Die mentale Gesundheit –

ein Selbstläufer?

Mag. Silvia Stefan-Gromen

Gerade in Pandemiezeiten ist für viele die Belastung durch Job und Familie überproportional hoch. TierärztInnen sind dabei besonders betroffen. Um gegenzusteuern, haben internationale Initiativen rund um die mentale Gesundheit von TierärztInnen eigene Programme für die psychische und seelische Fitness entwickelt – auch die Tierärztekammer hat dazu ein Angebot.

Vergleicht man die Situation der praktizierenden Tier­medizinerInnen mit anderen Berufen, fällt eines auf: Sie haben lange Arbeitszeiten, ein vergleichbar geringeres Einkommen, ein erhöhtes Stressniveau und sind tendenziell unzufriedener.1 Viele VeterinärInnen würden ihren Beruf auch nicht erneut ergreifen1 – und die Situation rund um die Coronakrise verstärkt die Lage nochmals zusätzlich. Um der Entwicklung Rechnung zu tragen, gibt es weltweit bereits einige Initiativen, die sich mit der mentalen Gesundheit und dem Wohlbefinden von TierärztInnen beschäftigen.

Das Royal College of Veterinary Surgeons (RCVS), die Aufsichtsbehörde für Tierärzte und Tierpfleger in Großbritannien, hat aus diesem Grund bereits im Jahr 2015 die sogenannte Mind Matters Initiative (MMI) gegründet, die darauf abzielt, die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden von TierärztInnen und tiermedizinischem Personal zu verbessern (darunter auch StudentInnen, TierpflegerInnen, TierärztInnen und PraxismanagerInnen). Mind Matters ist eine professionelle Initiative, die von einer Taskforce unterstützt wird, die sich aus Vertretern der wichtigsten Veterinärorganisationen zusammensetzt. Mit einem Kapital von einer Million britischen Pfund werden sogenannte Mental Health Awareness ­Trainings angeboten, die vor allem folgende Ziele verfolgen:

• Vorsorge: Die Behandlung von systemischen Pro­blemen, die die psychische Gesundheit beeinträchtigen, einschließlich des Suizidrisikos bzw. der Faktoren, die das Wohlbefinden einschränken. Dies beinhaltet die Erforschung der Themen sowie die Entwicklung und Befürwortung von Strategien und Interventionen, die eine positive psychische Gesundheit unterstützen.

• Schutz: Die Bereitstellung und Förderung der Fähigkeiten und Kenntnisse, die Einzelpersonen und Organisationen benötigen, um das Wohlbefinden zu steigern und die psychische Gesundheit in der Veterinärmedizin zu verbessern, um solche Interventionen evidenzbasiert und allgemein zugänglich zu machen.

• Unterstützung: Die Sicherstellung einer angemessenen fachlichen Unterstützung für VeterinärmedizinerInnen und StudentInnen in einer vertraulichen und sicheren Umgebung.

Unterstützerin dieser Initiative ist unter anderem auch die FVE, die Federation of Veterinarians of Europe – dazu sagt ihr Präsident Rens van Dobbenburgh: „Es liegt in der gemeinsamen Verantwortung des Veterinärberufs, zusammenzuarbeiten, bewährte Verfahren auszutauschen und sichere Arbeitsumgebungen für uns, unsere Kollegen und das gesamte Veterinärteam zu unterstützen.“

Auch auf nationaler Ebene hat das Thema psychische Gesundheit an Bedeutung gewonnen. Das Gesundheitsministerium hat seit Februar 2021 eine Taskforce mit renommierten Expertinnen und Experten verschiedenster Disziplinen eingerichtet und lässt sich zum einen medizinisch-wissenschaftlich und zum anderen für das Krisenmanagement beraten. Dass gerade in Pandemiezeiten auch die Berufsstandsvertretungen in den einzelnen Ländern gefordert sind, ihren Mitgliedern entsprechende Angebote zu unterbreiten, weiß auch Tierärztekammer-Präsident Mag. Kurt Frühwirth: „In Zeiten wie diesen müssen wir unseren Berufsstand, wo es geht, unterstützen – dabei hat das Thema Gesundheit oberste Priorität. Mentale Fitness ist wichtig, um handlungsfähig zu bleiben. Das Thema geht uns alle etwas an. Es ist höchste Zeit, dass wir initiativ werden,“ und verweist auf das entsprechende Webinar-Angebot für ÖTK-Mitglieder, das im Rahmen der VETAK zusammengestellt wurde:

Links:
https://fve.org/publications/worldmentalhealthday
www.vetmindmatters.org

Literatur:
1 Kersebohm J. C., Doherr M. G., Becher A. M. (2017) Lange Arbeitszeiten, geringes Einkommen und Unzufriedenheit: Gegenüberstellung der Situation praktizierender Tiermediziner mit vergleichbaren Berufsgruppen der deutschen Bevölkerung. Berl Munch Tierarztl Wochenschr DOI 10.2376/0005-9366-16093