Heilung in Sicht:

Bahnbrechende Studie zum Thema FIP-Therapie

Bettina Kristof

Ein vielversprechendes Projekt von Prof. Dr. med. vet. Katrin Hartmann zeigt erste Erfolge: Alle an der Studie teilnehmenden Katzen konnten geheilt werden.

Katzenhaltern sowie Tierärztinnen und Tierärzten ist sie ein Graus: Die Feline Infektiöse Peritonitis (FIP) ist eine ­Viruserkrankung bei Katzen, die durch das Feline Corona­virus verursacht wird und bis vor Kurzem zum Tod der erkrankten Katze führte.

Die Krankheit an sich ist schon heimtückisch – zudem ist aber auch die Dia­gnose schwierig, weil sich das Krankheitsbild unterschiedlich darstellen kann. Dazu kommt, dass es bisher keine zugelassene wirksame Therapie gab. Doch jetzt gibt es Hoffnung: In einer neuen Studie wurde ein Medikament getestet, das fantastische Erfolge zeigt. Wir sprachen darüber mit Prof. Dr. med. vet. Katrin Hartmann, Diplomate des European College of Veterinary ­Internal Medicine (Dipl. ECVIM), Fachtierärztin für Innere ­Medizin der Kleintiere und Leiterin der Medizinischen Kleintierklinik der LMU München.

Frau Professorin Hartmann, Sie haben eine Studie zur Behandlung der Felinen Infektiösen Peritonitis, FIP, bei Katzen durchgeführt, bei der ein neues Medikament eingesetzt wurde. Wie war das Ergebnis?
Das Ergebnis ist einfach sensationell! Wir haben schwerst an FIP erkrankte Katzen in die Studie aufgenommen, denen es dank des neuen, oral verabreichten Medikaments von Tag zu Tag besser ging. Alle an unserer Studie teilnehmenden Katzen konnten geheilt werden. Wenn mir das jemand vor ein paar Jahren erzählt hätte, hätte ich das für völlig utopisch gehalten. Jahrelang gab es für uns Tiermediziner keine Heilungsmöglichkeiten für Katzen mit FIP, die ja eine Krankheit ist, die unbehandelt immer zum Tod der Katze führt. Unsere großartigen ­Studienergebnisse konnten aber eindeutig belegen, dass FIP geheilt werden kann.

An wie vielen Katzen wurde das neue Medikament getestet?
Wir konnten 18 Katzen in unsere Studie einschließen. In Planung sind weitere Studien, an denen dann hoffentlich eine größere Anzahl von Katzen teilnehmen kann.

Sie haben das Medikament bei Katzen angewendet, die an FIP erkrankt waren. Welche Kriterien mussten die Katzen erfüllen, um an der Studie teilnehmen zu können?
Die Diagnose FIP musste eindeutig sein. Diese wurde unter Berücksichtigung des Vorberichts, klinischer und labordiagnostischer Befunde sowie durch einen positiven Virusnachweis sichergestellt. Andere schwere Begleiterkrankungen und Infektionen mit dem Felinen Immunschwäche oder dem Felinen Leukämievirus galten als Ausschlusskriterien.

Wie lange hat die Studie gedauert?
Wir haben die Katzen über einen Zeitraum von insgesamt einem Jahr begleitet. Das Medikament mit dem Wirkstoff GS-441524 wurde einmal täglich über einen Zeitraum von 84 Tagen verabreicht. In den ersten sieben Tagen ab Studienbeginn waren die Katzen bei uns stationär an der Medizinischen Kleintierklinik der LMU München und wurden rund um die Uhr intensiv von uns betreut. Im weiteren Verlauf wurden die Katzen zu Hause weiterbehandelt, sie kamen aber zu bestimmten, fest vorgegebenen Zeiten zur Kontrolle in die Klinik.

Wie lange hat es gebraucht, bis sich die Katzen erholt hatten?
Während des Klinikaufenthalts konnten wir sehr schnell eine Verbesserung des Allgemeinbefindens der ­Katzen feststellen – sie waren schon nach wenigen ­Tagen wieder lebhaft und hatten Appetit. Die klinischen und labor­diagnostischen Werte verbesserten sich auch recht schnell, je nach Parameter innerhalb von zwei bis 28 ­Tagen.

Durften die Katzen zwischen den Therapien auch nach Hause? Waren ihnen Freigänge gestattet?
Die Katzen wurden nur in den ersten sieben Tagen der Therapie bei uns stationär aufgenommen und durften danach wieder zu den Besitzern nach Hause. Die Besitzer haben die Therapie selbstständig weitergeführt, hatten aber eine Notfallnummer, unter der sie uns jederzeit erreichen konnten. Freigang war während der Therapie nicht ­gestattet, da sichergestellt sein musste, dass das Medikament täglich zur gleichen Uhrzeit verabreicht werden kann.

Gab es neben dem offenbar hochwirksamen Medika­ment noch andere Gründe, warum die Katzen geheilt wurden? Wurden noch andere Maßnahmen ergriffen?
Die Heilung wurde durch den Wirkstoff GS-441524 ­erreicht, das ist ganz klar. Allerdings war unsere 100-prozentige Heilungsrate besser als alles, was bisher in vorherigen Studien berichtet wurde. Ein Grund für unsere durchschlagende Erfolgsquote war sicher die intensive ­individuelle tierärztliche Betreuung der Katzen. FIP führt zu ganz unterschiedlichen Komplikationen – vor allem zu Beginn treten schwerwiegende Folgen auf, die man nur mit zusätzlicher intensivmedizinischer Therapie in den Griff bekommen kann. Zudem können Katzen andere Begleiterkrankungen bekommen, ganz unabhängig von FIP, die negative Auswirkungen haben, entweder vor oder noch während der Therapie oder zu einem späteren Zeitpunkt. Die intensivmedizinische Behandlung und regelmäßige Kontrolluntersuchungen haben sicher die Heilungsrate deutlich beeinflusst.

Sind die Katzen nun dauerhaft geheilt?
Noch gibt es keine Studien zur Langzeitprognose. Wir ­begleiten die Katzen im Rahmen einer Follow-up-­Studie, um diese Frage irgendwann konkret beantworten zu ­können.

Hat das Medikament auch Nebenwirkungen verursacht?
Wir haben keine gravierenden Nebenwirkungen gesehen.  Wenige Katzen entwickelten eine Erhöhung der Leberenzymaktivitäten. Durch regelmäßige Kontrollen konnten wir diese Veränderungen schnell erkennen und mit symptomatischer Behandlung entsprechend reagieren.

Gab es Katzen, die eine zusätzliche Erkrankung ­hatten – und wie wirkte sich das aus?
Alle an unserer Studie teilnehmenden Katzen wurden komplett durchgecheckt, damit sichergestellt war, dass keine Katze eine Komorbidität aufwies. Es gab eine ­Katze, die bereits zum Start der Studie erhöhte Nierenwerte ­hatte; durch Infusionstherapie besserten sich ihre Werte deutlich. Zunächst dachten wir, die Azotämie sei durch FIP verursacht, etwa durch Granulome in den Nieren, aber im Verlauf konnten wir aufzeigen, dass sie auf Verkalkungen im Nierenbecken zurückzuführen waren, die weder mit FIP noch mit der Therapie etwas zu tun hatten. Diese Katze muss nun engmaschig kontrolliert werden, um zu verhindern, dass Konkremente in die ­Ureteren gelangen und eventuell stecken bleiben.

Bei einer weiteren Katze wurde eine Stomatitis, ausgelöst durch eine Calicivirus-Infektion, festgestellt; eine andere Katze hatte eine Giardien-Infektion mit Magen-Darm-Symptomen, die wir behandelt haben. Von daher sind eine gute Diagnostik und eine zielgerichtete Behandlung sehr wichtig.

Kann eine Katze, bei der FIP geheilt wurde, nochmals daran erkranken?
Eine erneute Erkrankung wäre denkbar. Erneute Infektionen mit den harmlosen Felinen Coronaviren, die in fast ­jedem Mehrkatzenhaushalt vorkommen, sind auf jeden Fall möglich. Ob die Viren aber dann wieder mutieren und mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu FIP ­führen, können wir aktuell noch nicht sagen.

Das Medikament, das Sie in der Studie getestet haben, ist noch nicht zugelassen. Wann rechnen Sie mit einer Zulassung? Gibt es vergleichbare Medikamente, die vor einer Genehmigung stehen?
Der Wirkstoff GS-441524 ist leider in der Tat noch nicht zuge­lassen. Ich kann nicht sagen, ob und wann das Medikament eine Zulassung bekommt. Es gibt leider derzeit keine vergleichbaren Medikamente; es gibt tatsächlich nichts, was ich mir mehr wünsche als die Zulassung dieses Medikaments, um endlich allen an FIP erkrankten Katzen und natürlich auch ihren Besitzern helfen zu können.

Gestatten Sie mir zum Schluss noch einen Blick in die weitere Zukunft: Was sind Ihre nächsten Forschungsprojekte?
Wir haben viele Pläne – etwa weitere und größer ­angelegte Studien durchzuführen, auch mit neuen Medikamenten, um künftig meinem Ziel, möglichst viele FIP-Katzen zu heilen, näher zu kommen.