MRT:

kann belastende Strahlung künftig vermieden werden?

 

Forschern des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS ist es in Kooperation mit dem Kiefer-orthopäden Dr. Andreas Detterbeck, der Kieferorthopädie des Universitätsklinikums Erlangen und der Universität Bonn gelungen, die Magnetresonanztomografie (MRT) in der Kieferorthopädie erfolgreich einzusetzen. Für diese wissenschaftliche Leistung wurden sie Ende 2018 von der European Federation of Orthodontics (FEO) mit dem FEO-Award 2018 prämiert.

Das Forscherteam untersuchte, ob und wie kieferorthopädische Untersuchungen ohne ionisierende Röntgenstrahlung möglich sind. In ihrer Studie an Schweineköpfen konnten sie im methodischen Rahmen eine prinzipielle Eignung der MRT-Bildgebung für die Kieferorthopädie nachweisen. In vielen Bereichen scheinen die MRT-Aufnahmen den heute verwendeten dreidimensionalen Röntgenaufnahmen ebenbürtig zu sein.

Dr. Daniel Haddad, Forscher in der Abteilung Magnetresonanz- und Röntgen-Bildgebung des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS war bei besagter Studie federführend dabei.

Was war der initiale Gedanke bei der Entwicklung dieser Technologie? 

Dr. Haddad: Kinder und Jugendliche sind die Hauptkunden für kieferorthopädische Untersuchungen. Bei diesen Personengruppen ist das Risiko für Schäden durch ionisierende Strahlung höher als bei Erwachsenen, wie die Brody-Studie von 2007 zeigte. MRT-Verfahren können mit gutem Kontrastverhältnis und der völligen Abwesenheit ionisierender Strahlung punkten. In einer australischen Studie aus dem Jahr 2013 wird berichtet, dass das Risiko, generell an Krebs zu erkranken, für Personen in der untersuchten Gruppe um 24 Prozent höher war, wenn bei ihnen in den Jahren vor dieser Erkrankung eine Computertomografie-Untersuchung durchgeführt worden war, als bei Personen ohne eine solche Untersuchung. Wenn wir also künftig durch alternative Untersuchungsmöglichkeiten die Strahlenbelastung dieser Untersuchungen in der Kieferorthopädie komplett vermeiden könnten, wäre das großartig.

Was muss noch passieren, damit das Verfahren flächendeckend in der Kieferorthopädie oder sogar allgemein in der Zahnmedizin eingesetzt werden kann?

Dr. Haddad: Da gibt es verschiedene Punkte: Zum einen ist es wichtig, die Akzeptanz für den Einsatz der MRT als Ersatz für die bisherigen Verfahren mit ionisierender Strahlung deutlich zu steigern. Dazu muss vor allem für die vielen verschiedenen Anwendungsbeispiele jeweils einzeln geprüft werden, in welchen Fällen eine MR-Bildgebung zur Diagnostik respektive Therapiebegleitung den bisherigen Methoden gleichwertig, unter- oder sogar überlegen ist. Im Detail muss also jeweils einzeln gezeigt werden, dass die von der MRT gelieferten Informationen für den Kieferorthopäden beziehungsweise Zahnmediziner mindestens die gleiche Aussagekraft besitzen wie die Informationen, die er heute mit anderen Methoden bekommt. Dazu gehört gegebenenfalls auch, die Mediziner passend zu schulen, da MR-Bilder bei gleichem Informationsgehalt durchaus anders aussehen können als zum Beispiel Röntgen- oder CT-Bilder.

Zum anderen muss durchaus noch Entwicklungsarbeit geleistet werden. Es geht insbesondere um Fälle, in denen die MRT im Prinzip gleichwertige oder sogar mehr Informationen liefern kann als die bisherigen Methoden. Wir benötigen auf die jeweilige Fragestellung optimierte und trotzdem einfach zu bedienende, anwenderfreundliche MR-Experimente, die nach kurzer Einarbeitung genutzt werden können. Dazu kann auch gehören, bei der Prozessierung der Daten darauf zu achten, dass Bildkontrast und Aussehen der Bilder denen der bisher verwendeten Methoden ähnlicher sind, als es rein von der MRT zur Darstellung der Bildinformation notwendig wäre. 

Darüber hinaus müssten dedizierte MR-Geräte für die flächendeckende Nutzung bei Kieferorthopäden erst noch entwickelt und zugelassen werden. Bislang werden quasi ausschließlich handelsübliche klinische MR-Geräte verwendet, die mit entsprechenden Detektoren – zum Beispiel Kopf- und Kieferspulen – ausgestattet sind. Das kann auch zukünftig so geschehen und ist sicherlich im Umfeld einer Klinik oder Uniklinik, bei der Kieferorthopäde und Radiologe auf dem gleichen Gelände oder sogar im gleichen Haus praktizieren, einfach zu realisieren. Bei niedergelassenen Kieferorthopäden wäre in den meisten Fällen wohl eine Überweisung an einen Radiologen notwendig.

Gehen Sie davon aus, dass MR künftig das Röntgen vollständig ablösen wird?

Dr. Haddad: Nein, davon gehe ich auf absehbare Zeit nicht aus. Im Moment sehe ich eher den Weg, dass für die MRT wirklich Schritt für Schritt gezeigt werden muss, wo sie sinnvoll als Ersatz der bisherigen Methoden eingesetzt werden kann, und dass dies dann auch genau dort umgesetzt werden kann. Das wird trotz der Vorteile der MRT wegen der noch notwendigen technischen Weiterentwicklung und der Akzeptanz durchaus eine gewisse Zeit dauern. Darüber hinaus wird es Anwendungsbeispiele geben, in denen die bisherigen Methoden weiterhin überlegen sind und weiter genutzt werden müssen. Die einzige Alternative hierzu sehe ich in neuen Forschungsergebnissen, die den bisherigen Einsatzbereich der MRT erweitern, bzw. in der Kombination der MRT mit weiteren bildgebenden Methoden, um in der Summe die bisherigen Methoden mit ionisierender Strahlung ersetzen zu können.

Erwähnte Studien:

[Brody 2007]
Alan S. Brody, MD, Donald P. Frush, MD, Walter Huda, PhD, Robert L. Brent, MD, PhD, and the Section on Radiology: “Radiation Risk to Children From Computed Tomography”;Pediatrics Volume 120, Number 3, September 2007

[Mathews 2013]
JD Mathews, AV Forsythe, Z Brady, MW Butler, SK Goergen, GB Byrnes, GG Giles, AB Wallace, PR Anderson, TA Guiver, P McGale, TM Cain, JG Dowty, AC Bickerstaffe, SC Darby: “Cancer risk in 680 000 people exposed to computed tomography scans in childhood or adolescence: data linkage study of 11 million Australians”; BMJ 2013; 346:f2360