Dr. med. vet. Astrid Nagl
Tierärztin und Buchautorin
Ausgabe 03/2022
Angesichts der Berge an Müll, die eine Tierarztpraxis täglich produziert, scheint das Konzept einer nachhaltigen Ordination kaum umsetzbar. Doch nicht nur E-Autos und Photovoltaikanlagen, auch kleine Änderungen im täglichen Ablauf können viel bewirken. Wie das klappt, erklärt der praktische Tierarzt Dirk Schölch.
In seiner Tierarztpraxis im deutschen Mörfelden-Walldorf (nahe Frankfurt) schlug der praktische Tierarzt Dirk Schölch neue Wege in Sachen Nachhaltigkeit ein – auch in seinem Alltag lebt er nach diesen Maßstäben: „Meine Eltern haben mir das beigebracht, bevor es das Wort Nachhaltigkeit überhaupt gab“, erklärt er. „Während ich in anderen Praxen assistierte, habe ich mitbekommen, wie viel Plastik dort täglich anfiel und weggeworfen wurde. Das wollte ich anders machen.“
Die Entwicklung grundlegender Hygienemaßnahmen hat viele Todesfälle verhindert; an Einmalspritzen und -nadeln führt daher bis jetzt kein Weg vorbei. Der Kunststoff kann aber zumindest wiederverwendet werden – Recycling und Upcycling sind wichtige Bestandteile eines nachhaltigen Umgangs mit wertvollen Ressourcen. „In meiner Praxis werden die Spritzen gesammelt und sorgfältig ausgewaschen. Eine ortsansässige Firma holt sie einmal im Monat ab und macht daraus ein Spezialgranulat, das zum Beispiel für Lärmdämmung verwendet wird“, erzählt Schölch. Er hatte diesbezüglich viele Firmen kontaktiert und anfangs nur ablehnende Antworten erhalten. „Die größte Sorge war, dass in den Spritzen infektiöses Material verbleiben könnte. Diese Spritzen sortieren wir aber aus, sie kommen dann in den Restmüll. Als das Projekt schließlich anlief, war unser Kooperationspartner in der Straßenbaufirma überrascht und erfreut – denn die Spritzen bestehen aus sehr hochwertigem Kunststoff“, schildert der Tierarzt.
Die Kaffeemaschine muss eine mit Alukapseln sein? Die Plastikbecher im Wartezimmer sind praktisch, weil niemand sie einsammeln und in den Geschirrspüler räumen muss? Klimaschutz in der Ordination ist – wie alles andere in einer Tierarztpraxis – Teamarbeit und funktioniert folglich nur, wenn die Mitarbeiter*innen dahinterstehen. „Natürlich gehe ich mit gutem Beispiel voran und mache auch selbst mit. Sonst würde ich hören: ‚Chef, warum sollen wir die Arbeit machen?‘ Bei uns gibt es eine große Müllanlage und es wird gleich vom Tisch richtig wegsortiert“, sagt Dirk Schölch. Das Auswaschen der Spritzen wird so zum Teamevent mit Pizza in der Mittagspause.
Viele von uns verwenden keine Einweg-OP-Bestecke, der Autoklav ist unser guter Freund. Auch andere Abläufe können wir im Hinblick auf die Nachhaltigkeit hinterfragen: Desinfektionsmittel zum Beispiel im großen Kanister bestellen, nicht in kleinen Einzelverpackungen; Lieferungen möglichst bündeln.
Brauchen Sie wirklich ein Einweg-OP-Häubchen oder darf es ein waschbares aus Stoff sein? Laminieren Sie Formulare wie die Datenschutzerklärung, damit sie mehrfach ausgefüllt werden können. Befunde und Belege können prinzipiell per Mail verschickt werden, außer ein Ausdruck wird explizit gewünscht („E-Mail-Adresse? So was hab ich nicht!“).
Die Umstellung auf eine intelligente Praxissteuerung half Dirk Schölch dabei, Energie zu sparen und ergo auch in diesem Bereich die Umwelt zu schonen. Ältere Geräte gegen neue, energiesparende zu tauschen ist oft nachhaltiger, als Altbestände zu behalten: „Ich kann sehen, welche Geräte am meisten Strom verbrauchen, und Problembereiche identifizieren. Wir haben zum Beispiel einige Trafos in der Decke ausgetauscht, die durch die Umstellung auf LED-Beleuchtung überfordert waren und dauernd Strom gezogen haben – nicht zuletzt ein echtes Sicherheitsrisiko!“, so Schölch.
Und der Hausbesuch? Fahren Sie mit dem Lastenfahrrad? „Nein, ich nehme das E-Auto!“, lacht Dirk Schölch. Solche Fahrzeuge sind mittlerweile sogar für Nutztierpraktiker eine interessante Alternative, denn im E-Auto können elektronische Geräte während der Fahrt aufgeladen werden und die Reichweiten werden immer besser. Auch die Tierbesitzer sind beeindruckt: Die Ladestelle für E-Autos vor der Praxis wird von den Kunden sehr gut angenommen. Derzeit ist das Laden während der Wartezeit kostenlos.
Ein vielseitiges Nachhaltigkeitskonzept für die eigene Ordination zu erstellen kann also Kosten sparen helfen, erfreut die KundInnen und auch den Tierarzt. Schölch: „Ich möchte Zufriedenheit finden und etwas Gutes tun – und als Beispiel für meine Kinder vorangehen.“
An der Vetmeduni Wien wurde in den letzten Jahren einiges unternommen, um den Universitätsbetrieb nachhaltiger zu gestalten; seit 2019 ist die Uni EMAS-zertifiziert (EMAS ist das europäische System für Umweltmanagement). Umweltschutz und Nachhaltigkeit sollen aktiv gefördert und umgesetzt werden. Mehr dazu hat uns Alexander Moravec, der Abfallbeauftragte der Vetmeduni, erzählt.
Wie wurde das Thema Nachhaltigkeit im Müllentsorgungskonzept der Vetmeduni umgesetzt?
Die größten Herausforderungen – im Vergleich zu einem Privathaushalt – sind die Themen Hygiene und Arbeitsschutz. Zero Waste ist in einem Tierspital leider nicht möglich, doch man kann die Mülltrennung optimieren, denn auch eine ordnungsgemäße Entsorgung trägt zur Nachhaltigkeit bei.
Die Vetmeduni ist als öffentliche Einrichtung laut Bundesvergabegesetz ausschreibungspflichtig. Deshalb wird die Abfallentsorgung alle fünf Jahre über die Bundesbeschaffungsgesellschaft neu ausgeschrieben. Dabei werden Umweltaspekte – wie zum Beispiel die EMAS-Zertifizierung, Kriterien zur Nachhaltigkeit und Klimaschonung – berücksichtigt. Auch bei der Neugestaltung der Kleintierklinik, die noch bis April 2022 läuft, wurden das Entsorgungskonzept und das Hygienemanagement völlig neu aufgestellt und hinsichtlich der Nachhaltigkeit bewertet.
Uns interessiert vor allem das Tierspital, da hier ja große Mengen Müll anfallen, von Plastikmüll über medizinische Abfälle. Wie ist das Entsorgungskonzept hier gestaltet, wie wird in den Kliniken Müll getrennt?
Im Tierspital fällt schon eine große Menge an Abfällen an. Kunststoffabfälle werden, wenn möglich, direkt in der Ambulanz getrennt, das Gleiche gilt für Papier und Kartonagen. Hier werden die MitarbeiterInnen im Vorhinein geschult. Im Stall ist das natürlich schwierig: Wenn alles mit Handschuhen angegriffen wird – auch bei der klinischen Untersuchung werden solche verwendet –, kann das Material kontaminiert sein. Dann muss es in den Restmüll.
Der Hygieneausschuss gibt zum Ressourcenmanagement auch Empfehlungen ab – wo braucht man unbedingt Handschuhe, wo nicht, wann ist ein Verband wirklich nötig, geht es auch ohne? Das wird dann in den Kliniken vor Ort umgesetzt und kann zu erheblichen Materialeinsparungen führen.
Wie und wo wird der gesundheitsgefährdende Müll entsorgt: Chemotherapeutika, Chemikalien aus den Laborabteilungen et cetera?
Die Universität ist ein größerer Betrieb, deshalb werden die „gefährlichen Abfälle“ intern zentral gesammelt, vom Abfall- und Gefahrgutbeauftragten sortiert und danach dem beauftragten Entsorger übergeben. Die Abholung findet einmal wöchentlich statt.
Wie werden diese Veränderungen hin zu mehr Nachhaltigkeit von den MitarbeiterInnen und Studierenden aufgenommen respektive mitgetragen – gab es dazu Reaktionen oder auch Kritik?
Die Studierenden finden es super, denn viele von ihnen beschäftigen sich sehr intensiv mit diesem Thema. Sie hinterfragen den Umgang mit Ressourcen, vor allem mit Plastik, wie zum Beispiel eben Einweghandschuhe. Für die MitarbeiterInnen ist vor allem die Mülltrennung im täglichen Arbeitsalltag eine Herausforderung – hier ist es wichtig, Möglichkeiten zur einfachen Mülltrennung zu schaffen und das Know-how anzubieten. Auch das Reinigungspersonal muss gut eingebunden und mit den Abläufen vertraut gemacht werden.
Gibt es aus Ihrer Sicht Tipps für KollegInnen in der Praxis, die ihr Abfallmanagement optimieren möchten?
Schon beim Einkauf und bei der Beschaffung ist es wichtig, auf die Nachhaltigkeit zu achten. Sind zum Beispiel die verwendeten Reinigungsmittel ökologisch oder eben nicht? Durch eine zielgerichtete Verwendung von Verbrauchsmaterial kann man durchaus schon einiges an Abfällen einsparen.