Bettina Kristof
In Österreichs Haushalten leben 2.070.000 Katzen, 720.000 Hunde und 580.000 Nager und Kaninchen. Doch leider häuft sich die Anzahl jener Menschen, die auf ihre kuscheligen Mitbewohner allergisch reagieren. Denn felltragende Tiere gehören zusammen mit Gräserpollen und Hausstaubmilben zu den drei häufigsten Ursachen für allergische Erkrankungen. In Österreich sind zwölf Prozent der Gesamtbevölkerung davon betroffen.
Was ist eine Allergie?
Eine Allergie ist eine Reaktion des körpereigenen Abwehrsystems nach wiederholtem Kontakt mit dem allergieauslösenden Stoff. Diese Fremdstoffe werden als Allergene bezeichnet, gegen die der Körper spezifische Antikörper vom Typ IgE (Immunoglobulin E) entwickelt. Bei erblicher Veranlagung und wiederholtem Kontakt mit dem Allergen kann es zu einer allergischen Reaktion kommen. Besonders betroffen sind Tierbesitzer, die manchmal ganz plötzlich allergisch auf ihr Tier -reagieren. Und nicht nur das: Eine Tierallergie kommt selten allein.
Wie hat sich die Labordiagnostik in Bezug auf Tier-allergien in den letzten Jahren entwickelt. Gibt es verbesserte Methoden?
In den letzten Jahren wurden gewaltige Fortschritte erzielt, was die Genauigkeit der Methoden betrifft. Die moderne Labordiagnostik ist aber kein Ersatz für die ärztliche Diagnose und nur sinnvoll in den Händen eines erfahrenen Allergologen. Denn wenn man das Labor-ergebnis hat, ist das noch keine Diagnose, die Daten müssen interpretiert werden. Da spielen noch viele Faktoren mit, die ein erfahrener Arzt berücksichtigt, um zu einer Diagnose zu kommen.
Eine neue Testform ist die Komponenten-Diagnostik. Was kann man sich darunter vorstellen?
Das Problem bei den herkömmlichen Testmethoden war, dass man Allergenextrakte hergestellt hat. Komplexe Allergenquellen enthalten aber neben einem oder mehreren Hauptallergenen auch verschiedene, meist kreuzreaktive Nebenallergene. Oft bleibt dann unklar, welches der eigentliche Allergieauslöser ist, und es kann schwierig werden, richtig zu therapieren.
Komponenten-Diagnostik ist eine labordiagnostische Untersuchungsmethode, bei der man nicht mit Allergen-extrakten, sondern mit Einzelallergenen testet. Diese neue Methode erleichtert die Typisierung der Allergie und möglicherweise auch die Prognose, ob der Patient bei Tierkontakt Symptome entwickeln wird oder nicht.
Kritisch bei der modernen molekularen Komponenten--Diagnostik ist die Testung auf ein spezielles „Marker-allergen“, das beispielsweise für die Katze typisch ist. Wenn der Test positiv ist, dann hat man den Beweis, dass es sich um eine primäre Katzensensibilisierung handelt. Bei Hunden ist das ein bisschen komplexer, da gibt es drei verschiedene Markerallergene. Untersucht man Routinepatienten mit einer Hundesensibilisierung mittels Komponenten-Diagnostik, kann man feststellen, dass nur eine Hälfte wirklich eine „echte“ Hundesensibilisierung hat, die andere Hälfte aber lediglich eine Kreuzsensibilisierung, die nach unseren Beobachtungen klinisch oft nur eine begrenzte Bedeutung hat. Diese Patienten entwickeln keine oder mildere Symptome.
Ich habe gelesen, dass es jetzt Allergenchips gibt. Was versteht man darunter?
Allergenchips sind Multitests, mit denen viele verschiedene Allergene (100 oder mehr) auf einmal getestet werden können. Dabei werden Allergenextrakte und/oder Einzelallergene an ein Trägermaterial gekoppelt, darauf kommt dann das Serum des Patienten. Wenn dieser IgE-Antikörper hat, bleiben diese haften. Diese Screeningtests sind praktisch, aber sie müssen richtig interpretiert werden. Wobei wir wieder bei dem Thema sind, dass ein erfahrener, bestens ausgebildeter Allergologe die Diagnose erstellen sollte.
Derzeit sind neuere Systeme im Bereich der Allergenchips in Entwicklung, die sich in den Details unterscheiden. Die Untersuchung mit Allergenchips ist wesentlich teurer als Einzeltests und wird derzeit im niedergelassenen Bereich nicht von den Kassen übernommen. Diese kommen nur für Einzeltests auf. Unter der Annahme, dass Multitests aufgrund laufend verbesserter Technologien in naher Zukunft sehr viel kostengünstiger hergestellt werden können, erscheint aber mittelfristig die zunehmende Ablöse von Einzel- durch Multitests nicht nur aus medizinisch-diagnostischer, sondern auch ökonomischer Sicht als eine attraktive und sinnvolle Alternative.
Kommen Allergien auf mehrere Tierarten gleichzeitig häufig vor?
Das ist ganz unterschiedlich. Bei Katzenallergikern reagieren 48 Prozent der Betroffenen in der Hauttestung gleichzeitig auf Hunde und/oder Pferde. Unter den Hundeallergikern waren nur 13 Prozent ausschließlich auf den Hund sensibilisiert. Mit der Komponenten--Diagnostik bekommt man Einblick in die individuellen Sensibilisierungsmuster und deren molekulare Hintergründe.
Sie erlaubt dem Allergologen eine Unterscheidung zwischen echter Mehrfachallergie und Kreuzreaktivität. Das sind wichtige Parameter, um die entsprechende Therapie auszuwählen.
Stimmt es, dass die meisten Tierallergiker eigentlich auf die Tierhaut allergisch sind und nicht auf die Tierhaare?
Ja, das kann man so sagen. Die meisten reagieren eher auf die Tierhaut allergisch. Viele Allergene werden in der Haut gebildet und dann erst sekundär in den Haaren angelagert. Manche Allergene werden insbesondere im Speichel gebildet, z. B. das Katzen-Hauptallergen Fel d 1.
Die Katze überträgt dieses dann durch das Putzen auf ihr Fell. Andere Allergene wiederum finden sich speziell im Urin.
Wieso nehmen Allergien im Allgemeinen zu?
Diese Frage ist nicht restlos geklärt, aber eine gängige Erklärung liefert die sogenannte Hygienehypothese: Dabei gehen die Wissenschaftler davon aus, dass sich unser Immunsystem in einem Milieu entwickelt hat, in dem es mit vielen mikrobiellen Antigenen in Kontakt war. Die westliche Lebensweise mit ihren Hygienemaßnahmen hat die Intensität und Diversität dieser mikrobiellen Stimuli reduziert. In der Folge kann dies zu einer Dysbalance des Immunsystems und häufiger zu allergischen Reaktionen führen. Zum anderen könnten auch vermehrte Umweltbelastungen das Immunsystem in Allergierichtung neigen lassen.
Ein interessanter rezenter Forschungsschwerpunkt ist die Erforschung unseres Mikrobioms, des komplexen Kollektivs von Mikroorganismen, die unsere Haut, unsere Atemwege und unseren Darm besiedeln und wesentlich zur Reifung und Stabilisierung unseres Immunsystems beitragen. Es mehren sich Hinweise, dass Verschiebungen im Mikrobiom mit dem gehäuften Auftreten von Allergien und Autoimmunerkrankungen einhergehen.
Was sollte man beachten, wenn man ein Haustier zu sich nimmt?
Wenn es in der Familie Allergiker gibt, sollte man -vorsichtig sein. Falls ein Kind Asthma hat, sollte man sicherheitshalber kein felliges Tier in den Haushalt aufnehmen. Bei bekannten Tierallergien kann man eventuell auf eine andere Tierart ausweichen und vorher aus-testen, ob man darauf womöglich allergisch reagieren wird. Dafür eignet sich auch die Komponenten-Diagnostik. Es gibt beispielsweise Hundefreunde, die nur auf ein -spezielles Hundeallergen wie das Can f 5 sensibilisiert sind. Can f 5 stammt aus der Prostata von männlichen Hunden und ist im Urin enthalten.
Für diese Tierhalter wäre die Haltung einer Hündin eine Alternative. Aber da sind wir mit der Forschung noch am Anfang. Ich rechne damit, dass wir in den nächsten Jahren mit der Komponenten--Diagnostik oder auch anderen Methoden noch viel genauere Ergebnisse bekommen werden, die die -Prognosen für Allergiker erleichtern werden.
Es gibt mittlerweile Hunde- und Katzenrassen, die angeblich allergenfrei sind. Wie sehen Sie das?
Ich denke, das ist eher eine dubiose Geschichte und hat sich teilweise als reiner Betrug herausgestellt. Wissenschaftlich existieren keine ausreichenden Beweise, dass es allergenfreie Katzen gibt. Auch bei Hunden hat man in Haushalten mit angeblich allergenfreien Hunde-rassen keine niedrigeren Allergengehalte gemessen, teilweise sogar höhere. Bei Hunden gibt es allerdings möglicherweise Unterschiede zwischen verschiedenen Rassen. Es kann sein, dass manche Rassen mehr Allergene produzieren als andere.
Es gibt jedoch eine starke -individuelle Streuung: Manche Tiere produzieren mehr Allergene als andere. Diese Variabilität innerhalb einer Rasse ist sehr groß, was zur Folge haben kann, dass innerhalb einer Rasse manche Tiere viele Allergene haben können und andere wiederum wenige. Möglicherweise ist das bei Katzen ähnlich.
Ein völlig neuartiger Ansatz bei der Katzenallergie ist der Versuch, die Expression des Hauptallergens Fel d 1 mithilfe einer speziellen Immuntherapie bei der Katze zu unterdrücken und auf diese Weise „hypoallergene“ Tiere zu erhalten. Dazu gibt es aber erst sehr präliminäre Ergebnisse, und es ist noch völlig unklar, ob das in Zukunft eine -realisierbare Routinemethode werden könnte.
Sollten Tierärzte die Tierhalter auf ein mögliches -Allergierisiko aufmerksam machen?
Wenn ein Tierarzt die Familiengeschichte kennt und es da Allergien gibt, wäre es schon sinnvoll. Er müsste den Tierhalter allerdings zum Hausarzt schicken, und dieser überweist dann ans Ambulatorium.