Volkskrankheit Mitralklappenen- dokardiose –

nicht nur unsere Hundesenioren sind betroffen

Mag. med. vet. Dagmar Ehmsen
Tierärztliche Herzambulanz Wien-Süd

Die mit Abstand häufigste Herzerkrankung des Hundes ist die chronisch degenerative Mitralklappenerkrankung.

Schon die zahlreichen unterschiedlichen Bezeichnungen (Mitralklappenendokardiose, myxomatöse Mitralklappenerkrankung, chronisch degenerative Mitralklappenerkrankung, DMVD, myxomatöse Klappendegeneration) zeigen auf, wie viele kluge Köpfe sich bereits mit Ätiologie, Prädisposition, Pathophysiologie, Verlaufsformen, Prognose, Medikationsmöglichkeiten und deren möglichem therapeutischem Nutzen auseinandergesetzt haben.

Jeder Kleintiermediziner hat schon zahlreiche Patienten vom subklinischen Stadium bis zum dekompensierten Patienten betreut. Es stellt sich für den Praktiker dennoch häufig die Frage, ob ein Tier von der Erkrankung betroffen und wie klinisch relevant die Erkrankung für den Hund ist, ob eine Narkose problematisch sein ­könnte bzw. in welche ASA-Risikoklasse der Patient einzuordnen ist, inwieweit das Tier von einer Therapie ­profitiert, und in der Folge, welche Medikation man benötigt.                                                       

Es handelt sich bei der DMVD um eine degenerative Erkrankung mit bei einigen Hunderassen genetischer Prädisposition. Entzündungen, Haltungsbedingungen und Ernährung haben keinen Einfluss auf die Entstehung der Klappendegeneration. Die Matrix der Herzklappe wird zunehmend zerstört, der Kollagengehalt und die Anordnung der Kollagenfasern sowie die Endothelzellen verändern sich, eine Klappeninsuffizienz ist die Folge.

 

kleine Hunde und Senioren erkranken öfter

Eine positive Alterskorrelation liegt vor (über 70 Prozent der Hunde über 16 Jahre sind betroffen), bei genetisch prädisponierten Rassen, insbesondere den kleinen Hunderassen (z. B. Cavalier King Charles Spaniel, Dackel, Pudel, Yorkshire Terrier, Chihuahua), tritt die Erkrankung jedoch schon ab dem dritten Lebensjahr, in seltenen Fällen (CKCS) auch schon früher auf. Bei diesen Rassen liegt die Prävalenz ab dem elften Lebensjahr bei über 75  Prozent. Großwüchsige Hunde sind zwar deutlich seltener betroffen, die Klappenveränderungen stellen sich in der Echokardiographie auch häufig weniger massiv dar, der Erkrankungsverlauf ist aber meist progressiver als bei kleinen Hunderassen. Insgesamt handelt es sich um eine chronische Erkrankung, die häufig im mittleren Lebensalter – vom Tierhalter und zu Beginn auch vom Tierarzt unbemerkt – beginnt und langsam progredient ist. Sobald ein Herzgeräusch auftritt, wird die DMVD auskultatorisch bei Routineuntersuchungen festgestellt, zu diesem Zeitpunkt liegt meist noch keine hämodynamische Relevanz vor.

Erst über Jahre kommt es durch Zunahme des Insuffizienzgrades und die damit verbundene ständige Überlastung des linken Atriums sowie die kompensatorische Volumenüberlastung des linken Ventrikels zur Linksherzvergrößerung, in späterer Folge zu Lungenödem und sekundärer pulmonärer Hypertonie. Der linksventrikuläre Herzmuskel zeigt sich lange hyperdynamisch, in späteren Stadien kommt es zunehmend zu myokardialer Erschöpfung. Lange Zeit sind die Tiere für den Besitzer klinisch unauffällig, und die Herzerkrankung wird so beim nicht regelmäßig in der Tierarztpraxis vorstelligen Hund in Ausnahmefällen erst bei Auftreten des Lungenödems und der damit verbundenen Dyspnoe bemerkt.

Ein im mittleren oder höheren Lebensalter auftretendes Herzgeräusch mit Punctum max. links, herzspitzennahe bei einer kleinen Hunderasse, lässt natürlich vermuten, dass der Patient an DMVD erkrankt ist. Man soll aber bedenken, dass das Herzgeräusch Ausdruck der Mitralklappeninsuffizienz ist. Diese kann durch fast jede Erkrankung unter Mitbeteiligung des linken Ventrikels auch sekundär hervorgerufen werden. Ursächlich hierfür können unter anderem auch angeborene Herzerkrankungen sein, bei denen das ursprüngliche, für die Erkrankung typische, aber basal, weiter dorsal oder rechts wahrnehmbare Herzgeräusch nie detektiert wurde (weil nicht alle Regionen auskultiert wurden) und erst die sekundäre Mitralklappeninsuffizienz mit ihrem typischen P. max. erkannt wird. Bei größeren Hunderassen handelt es sich häufig um eine ebenfalls sekundäre Mitralklappeninsuffizienz bei an dila-tativer Kardiomyopathie erkrankten Hunden. Der Grad des Herzgeräusches lässt Rückschlüsse auf das Ausmaß der Mitralklappeninsuffizienz zwar zu, aber vereinzelt können auch bei relativ leisen Herzgeräuschen (2/6) höhere Insuffizienzgrade vorliegen. Eine weitere Abklärung mittels Herzultraschall ist bei jedem auftretenden Herzgeräusch sinnvoll, um Ursache, Grad, klinische Relevanz und damit sinnvolle Medikation beurteilen zu können. Eine höhergradige Kardiomegalie ist auch röntgenologisch sichtbar. Insbesondere benötigen wir die Röntgenuntersuchung aber zur Abklärung von Stauungserscheinungen im Bereich der Lunge und auch zur Auffindung der bei Auftreten von Husten und Dyspnoe differenzialdiagnostisch relevanten Erkrankungen im Bereich des Respirationstraktes.

Mithilfe des EKGs können wir in Zusammenhang mit der Erkrankung auftretende Arrhythmien (z. B. supraventrikuläre Extrasystolen, Vorhofflimmern in späten Stadien, ventrikuläre Extrasystolen bei Kammermyokardschädigung) genau abklären. Die Blutdruckmessung ist für die Diagnostik der DMVD selbst nicht von großer Relevanz, aber zuweilen sinnvoll, um potenziell auftretende Nebenwirkungen eingesetzter blutdrucksenkender Therapeutika abschätzen zu können. NT-proBNP-Messungen können zur Verlaufskontrolle unter Therapie bei bereits höhergradigen Veränderungen eingesetzt werden.

Entsprechend den langsam zunehmenden Veränderungen am Herzen und dem späteren Auftreten klinischer Beschwerden wurden Klassifikationssysteme basierend auf Prädisposition, Röntgen, Ultraschall und Klinik entworfen. Diese sollen ein systematisiertes Behandlungsschema und die Bestimmung des richtigen Zeitpunktes für den Behandlungsbeginn erleichtern. ACVIM und Chief-Classification unterscheiden zwischen prädisponierten Tieren (A), asymptomatischen Hunden ohne (B1) und mit Herzvergrößerung (B2), symptomatischen Tieren (C) und symptomatischen therapieresistenten Tieren (D).

Die Klasse C, also die Tiere, die bereits Dyspnoe, Leistungsinsuffizienz und/oder Husten zeigen oder gezeigt haben, wird ihrerseits je in ein chronisches/stabiles/bereits in Therapie befindliches Stadium, in dem die Symptome erfolgreich durch Therapie bekämpft wurden (C1), und ein akutes Stadium, in dem geringe (C2) oder hochgradige (C3) Dekompensationserscheinungen auftreten, eingeteilt. Diese Klassifikation sollte man bei jedem Herzpatienten, der an DMVD erkrankt ist, anwenden und danach die notwendigen therapeutischen Interventionen festlegen. Hunde im Stadium A und B1 zeigen niemals klinische Symptome aufgrund ihrer Klappenerkrankung, sie zeigen keine Herzvergrößerung, weder röntgenologisch noch in der Echokardiografie, und profitieren nicht von einer Therapie. Zeigen solche Tiere Husten oder Leistungsintoleranz, liegt dies nicht an ihrer Herzerkrankung. Weitere Diagnostik bezüglich anderer Erkrankungen des Respirationstraktes (Trachealkollaps/Lungenerkrankungen/entzündliche Erkrankungen des oberen und unteren Respirationstraktes) sollte betrieben und von der Gabe von Herzmedikamenten abgesehen werden.

Viele Tiere erhalten jahrelang Herzmedikamente, häufig sogar Diurese aufgrund eines Herzgeräuschs, das durch eine Mitralklappeninsuffizienz ohne jede hämodynamische oder klinische Relevanz bedingt ist, und ohne davon in irgendeiner Weise zu profitieren. Dies sollte mit den heute verfügbaren diagnostischen Möglichkeiten unbedingt vermieden werden. Ab dem Stadium B2 hingegen profitieren die Hunde bezüglich ihrer Lebenserwartung und dem Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens von Dekompensationserscheinungen von einer Therapie mit Pimobendan, zeigen jedoch häufig noch keine klinischen Beschwerden. Dieser Zeitpunkt sollte daher nicht verpasst werden, ist aber klinisch nicht zu verifizieren. Regelmäßige Ultraschalluntersuchungen bei bekannter Mitralklappenerkrankung sind daher sinnvoll. Tiere im chronischen Stadium C sollen nach ACVIM-Behandlungsempfehlungen mit einer Kombinationstherapie aus Pimobendan, ACE-Hemmer, Spironolacton und Furosemid behandelt werden. Auch Torasemid als First-Line-Diuretikum wird aufgrund der längeren Halbwertszeit vermehrt eingesetzt. Der akut dekompensierte Patient (Stadium C2 und C3) wird mit Furosemid parenteral und Pimobendan stabilisiert, der ACE-Hemmer wird nicht sofort eingesetzt.

Bei therapieresistenten Patienten (Stadium D) in stationärer Behandlung kommen zusätzlich bei Bedarf auch Dobutamin (geringere Bedeutung, seit Pimobendan als Injektionslösung verfügbar ist), Nitroprussid, Amlodipin oder Hydralazin (letztere Cave-Blutdruck) zum Einsatz.

Antiarrhythmische Therapien entsprechend der Art der auftretenden Arrhythmien, deren vitale Bedrohung in Abwägung gegen die Nebenwirkungen der Therapie beim dekompensierten Patienten aber bedacht werden müssen, werden auch eingesetzt (z. B. Digitalispräparate, Betablocker). Da der für Tier und Besitzer quälende Husten, bedingt durch Kardiomegalie mit Kompression des linken Hauptbronchus, ein häufiges Symptom bei kleinen Hunderassen darstellt, kann hier (nach optimaler Einstellung mit Diuretika) eine symptomatische Therapie mit Codein und eventuell Theophyllin (Cavebetaadrenerge Wirkung) in Kombination mit der Herzmedikation eingesetzt werden. Die sekundär auftretende pulmonäre Hypertonie muss beim an DMVD erkrankten Patienten meist nicht behandelt werden, sondern bessert sich durch die Diurese und Pimobandan-Therapie. Im Falle ungenügender Druckminderung wird aber zusätzlich Sildenafil eingesetzt. In Österreich sind wir in der glücklichen Situation, dass Dr.  Peter Modler in der Tierklinik Sattledt Mitralklappenrepair anbietet. Für ausgewählte Patienten wird diese Therapieform künftig sicher immer mehr in den Fokus rücken.

Zusammenfassung: Ein an DMVD erkrankter Patient kann mit den uns heute zur Verfügung stehenden Medikamenten bei rechtzeitiger Diagnose in frühem Stadium B2 und entsprechender Adaption der Medikation im Verlauf der Erkrankung über Jahre ein erfreuliches Hundeleben führen.