Mit dem Huhn auf dem Sofa

Ein Interview mit Mag. Beate Katharina Schuller

Dr. Astrid Nagl

Eier aus eigener Haltung werden immer beliebter und somit laufen heute auch schon in diversen privaten Gärten Hühner herum. Diese landen dann bei Problemen oft in der Kleintierpraxis – und die Besitzer*innen haben viele Fragen. Mag. Beate Schuller hat sich auf Geflügelmedizin spezialisiert und züchtet auch selbst Rassegeflügel. Sie erklärt, wie wir Hobby­hühnern und ihren Halter*innen weiterhelfen können.

Ein Huhn aus einer Hobbyhaltung hat oft engen Kontakt zu seinen Besitzer*innen, die spezielle Ansprüche an seine Krankheitsfall stellen. 

Der Kontakt zwischen Huhn und Mensch ist in der Hobbyhaltung oft sehr intensiv. Manche schauen jeden Abend mit dem Huhn auf der Couch fern, das Huhn trägt im Haus Hühnerwindeln – das sind natürlich Extrembeispiele. Aber in vielen Familien besteht ein enger Kontakt zu den Tieren, sie werden täglich gestreichelt und gefüttert. Diese Menschen wünschen sich natürlich auch, dass ihrem Huhn im Krankheitsfall geholfen wird. 

Hühner aus privater Haltung werden also im wahrsten Sinne des Wortes anders behandelt - führen Sie zum Beispiel häufig Operationen bei Hühnern durch?

Wir haben eine eigene Station für gefiederte Patienten, auf der meist vier bis fünf Tiere eingestellt sind. Auch chirurgische Eingriffe führen wir täglich durch. Dabei operieren wir vor allem Salpingitiden, kürzlich zum Beispiel eine riesige Eierstockzyste. Es gibt bei uns übrigens auch Fortbildungen für Kolleg*innen zu diesem Thema – viele interessieren sich dafür, so etwas selbst zu operieren. 

Gibt es bei der Anästhesie besondere Vorsichtsmaßnahmen?

Wichtig ist, dass es schnell geht. Das heißt: alles vorher herrichten, einen Plan haben und ihn konsequent und effizient umsetzen. Unsere Patienten werden nicht rasiert, sondern gerupft – auch das muss schnell gehen und das Huhn darf dabei nicht auskühlen! Wir arbeiten mit Warmluftgebläsematten und angewärmten Infusionen. Wann immer möglich, setzen wir einen venösen Zugang, intubieren und verwenden Monitoringmaßnahmen wie eine kloakale Temperatursonde, Pulsoximeter, Kapnographie und ein Ösophagusstethoskop. Schmerzmittel können mit Wartezeit umgewidmet werden – achten Sie darauf, dass es Präparate sind, die eine Zulassung für lebens­mittelliefernde Tiere haben.


Mag. Beate Schuller hat Veterinärmedizin studiert und besitzt ein Diplom für ­Labordiagnostik und Ana­lyse. Sie leitet den VET   Works-Standort in Seiten­stetten, Niederösterreich; dort behandelt sie täglich Hühnerpatienten und bietet auch immer wieder Fortbildungen für Tierärzt*innen und Hühnerhalter*innen zum Thema Geflügelmedizin an. 


Was müssen Menschen wissen, die vorhaben, eine private Hühnerhaltung aufzubauen?

Ganz wichtig ist es zuerst einmal, zu wissen, welches Huhn man haben möchte. Das ist vielen Besitzer*innen und auch Tierärzt*innen nicht klar! Viele Hühnerhalter*innen wissen gar nicht, was sie haben, dabei gibt es große Unterschiede zwischen Hybridtieren und Rassehühnern. Sie haben ganz verschiedene Bedürfnisse, Ansprüche an die Futterzusammensetzung, die Hygiene – und auch eine andere Lebensdauer. 

Wie kann ich erkennen, ob es sich um eine Hybridtier handelt? Auf dem Markt werden auch Hybridtiere mit Schmuckfedern et cetera angeboten.

Das ist ganz einfach: Hybride sind immer verfügbar und billig zu haben. Wenn so ein Huhn allerdings einmal aus einer Regenlacke trinkt, wird es gleich krank. Ein Hybridhuhn kostet zehn oder zwanzig Euro, ein Rassetier bekommen Sie nicht unter 50 Euro, die Preise gehen bis zu 1000 Euro. Alte Rassen wie Sulmtaler oder Altsteirer, die nicht auf hohe Leistung selektiert wurden, sind viel robuster – aber auch schwerer zu kriegen.

Welche Fütterung ist zu empfehlen? Können Essensreste verwendet werden?

Es sollte unbedingt ein Alleinfuttermittel gefüttert werden. Rein Essensreste zu verfüttern führt zu einer Mangel­ernährung, auch wenn die Hühner fett aussehen! Auch die Verfütterung von Mehlwürmern ist gut gemeint, aber falsch – diese haben das falsche Kalzium-Phosphor-Verhältnis und die Hühner können Osteoporose-ähnliche Symptome bekommen.

Welche Medikamente können wir bei Hühnern gut einsetzen? Wenn die Eier gegessen werden, ist ja eine Wartezeit zu beachten.

Das häufig verwendete Enrofloxacin zum Beispiel ist eigentlich nicht zugelassen für die geschlechtsreife Henne. Von einem Tier, das Enrofloxacin bekommen hat, dürfte eigentlich nie wieder ein Ei konsumiert werden. Daher sollten nur zugelassene Medikamente verwendet werden, auf Wartezeiten müssen Sie unbedingt hinweisen – denn die Eier werden sonst gegessen. Doch die für lebensmittelliefernde Tiere zugelassenen Antibiotika sind in der Kleintierpraxis oft nicht lagernd und nur in großen ­Gebinden bestellbar. Daher ist die Verbindung mit der Behandlung von Nutzgeflügel praktisch, weil die passenden Medikamente dann immer vorhanden sind und auch kleine Mengen abgefüllt werden können.

Ist den Beistzer*innen dieses Problem bekannt - wissen sie überhaupt, dass es eine Wartezeit gibt?

Ich habe den Eindruck, dass sich Hobbyhalter*innen gut informieren und häufig nachfragen, wie es mit der Wartezeit aussieht. Hier sollte in der Tierärzteschaft mehr Bewusstsein geschaffen werden – auch Hobbyhühner sind lebensmittelliefernde Tiere! Doch bei privat gehaltenen Hühnern, die auch deutlich länger leben, sind die Behandlungsmöglichkeiten vielfältiger, und nicht immer gibt es ein zugelassenes Medikament. Für diese Tiere wünsche ich mir eine Lösung ähnlich wie bei den Equiden, die gesetzeskonform ist: eine eindeutige Kennzeichnung, dass dieses Tier nie mehr lebensmittelliefernd sein wird; etwa durch einen Mikrochip oder einen Pass. 

Viele Besitzer*innen möchten ihre Hühner prophylaktisch entwurmen, wie sie es von Hund und Katze kennen...

Eine prophylaktische Entwurmung ist nicht zu empfehlen – die Resistenzlage ist schlecht und es gibt wenige zugelassene Medikamente. Hobbyhalter*innen sollten mindestens zweimal pro Jahr Sammelkotproben über drei Tage nehmen und diese in einem geflügelkundigen Labor untersuchen lassen. Werden Parasiten respektive deren Eier gefunden, entscheiden wir je nach Parasiten und Befallstärke, welches Präparat eingesetzt werden kann. Futterzusatzstoffe, also Phytotherapeutika, können bei geringgradigem Befall gut eingesetzt werden, denn es gibt hier keine Resistenzen, kein Rückstandsproblem und keine Wartezeit. 

"In unserem Stall krabbeln so kleine rote Flöhe!": Sollte ein Befall mit Ektoparasiten sofort bekämpft werden?

Der Hühnerfloh“ ist nie ein Floh, sondern meist die Rote Vogelmilbe. Sie ist ein Parasit des Stalls und nachtaktiv, das heißt, wir finden sie nicht auf dem Huhn selbst. Also muss es auch nicht in die Ordination gebracht werden. Stattdessen kann ein Tixo-Abklatsch gemacht werden, oder die Besitzer*innen bringen verdächtige Tiere in einem Marmeladenglas vorbei. Bei geringgradigem Befall würde ich zunächst zu einem intensiven Monitoring raten: Milbenfallen können aufgestellt, doppelseitiges Klebe­band kann angebracht werden. Wenn der Milbendruck so schlimm ist, dass behandelt werden muss, verwenden Sie zugelassene Präparate – keinesfalls dürfen Ektoparasitika mitgegeben werden, die für Hunde und Katzen zugelassen sind!

Wie oft kommt es zu Zoonosen bei Menschen, die Hobbyhühner halten?

Salmonellen sehe ich sehr selten; dass Personen, darunter auch Kinder, an Campylobacter erkrankt sind, habe ich hingegen schon ein paar Mal erlebt, daher empfehle ich privaten Hühnerhalter*innen, regelmäßig „Privatproben“ einzuschicken. Eine Sammelkotprobe zweimal jährlich kann sowohl für eine bakteriologische Untersuchung als auch für einen parasitologischen Check herangezogen werden. Dadurch können wir bestätigen, dass Eier und Hühner sicher sind. Übrigens kommen auch Fälle von aviärer Tuberkulose in der Hobbyhaltung vor! Das ist potenziell sehr gefährlich, aber derzeit nicht anzeigepflichtig. Auch aus diesem Grund sollten Hühner nur von seriösen Betrieben angekauft werden. 

Wie können wir Besitzer*innen von Hobbyhühnern nahebringen, dass ein Vogelgrippe-Ausbruch nicht vor ihrem Garten haltmacht?

Viele Besitzer*innen sind sich der Gefahr nicht bewusst – weil es dabei nicht um das Ei geht, das sie konsumieren. Sie glauben, die Richtlinien gelten für sie nicht, und empfinden, dass das „von oben her verordnet wird“. Es hilft, sie darauf aufmerksam zu machen, dass die Hühner sterben können! Wir führen viele Tests durch; in diesem Jahr waren bisher alle negativ. Das Thema ist da, die Erkrankung ist da – ich als Tierärztin würde es sehr begrüßen, wenn Impfstoffe zugelassen würden.