der Humanmedizin trägt zur Entstehung von Resistenzen bei; dies gefährdet nicht nur die Tiergesundheit, sondern auch die Wirksamkeit von Antibiotika in der Humanmedizin. Die europäische „One Health“-Strategie wird daher intensiv vorangetrieben. Der Einsatz von Antibiotika in der Veterinärmedizin wurde in den letzten Jahren bereits erheblich gesenkt. Sieht man sich die Zahlen an, so wurden die AB-Gesamt­vertriebsmengen im Nutztierbereich 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 12,3  % gesenkt; diese betrugen 2022 rund 34,26 Tonnen. 

Zur Umsetzung der Verordnung über Tierarzneimittel auf europäischer Ebene (VO (EU) 2019/6) in nationales Recht kam es zur Schaffung eines Tierarzneimittelgesetzes (TAMG). Dieses Gesetz beinhaltet nun Bestimmungen, die bisher im Arzneimittelgesetz (AMG) geregelt waren; weiters wird das bisherige Tierarzneimittelkontrollgesetz (TAKG) außer Kraft gesetzt und in das neue TAMG eingearbeitet.

Was ändert sich für Tierärzt*innen in der Praxis?

1. Anwendung von Antibiotika

Sowohl im Nutztierbereich als auch in der Kleintierpraxis (sowie auch allen anderen Bereichen) sind nun beim Einsatz von Antibiotika im Rahmen der Diagnoseerstellung ein Erregernachweis und eine Empfindlichkeitsprüfung (Antibiogramm) durchzuführen. 

Im Gesetz sind folgende Fälle angeführt:

  • Wenn Cephalosporine der dritten oder vierten Generation oder Fluorchinolone als Mittel der Wahl indiziert sein könnten. 
  • Bei kombiniertem Einsatz von antimikrobiell wirk­samen Tierarzneimitteln bzw. antimikrobiell wirk­samen Arzneimitteln, welche nicht als Kombinationspräparate zugelassen sind. 
  • Bei Anwendung eines nicht für Tiere zugelassenen antimikrobiell wirksamen Arzneimittels, welches systemisch wirkt. 
  • Bei Wechsel des antimikrobiell wirksamen Tierarzneimittels bzw. antimikrobiell wirksamen Arzneimittels, weil das gewählte antimikrobiell wirksame Tierarzneimittel bzw. antimikrobiell wirksame Arzneimittel nicht wirkt. 
  • Bei wiederholtem oder längerfristigem Einsatz von antimikrobiell wirksamen Tierarzneimitteln bzw. antimikrobiell wirksamen Arzneimitteln in einer epidemiologischen Einheit.

Da es aber nicht in jedem Fall möglich und sinnvoll ist, bei einem kranken Tier eine Probe zu entnehmen, sieht das Gesetz einige Ausnahmen vor. Demnach kann von ­einem Erregernachweis und einer Empfindlichkeits­prüfung (Anti­biogramm) im Rahmen der Diagnoseerstellung abgesehen werden, wenn vorhersehbar ist, dass …

  • die Probenahme mit der Gefahr einer mehr als geringfügigen Beeinträchtigung des Gesundheitszustands des zu behandelnden Tiers verbunden wäre; oder
  • aufgrund einer vorangegangenen Behandlung mit antimikrobiell wirksamen Tierarzneimitteln bzw. antimikrobiell wirksamen Arzneimitteln mit verfälschten Ergebnissen zu rechnen wäre; oder
  • der Erreger nicht mittels zellfreier künstlicher Medien kultiviert werden kann; oder
  • für die Bestimmung der Empfindlichkeit des Erregers keine geeignete Methode zur Verfügung steht.

Sollte aufgrund der o. a. Ausnahmegründe kein Antibiogramm angefertigt werden, so ist jedenfalls anzuraten, den Ausnahmegrund genau zu dokumentieren, um im Fall einer Hausapothekenkontrolle die Gründe anführen zu können. 

2. Benchmarksystem (Schwellenwertsystem)

Im TAMG wurde das Benchmarksystem genau definiert und festgeschrieben, in weiterer Folge müssen erst durch Verordnung (Veterinär-Antibiotika-Mengenströme-VO) Ziele und Schwellenwerte festgelegt werden. Als Basis für den Schwellenwert soll ein Drei-Jahres-Durchschnitt in Bezug auf die jeweilige Nutzungsart (z. B. Mastschwein, Legehenne etc.) herangezogen werden. 
Die Verantwortung zur Zielerreichung tragen die Tier­halter*innen und der/die betreuende Tierarzt/Tierärztin gemeinsam. Die Tierärztin bzw. der Tierarzt hat jedenfalls bei der Behandlung nach dem aktuellen Stand der Veterinärmedizin und im Einklang mit den „Leitlinien für den sorgfältigen Umgang mit antimikrobiell wirksamen Tierarzneimitteln“ vorzugehen.

Im Fall von Überschreitungen (noch festzulegender) Schwellenwerte kommen die definierten Maßnahmen nachfolgender Kaskade zur Anwendung (können jedoch bei Sonderfällen auch kumuliert zur Anwendung kommen): 

  • Verpflichtendes Beratungsgespräch der Tierhalterin bzw. des Tierhalters mit der jeweiligen Betreuungstierärztin bzw. dem jeweiligen Betreuungstierarzt anhand einer standardisierten und veröffentlichten Protokollvorlage;
  • Erstellung eines Maßnahmenplans mit Frist für die Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen;
  • Absolvierung einer verpflichtenden Schulung der Tierhalter*innen sowie der Tierärztin/des Tierarztes;
  • Betriebsbesuche und Beratung durch unabhängige Expert*innen (z. B. vom zuständigen TGD oder der TGÖ – Tiergesundheit Österreich) auf Kosten der Tierhalter*innen;
  • Kann trotz Durchführung von gemäß Z 1 bis 4 angeordneten Maßnahmen eine Überschreitung nicht beseitigt oder vermieden werden, ein Betriebsbesuch durch die zuständige Behörde unter möglicher Zu­hilfenahme von unabhängigen Expert*innen. 
  • Kann trotz Durchführung von gemäß Z 1 bis 5 angeordneten Maßnahmen eine Überschreitung nicht beseitigt oder vermieden werden, eine Reduktion des Tierbestandes bzw. der Besatzdichte.

Bis es zur Setzung der letzten Maßnahme kommt, vergehen jedoch Jahre, in denen die Betriebsleiter*innen unterstützt werden, ihr Management zu verbessern und die Antibiotikakennzahl zu reduzieren. Schon jetzt können Sie sich als Tierärzt*innen über die AHDS-Datenbank https://ahds.ages.at/login (mit der ID Austria) einloggen und den Antibiotikaeinsatz ansehen, wenn die Tier­halter*innen die Freigabe erteilt haben. 

3. Sonstige Neuerungen

Möglich ist in Zukunft die Abgabe von Tierarzneimitteln/Arzneimitteln, ausgenommen Suchtmittel und Antibiotika, aus einer TÄHAPO auch an andere TÄHAPO, wenn dies zur Abwendung eines Versorgungsengpasses erforderlich ist (mit Abgabeschein / Verbot der Selbstbedienung).
Der Einzelhandel über den Fernabsatz ist nunmehr für in Österreich zugelassene oder registrierte Veterinärarzneispezialitäten (die nicht der tierärztlichen Verschreibungspflicht unterliegen) möglich. 
Der Aufbewahrungszeitraum einer tierärztlichen Verschreibung wurde nun dem Steuerrecht angepasst und beträgt sieben Jahre. 
Abschließend darf angemerkt werden, dass sich viele Praxisfragen wahrscheinlich noch ergeben werden, die wir gerne versuchen werden zu klären. Ihre konkreten Anfragen senden Sie bitte an: recht-REMOVE-NOSPAM@tieraerztekammer.at.

 

Weitere Informationen: 

FAQs der Plattform Verbraucher*innengesundheit des BMSGPK
Aufzeichnung des VETAK-Webinars "Neues TAMG - Gesetzliche Anforderungen und praktische Umsetzung" vom 13.12.2023